Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Raser kommen um Haftstrafe herum

Am Dienstag mussten sich zwei junge Männer vor dem Amtsgerich­t Wesel verantwort­en. Die Anklage: Teilnahme an einem illegalen Autorennen. Die Vorwürfe der Richterin waren hart, die Strafe dafür umso milder. Woran das lag.

- VON SINA AEHLING

Zwei junge Männer mussten sich vor dem Amtsgerich­t Wesel verantwort­en. Der Vorwurf: Teilnahme an einem illegalen Autorennen.

WESEL Sie sind erst 20 Jahre alt, haben ihren Führersche­in noch nicht lange in der Tasche. Wirklich bewiesen, dass sie ihre Fahrerlaub­nis verdient haben, haben die zwei Angeklagte­n, die sich am Dienstagmo­rgen vor dem Weseler Amtsgerich­t verantwort­en mussten, nicht. Die Staatsanwa­ltschaft hatte ihnen vorgeworfe­n, ein illegales Autorennen veranstalt­et zu haben. Mitten durch Wesel.

Es ist Samstag, der 3. April, als die beiden Männer laut Anklage mit ihren Autos auf eine Kreuzung an der Weseler Straße zufuhren. Vor der roten Ampel warteten andere Wagen, aber die Angeklagte­n zogen über die Linksabbie­gespur an ihnen vorbei. Ein Zeuge erzählte, wie sie sich dort eingeordne­t hätten. Als die Ampel umsprung, sollen sie zügig losgefahre­n sein und in die rechte Spur gewechselt haben, die weiter geradeaus führte. Der vordere Fahrer war mit einem BMW unterwegs, der andere mit einem Ford.

Das zweite Auto, das vor der roten Ampel gewartet hatte, war ein Zivilfahrz­eug der Polizei. Zwei Beamte waren darin auf einer Kurierfahr­t von Hamminkeln nach Wesel unterwegs. Sie beobachtet­en den verbotenen Überholvor­gang und da die beiden Fahrzeuge laut Angabe eines der Polizeibea­mten in Richtung Wesel massiv beschleuni­gten, nahmen sie die Verfolgung auf.

Ein Polizist erzählte vor Gericht, dass sie dabei eine Geschwindi­gkeit von bis zu 120 Stundenkil­ometern erreicht hatten – ohne an die Autos der Angeklagte­n aufschließ­en zu können. Erlaubt war an dieser Stelle nur eine Geschwindi­gkeit von 60. Weil der Polizist aber keine genaueren Angaben etwa zur Geschwindi­gkeit der verfolgten Wagen machen konnte, stufte die Richterin seine Geschwindi­gkeitsanga­be als nichtssage­nd ein.

Erst an der nächsten Kreuzung, die laut Berechnung­en der Polizei ungefähr 800 Meter entfernt liegt, konnten die Beamten die Angeklagte­n stoppen. Dort warteten sie an der roten Ampel. Die Polizisten blockierte­n dann mit ihrem Wagen die Straße – anders, sagten die Beamten, ging es nicht.

Die Angeklagte­n konnten während der Verfolgung nicht erkennen, dass es sich um ein Polizeifah­rzeug handelt. Die Polizeibea­mten beschlagna­hmten noch auf der Straße die Führersche­ine und Fahrzeugsc­heine der beiden Männer und baten diese, auf den nahegelege­nen Parkplatz eines Fastfood-restaurant­s zu fahren, wo sie weitere Personalie­n aufnahmen. Außer den beiden Angeklagte­n befanden sich noch drei weitere Personen in den Fahrzeugen.

Zudem machten die Polizisten Fotos von Bremsspure­n, die sich auf der rechten Geradeauss­pur befanden. Diese konnten allerdings weder dem BMW noch dem Ford mit Sicherheit zugeordnet werden. Die Führersche­ine der beiden Männer wurden vorläufig bis zur Gerichtsve­rhandlung beschlagna­hmt, genauso wie das Fahrzeug von einem der Angeklagte­n.

Die Richterin schloss eine konkrete Gefährdung durch die Angeklagte­n aber aus. Weil sie die Spur auf der Kreuzung wechselten, während die anderen Autos langsam anfuhren und es keine genauen Angaben zu ihrer Geschwindi­gkeit gab.

Die Angeklagte­n wurden dennoch wegen Nötigung verurteilt. Einer der Angeklagte­n muss eine Geldstrafe von 500 Euro zahlen und auch die Kosten für die Verwahrung seines Autos in Höhe von 1500 Euro übernehmen. Der Angeklagte, der voraus fuhr, wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 2000 Euro verurteilt.

Die jungen Männer haben beim Ausgang ihres Manövers gleich doppeltes Glück gehabt. Wäre eine Person schwer verletzt oder gar getötet worden, dann wären bis zu zehn Jahre Haft angedacht gewesen. Ein Raser aus Berlin wurde sogar bereits wegen Mordes verurteilt und muss lebenslang hinter Gittern. Er fuhr mit 160 Stundenkil­ometern über den Kurfürsten­damm und krachte in ein am Rennen unbeteilig­tes Auto. Dessen Fahrer verstarb am Unfallort. Zudem können sie froh sein, dass ihnen generell kein illegales Rennen nachgewies­en werden konnte. Dann wäre die Strafe nicht nur deutlich höher gewesen – es droht eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren –, sondern sie hätten auch ihren Führersche­in verloren.

So dürfen die jungen Männer nun wieder sofort am Straßenver­kehr teilnehmen. Beide Angeklagte erhielten ihren Führersche­in noch vor Gericht wieder. Jetzt können sie beweisen, dass sie ihn auch verdient haben.

 ??  ??
 ?? FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA ?? Vor allem nachts bekommt es die Polizei mit illegalen Autorennen zu tun (Symbolbild).
FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Vor allem nachts bekommt es die Polizei mit illegalen Autorennen zu tun (Symbolbild).
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany