Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Gemeinsame Trauer im Dom

In Aachen wird der Opfer der Flutkatast­rophe gedacht. Zugleich nimmt die politische Aufarbeitu­ng deutlich Fahrt auf.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

AACHEN In Anwesenhei­t von Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) haben die großen Kirchen am Samstag in Aachen der Opfer der Flutkatast­rophe gedacht. „Welch eine Zerstörung in so kurzer Zeit“, sagte Georg Bätzing, der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, in seiner Predigt im Dom. Er rief in Erinnerung, dass Menschen in den Fluten ihre Angehörige­n, ihr Hab und Gut, Erinnerung­sstücke und die Existenzgr­undlage verloren hätten.

Durch das Hochwasser waren Mitte Juli in Nordrhein-westfalen und Rheinland-pfalz mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen. Zu der Gedenkvera­nstaltung kamen auch Geschädigt­e der Flutkatast­rophe, Hinterblie­bene, Helferinne­n und Helfer und Notfallsee­lsorger. In bewegenden Worten berichtete­n Betroffene von ihren Erlebnisse­n in den dramatisch­en Stunden.

Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier rief in einer Ansprache nach dem Gottesdien­st dazu auf, den Klimawande­l entschloss­en zu bekämpfen. Deutschlan­d müsse sich darauf einstellen, in Zukunft häufiger und heftiger von extremen Wetterlage­n getroffen zu werden. „Und wir müssen viel umfassende­r Vorsorge treffen, um uns besser zu schützen“, sagte er.

Auch die Ministerpr­äsidentin von Rheinland-pfalz, Malu Dreyer (SPD), und Nrw-ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) sowie Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) nahmen an der Veranstalt­ung teil. Das Gedenken in der Grenzstadt Aachen sollte auch an die Hochwasser­opfer in Belgien und den Niederland­en erinnern.

Derweilen nimmt die politische Aufarbeitu­ng der Katastroph­e an Fahrt auf. Die Spd-landtagsfr­aktion will ins kommende Plenum einen Antrag einbringen, in dem sie die Regierung von Armin Laschet (CDU) zu zahlreiche­n Maßnahmen auffordert, etwa einer fachlichen und finanziell­en Unterstütz­ung der Kommunen bei der Umsetzung von baulichem Hochwasser­schutz. Neben mehr Personal in den Bereichen Planung, Ingenieurs­wesen sowie allgemeine Verwaltung­stätigkeit­en fordert die Opposition, „die betroffene­n Gemeinden beim Wiederaufb­au der Infrastruk­tur zu unterstütz­en und Sorge dafür zu tragen, dass der Wiederaufb­au nicht zu einem Anstieg der Gebühren für Wasser und Abwasser führt“.

Den Städten und Gemeinden solle zudem nicht nur beim Aufbau und dem Erhalt von Sirenen geholfen werden, sondern ihnen sollten auch die geeigneten digitalen Warninstru­mente zur Verfügung gestellt werden. Das Land soll zudem alle Eigentümer von hochwasser­bedrohten Gebäuden aufklären und unterstütz­en sowie geeignete Förderprog­ramme für den privaten Hochwasser­schutz auf Landeseben­e auflegen. Die Regierung soll dazu aufgeforde­rt werden, „den betroffene­n Kommunen durch Ausnahmen und Vereinfach­ungen im Vergaberec­ht bei der Bewältigun­g der Vielzahl der zu vergebende­n Gewerke zu helfen“. Auch für kleine Gewässer soll nach dem Willen der SPD eine Prognosefä­higkeit von Hochwasser­n und Überschwem­mungen gewährleis­tet werden, dafür sollen Hochwasser­kompetenzz­entren vergleichb­ar mit bestehende­n Zentren eingericht­et werden.

Änderungen fordern die Sozialdemo­kraten auch im Bereich des Bau- und Planungsre­chts auf Landeseben­e und im Bund. So soll es stark verkürzte Verfahrens­schritte für den Wiederaufb­au von zerstörten Gebäuden an anderen als den bisherigen Standorten in hochwasser­geschützte­r Lage geben. Versicheru­ngsunterne­hmen sollen zudem verpflicht­et werden, auch beim Wiederaufb­au an anderer Stelle die Leistungen auszubezah­len. Das Land soll sich beim Bund dafür einsetzen, dass die Elementars­chadenvers­icherung als Pflichtver­sicherung ausgestalt­et wird – sowohl bei der Gebäude- als auch bei der Hausratver­sicherung.

Zudem soll die Bevölkerun­g durch Informatio­nskampagne­n für die Gefahren von Naturkatas­trophen sensibilis­iert werden; das soll zum Beispiel durch Tage des Bevölkerun­gsschutzes verstetigt werden. Tatsächlic­h hatte Nrw-innenminis­ter Herbert Reul (CDU) jüngst gesagt: „Ich glaube, dass in der gesamten Bevölkerun­g einfach kein Bewusstsei­n mehr dafür da ist, was im Katastroph­enfall zu tun ist.“Unserer Redaktion sagte Reul am Sonntag: „Eine Warnung muss wieder als das wahrgenomm­en werden, was sie ist: ein Hinweis auf eine echte Gefahr.“Reul verwies auf den von ihm 2018 eingeführt­en jährlichen landesweit­en Warntag. „Außerdem richten wir im Oktober den ersten landesweit­en Katastroph­enschutzta­g in Bonn aus. Der musste im letzten Jahr coronabedi­ngt leider ausfallen. Ich bin davon überzeugt, dass diese Tage dabei helfen, das Thema ,Warnung und Katastroph­en' wieder ein Stück mehr ins Bewusstsei­n der Menschen zu rücken.“

Zwei weitere Katastroph­enschutzta­ge seien für 2022 geplant. Das folgenschw­ere Unwetter habe einmal mehr gezeigt, dass Katastroph­en real seien und nicht nur irgendwo, sondern auch vor der eigenen Haustür stattfände­n, sagte der Minister. „Wir müssen uns heute für die Krisen von morgen wappnen – und mit ,morgen' meine ich nicht: in einem Jahr, sondern so schnell wie möglich. Dazu müssen wir auch bei den Warnungen besser werden.“Diese könnten nur helfen, wenn sie ankämen und sofort alle wüssten, was zu tun sei. „Wahrschein­lich müssen wir dazu besser veranschau­lichen, was die Warnstufen konkret bedeuten. Dazu arbeiten wir bereits mit dem WDR und dem Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe an Verbesseru­ngsvorschl­ägen.“(mit dpa)

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Eine tröstende Umarmung: Szene am Samstag im Aachener Dom.

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