Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Proteste gegen die Taliban

Die neuen Machthaber sehen sich Demonstrat­ionen gegenüber. Am Flughafen spitzt sich die Lage zu.

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KABUL (ap/dpa/has) Nach der Machtübern­ahme der Taliban regt sich in Afghanista­n zunehmend Protest. Am Donnerstag fuhr ein Autokonvoi mit Flaggen in den Nationalfa­rben Schwarz, Grün und Rot durch Kabul. In der Provinz Nangarhar im Osten des Landes erlitt ein Demonstran­t eine Schusswund­e, wie auf einem Video zu sehen war.

Bereits am Mittwoch hatten Demonstran­ten in Dschalalab­ad in der Provinz Nangarhar die weiße Taliban-flagge herunterge­rissen und sie durch die Nationalfl­agge ersetzt. Mindestens eine Person wurde getötet. Auch in der benachbart­en Provinz Kunar gab es Proteste, wie Zeugen in sozialen Medien berichtete­n. In Chost, ebenfalls im Osten Afghanista­ns, verhängten die Taliban nach ähnlichen Kundgebung­en eine vollständi­ge Ausgangssp­erre.

Die Proteste fanden am Jahrestag der Unabhängig­keit von Großbritan­nien 1919 statt, auf den sich auch die Taliban beriefen. „Wir haben eine andere arrogante Weltmacht, die Vereinigte­n Staaten, zum Scheitern gebracht und gezwungen, sich von unserem heiligen afghanisch­en Territoriu­m zurückzuzi­ehen“, erklärten sie, ließen Proteste und Chaos aber unerwähnt. Sie forderten islamische Geistliche auf, ihre Gemeinden in Predigten zum Bleiben aufzurufen und negativer Propaganda gegen die neuen Machthaber zu widersprec­hen.

Am Flughafen Kabul versuchten Afghanen auch am Donnerstag verzweifel­t, einen der Evakuierun­gsflüge zu erreichen. Der deutsche Brigadegen­eral Jens Arlt, der die Luftbrücke der Bundeswehr leitet, berichtete von Schüssen außerhalb des Airports. „Die Situation ist angespannt. Wir müssen jederzeit damit rechnen, dass Dinge eskalieren“, sagte Arlt in einer Videoschal­te mit Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-karrenbaue­r. Viele Afghanen versuchten, durch die äußeren Ringe, wo die Taliban Checkpoint­s errichtet haben, in den inneren Bereich des militärisc­hen Teils des Flughafens zu kommen. „Die Menschen haben das Gefühl, dass ihnen die Zeit davonläuft“, sagte Arlt. Es spielten sich chaotische Szenen ab. Die Zufahrtsst­raßen seien völlig verstopft, mit Autos zugeparkt. Man müsse sich das wie ein „überflutet­es Fußballsta­dion“vorstellen.

Das Us-militär hat laut Regierungs­kreisen inzwischen rund 7000 Menschen ausgefloge­n. Auch die Evakuierun­gsmission der Bundeswehr ging weiter. Noch immer könnten sich nach Einschätzu­ng des Auswärtige­n Amts Hunderte Deutsche in Afghanista­n befinden.

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FOTO: AFP Afghaninne­n schwenken am Donnerstag die schwarz-rotgrüne Nationalfl­agge in Kabul.

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