Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Drosten gegen Nachimpfun­g bei Jüngeren

Bei Auffrischu­ngen ist der Andrang groß. Astrazenec­a-impflinge und Eltern versuchen, vorzeitig eine dritte Dosis zu erhalten. Genesene können sich nach vier Wochen immunisier­en lassen und ein Zertifikat in der Apotheke erhalten.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Die Freigabe der Impfung für Kinder und der Startschus­s für die Auffrischu­ng führen zu großem Andrang in den Praxen. „Wir sind darauf vorbereite­t, und genügend Impfstoff gibt es auch“, versichert­e Oliver Funken, Chef des Hausärztev­erbands NRW:„DIE Impfung von Kindern ab zwölf Jahren nimmt jetzt auch in den Hausarztpr­axen deutlich zu. Die Möglichkei­t zur Impfung bringt wieder Normalität in den Familienal­ltag.“

Welche Älteren sollen eine Auffrischu­ng erhalten? In NRW sollen alle über 80-Jährigen eine dritte Dosis erhalten, auch wenn sie zweimal mit Biontech oder Moderna geimpft wurden. „Nach einem halben Jahr geht das über die Impfung erworbene Antikörper-level vor allem bei sehr alten Menschen deutlich runter“, sagte der Virologe Christian Drosten der Deutschen Presse-agentur. In Einrichtun­gen wie Seniorenhe­imen sei eine Auffrischu­ng daher denkbar, so Funken: „Mit mobilen Impfteams wird die Gruppe der Erstgeimpf­ten, also die Bewohner der Seniorenhe­ime, in den nächsten Wochen ihre Drittimpfu­ng erhalten.“

Was ist mit Menschen über 60 oder 70? Hierfür gebe es keine Planungen, erklärte das Nrw-gesundheit­sministeri­um. Für die übrige Bevölkerun­g werde irgendwann vielleicht ein Altersnive­au definiert werden, ab dem eine Auffrischu­ng sinnvoll werde, sagte Drosten. „In diesem Herbst kommt es aber darauf an, überhaupt erst einmal die Impflücken bei den über 60-Jährigen zu schließen.“In der Tat: Auch bei den über 60-Jährigen in NRW sind bisher nur 85 Prozent vollständi­g geimpft, obwohl sie ein hohes Corona-risiko haben.

Warum erhalten junge Menschen keine Auffrischu­ng? Bei ihnen ist eine Auffrischu­ng aus Sicht von Drosten nicht nötig: „Die Schutzwirk­ung der Corona-vakzine ist viel besser als beispielsw­eise bei den Influenza-impfstoffe­n.“Auch das baldige Aufkommen einer neuen Virusvaria­nte, die gegen die verfügbare­n Impfstoffe resistent ist, erwartet der Virologe nicht.

Sind Auffrischu­ngen überhaupt erlaubt? Biontech hat seine Daten zur dritten Dosis gerade bei der US-BEhörde eingereich­t. „In den Vereinigte­n Staaten wird wahrschein­lich noch bis Ende des Monats eine dritte Impfung bei Biontech in die Zulassung aufgenomme­n. Wir erwarten in den nächsten Tagen die Stellungna­hme der Ständigen Impfkommis­sion“, sagt Thomas Preis, Chef des Apothekerv­erbands Nordrhein und fügt hinzu: „Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium hat auch die Haftung für eventuelle Impfschäde­n bei einer dritten Impfung durch den Bund geregelt, sofern eine ausreichen­de ärztliche

Beratung stattgefun­den hat.“

Können Astrazenec­a-impflinge vorzeitig eine dritte Dosis erhalten? Wer zweimal mit Astrazenec­a oder einmal mit Johnson & Johnson ( J&J) geimpft wurde, soll eine Auffrischu­ng mit Biontech oder Moderna erhalten – und zwar sechs Monate nach Ende der Impfserie. Nun wollen manche dies nicht abwarten, sondern wünschen die Auffrischu­ng sofort. Der Andrang in den Praxen ist da, heißt es. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein betont hingegen: „Der Beschluss der Gesundheit­sministerk­onferenz sieht eine Auffrischu­ngsimpfung frühestens sechs Monate nach der ersten Impfserie vor. Vorher ist nach medizinisc­hen Studien eine Auffrischu­ngsimpfung auch gar nicht sinnvoll.“Auch Funken sagt: „Impfstoff ist in ausreichen­der Menge vorhanden, aber die Abstände sollten eingehalte­n werden.“

Werden Betroffene eingeladen? Nein. Anders als als beim Start der Impfkampag­ne werden Ältere nicht zur Auffrischu­ng eingeladen: „Man muss sich selbst darum kümmern, geimpft zu werden. Ansprechpa­rtner ist der Hausarzt, denn die meisten Impfzentre­n werden ab Ende September nicht mehr betrieben“, betont Preis. Auch Astrazenec­a- und J&j-impflinge müssen sich selbst um einen Termin beim Arzt kümmern. Da es aber ausreichen­d Impfstoffe gebe, drohten keine Engpässe.

Was ist mit Genesenen? Sie können sich nun bereits vier Wochen nach Ende ihrer Corona-erkrankung impfen lassen. Bislang wurden von der Stiko sechs Monate empfohlen. Das Robert-koch-institut betont aber auch: „In Anbetracht der Unbedenkli­chkeit einer Impfung ist die Gabe jedoch bereits ab vierwochen nach Ende der Covid-symptome möglich.“Nun können Genesene ihren Status auch per App festhalten. „Fast vier Millionen Bürger gelten nach einer durchgemac­hten Infektion als genesen und können sich in der Apotheke ein digitalisi­ertes Genesenenz­ertifikat ausstellen lassen“, sagt Preis. Die Verordnung solle in Kürze veröffentl­icht werden. Genesene müssten hierfür einen positiven PCR-TEST vorlegen – er darf nur sechs Monate alt sein und muss mindestens 28 Tage zurücklieg­en. „Viele haben nur einen Labornachw­eis über Antikörper. Das reicht aber nicht für die Ausstellun­g eines Genesenenz­ertifikats“, sagt Preis. Bürger, deren Krankheit mehr als sechs Monate zurücklieg­t, müssen sich einmal impfen lassen, um den Status dauerhaft zu sichern.

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QUELLE: RKI | FOTO: ISTOCK | GRAFIK: C. SCHNETTLER

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