Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
LOKALE KULTUR
Mit Disco Metal Music in die Nacht
DINSLAKEN( bes) Zeit fürs große Wiedersehen: Der letzte Samstag im August ist in Dinslaken der Abend im Jahr, an dem man von überall her zurück in die Stadt kommt, um im Burgtheater die alten Freunde zu treffen. Punkrock ist angesagt, Kreftich, Trust God Simon, eine der beiden Bands ist garantiert da, vielleicht auch beide und Kukalaka sollten auch nicht fern sein. Draußen herrscht das Gewusel der DIN-TAge, drinnen im Burgtheater heißt das ganze SYLS – Support Your Local Scene. Manchmal kommt man in die Bredouille, weil auch auf dem Neutorplatz mit lokaler Beteiligung so gerockt wird, dass man es eigentlich auf keinen Fall verpassen darf.
Jetzt war es wieder Zeit für jenes Wochenende. Aber die DINTage und das SYLS wurden wegen der Pandemie abgesagt. Eigentlich. Denn stattdessen fanden die „DINTage mal anders“statt. Freitag und Samstag im Burgtheater. Also los, Freunde treffen wie immer. 1000 Leute waren es am Samstagabend. Ausverkauft. Und wer gemeinsam mit Frau den weitesten Weg auf sich genommen hat, um alte Freunde zu treffen und im Burgtheater so richtig zu rocken, wusste: Mike Tirelli (Holy Mother, Ex-riot) war eigens und auf eigene Kosten eingeflogen, um seine alten Kumpels von Messiah's Kiss in deren Party-metal-projekt Twenty Summers Left zu unterstützen. Bevor es aber soweit war, gab es ein Best of SYLS im Schnelldurchlauf: Drei Bands in jeweils dreizehn Minuten, da wäre es wohl sogar den Ramones schwindelig geworden.
Den Anfang machten Kukalaka, die vorsichtshalber schon mal ein paar Minuten vor 19 Uhr auf die große Bühne gingen. Es folgten Kreftich, die nicht nur in ihren Texten gewohnt politisch blieben. Die Band nutzte die riesige, dreiteilige LEDWand für ihre Botschaften: „Unsere Stadt bleibt bunt.“
„Wir können auch sozialkritisch“, werden Trust God Simon nicht müde, zu erklären. Im Burgtheater gaben sie den Fans das, was sie wollen: „Lecker Bierchen“und gemeinsam mit Kreftich den „Kassierer“-titel, der bei keinem Trust-god-simon-konzert fehlen darf. Dann kamen die, die schon Backstage erklärt haben, sie seien der Grund, warum der Dauerregen pünktlich zum Festivalbeginn endete: Twenty Summers Left. Die Kernbesetzung hat früher schon als Repression die Metalszene aufgemischt, Messiah's Kiss sind dank der Banks-brüder und nun eben auch Mike Tirelli komplett integriert und mit Jörg Just Gast und Thomas Rutte Ruttkowski genehmigt sich Twenty Summers Left gleich drei Frontmänner, von denen jeder für sich das Publikum locker mitreißen könnte.
Aber das ist wahrer Rock `n' Roll, das ist echte Saturday Night Live Disco: Es muss überlebensgroß sein. Nicht kleckern, klotzen. Und das machten Twenty Summers Left in ihrem dritten, wieder ausverkauften Konzert in Dinslaken. Das Konzept ist einfach erklärt: Disco Metal Music. Kein einziger Titel muss angesagt werden, weil Twenty Summers Left nur Charts Hits spielen, die seit „Born to be alive“Menschen auf die Tanzfläche zogen. Die Übersteigerung erfahren die Lieder aber durch den Sound von TSL: wuchtiger und exzellent gespielter Metal. Am Samstag kamen dann noch die Möglichkeiten der riesigen Bühne hinzu: während auf den seitlichen Led-wänden Flammen loderten, wurden die Sänger und Musiker live auf das große LED-FELD in der Mitte übertragen. Stadionkonzert-technik im Burgtheater, wo das Publikum doch gefühlt mit auf der Bühne sitzt. Was für Voraussetzungen für eine Party. Und die gab es dann auch. „Ich wusste ja nicht, was mich hier erwartet“, gestand Mike Tirelli beeindruckt, als er „Shout“von Tears for Fears spontan a capella verlängerte: Das Publikum sang den Refrain, Metal-tenor Tirelli legte die zweite Stimme darüber. Einmal. Und noch einmal.
Rutte übernimmt alle souligen Parts, „Sledgehammer“und den Rap von „Rock me Amadeus“. Jörg Just Gast ist der solide Fels in der Brandung, Tirelli der Virtuose, der auch immer wieder Einwürfe improvisiert. Jason Banks und Alexander Hitz lassen die Gitarrensaiten glühen, Wayne Banks die Bässe wummern. „Eddy“Ostra trommelt auf einem Schlagzeug mit farbwechselnder Led-beleuchtung.
Fehlt was im Hitmix? „Seven Nation Army“singt das Publikum halt alleine. Ist auf der Bühne noch eine Steigerung möglich? Bei der Zugabe, „Video killed the Radio Star“, wird Pyrotechnik gezündet. Wer hatte das letzte Wort? Das Publikum. Die Zugaberufe stiegen noch in den Nachthimmel, als es auf der Bühne längst still war.