Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die Stadt der Kraftwerke und Erftauen
Grevenbroich liegt im Rheinischen Revier. In zwei gewaltigen Industrieanlagen wird Braunkohle zur Stromerzeugung verfeuert. Doch die Stadt ist auch sehenswert grün. Die Erft quert das Stadtgebiet auf 20 Kilometer Länge.
Richtig, der bekannteste Grevenbroicher ist gar kein Grevenbroicher. „Isch bin gebürtig von Korschenbroich“, nuschelte Horst Schlämmer einst. Mit dem stellvertretenden Chefredakteur beim fiktiven Grevenbroicher Tagblatt schuf der Entertainer Hape Kerkeling ab 2005 eine Kultfigur, die das niederrheinische Mittelzentrum auf einen Schlag bundesweit bekannt machte. „Horst Schlämmer hat mehr für Grevenbroich getan, als wir jemals bezahlen könnten”, gab der damalige Bürgermeister Axel J. Prümm öffentlich zu.
Wer sich Grevenbroich nähert, erblickt bereits aus der Ferne eine charakteristische Orientierungshilfe: die Schwaden, die aus den Kühltürmen der Kraftwerke in den Himmel streben. Erst wenn, so der aktuelle Plan, der Braunkohle-abbau 2038 endet, wird den gigantischen Industrieanlagen der Stoff fehlen, aus dem sie Strom erzeugen. Der Stadt steht – wie vielen Kommunen im Rheinischen Revier – ein massiver Strukturwandel bevor.
Das Kraftwerk Frimmersdorf, derzeit noch in nationaler Reserve gehalten, wird am 1. Oktober abgeschaltet. Die modernen Boa-blöcke in Neurath folgen erst 2038. Betroffen sind rund 1200 Arbeitsplätze. Was kommt? Das Frimmersdorfer Innovations- und Technologiezentrum – kurz FRITZ genannt – ist eine Initiative, die das 160 Hektar große Industrie- und
Prominent
Sehenswert
Fahrtraining
Sportlich
Gewerbegebiet für zukunftsstarke (Forschungs-)unternehmen attraktiv machen will.
Jahrelang warb Grevenbroich als „Bundeshauptstadt der Energie“für sich. Die Kampagne wurde 2010 eingestellt; eine kluge Entscheidung. Wer Grevenbroich als reinen Industriestandort einstuft, tut der Stadt Unrecht. 20 Kilometer quert die Erft Grevenbroicher Stadtgebiet, wässert eine idyllische Auenlandschaft. Davon erzählt der Name. Grevenbroich bedeutet „Der Grafen Bruchlandschaft“. Gemeint sind die Grafen von Kessel, die Ende des 13. Jahrhunderts in den Sümpfen nahe einer alten Römerstraße, die Rhein und Maas verband, siedelten.
Mit dem Tagebau-beginn blühte die Stadt vor allem ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Seit der Kommunalen Neugliederung 1975 leben die 68.000 Einwohner in 32 Ortschaften. Sie verbindet vor allem die Auenlandschaft, die teilweise einbezogen wurde, als 1995 für die Landesgartenschau der Stadtumbau gelang: Vornweg der Grünzug mit der Stadtpark-insel und der Villa Erckens (Museum der niederrheinischen Seele) als Mittelpunkt. Im Waldpark beschreiben Objekte von Ian Hamilton Finlay den Kontrast von Zivilisation und Natur. Der schottische Künstler thematisiert damit Grevenbroichs DNA, das Leben im Spannungsbogen von Kraftwerken und Erftauen. Eine Entdeckungsreise lohnt sich. Ludger Baten
Grevenbroich, mehr als eine Industriestadt – was fällt Ihnen zu der These ein?
KLAUS KRÜTZEN Die zwei Kohlekraftwerke in den Stadtteilen Neurath und Frimmersdorf sind unübersehbar und gehören zu unserer Identität. Aber Grevenbroich ist auch idyllisch gelegen an der Erft.
Was macht die Stadt aus Ihrer Sicht einzigartig?
KRÜTZEN Die Menschen, die hier leben und arbeiten sowie die Kultur machen unsere Stadt einzigartig. Dazu gehören auch unsere 24 Schützen- und Heimatfeste. Handel und Gewerbe machen Grevenbroich zu einer attraktiven Stadt. Gleichzeitig kann bei uns in den Erftauen, im Park oder auf den Rad- und Wanderwegen reichlich Erholung gefunden werden.
Würde eine neue Landesgartenschau helfen, den Strukturwandel zu meistern?
KRÜTZEN Der Wandel bietet neue Möglichkeiten. Er kann aber nur gemeinsam mit unseren Nachbarkommunen umgesetzt werden. Wir brauchen neue Gewerbeflächen, um die Ansiedlung neuer Unternehmen zu ermöglichen. Daneben könnten große Veranstaltungen helfen, Aufmerksamkeit auf unsere Region zu lenken und Investitionen heranzuziehen.