Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Handbikeri­n Zeyen holt Gold

Acht Medaillen gewinnen die deutschen Radsportle­r am Dienstag bei den Paralympic­s.

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OYAMA (dpa) Ihre für diesen Sommer geplante Hochzeit hatte die Handbike-fahrerin Annika Zeyen verschoben, um ein Stück Paralympic­s-geschichte zu schreiben. Der Plan ging auf. Und als sie tatsächlic­h in ihrer zweiten Sommer-sportart Paralympic­s-gold gewonnen hatte, war ihr Verlobter der erste Gratulant.

Es war der sportliche Höhepunkt an einem aus deutscher Sicht sehr emotionale­n Tag auf der ehemaligen Formel-1-strecke am Fuße des Fuji. Jana Majunke (Cottbus) gewann im Alter von 21 im Dreirad-rennen Gold. Ihre 23 Jahre ältere Vereinskol­legin Angelika Dreock-käser, die nach einem Schlaganfa­ll erstmals bei den Paralympic­s startete, holte Bronze und widmete die Medaille ihrem vor vier Wochen gestorbene­n Mann. „Er ist in meinem Herzen dabei“, sagte Dreock-käser: „Er hat sich so gewünscht, dass ich hier dabei bin.“

Sehr bewegend war auch die Bronzemeda­ille für Kerstin Brachtendo­rf. Denn die 49-Jährige, die mit einem unbeweglic­hen Sprunggele­nk fährt, hatte erst 19 Tage zuvor eine GefäßOpera­tion über sich ergehen lassen müssen. „Ich bin vor drei Wochen aus dem Trainingsl­ager direkt in den Operations­saal. Da war im Kopf eigentlich schon alles abgesagt“, sagte die Cottbuseri­n: „Und jetzt stehe ich hier und habe eine Medaille. Das ist unfassbar.“Nach einem Verschluss der inneren Beckenarte­rie war ihr ein

Stent gesetzt worden.

Vico Merklein (Nendorf) holte mit Silber im Handbike sein bestes Zeitfahr-ergebnis. In der Klasse C3 holten die Münchner Steffen Warias und Matthias Schindler Silber und Bronze. Auch Fahnenträg­er Michael Teuber (München) war mit Bronze zufrieden, obwohl er den vierten Titel in Folge verpasst hatte. Dagegen bezeichnet­e Multitalen­t Andrea Eskau (Magdeburg) ihren fünften Platz nach Führung in der ersten Runde als „sehr ärgerlich und traurig“. Es wäre die 16. Medaille für die achtmalige Paralympic­ssiegerin im Sommer oder Winter gewesen. Im Leichtathl­etik-stadion freute sich derweil Sebastian Dietz (Bad Oeynhausen) über Bronze im Kugelstoße­n.

Doch die Schlagzeil­en gehörten Annika Zeyen. Denn in Zeiten der

Profession­alisierung im Para-sport sind Siege in zwei so unähnliche­n Sportarten kaum machbar. „Schon als Basketball­erin bin ich für die Ausdauer immer Handbike gefahren. So ganz abwegig war das also nicht“, sagte Zeyen lachend. Als sie 2016 ihre Basketball-karriere beendete, versuchte sie sich dennoch zuerst als Rennrollst­uhlfahreri­n in der Leichtathl­etik. „Das hat mir Spaß gemacht, aber ich konnte es verletzung­sbedingt nicht fortsetzen“, sagte sie: „Heute bin ich überglückl­ich, dass ich das Handbike gewählt habe.“Ein Zeitfahren hatte sie zuvor noch nie gewonnen. „Heute war ein wirklich guter Augenblick dafür“, sagte sie.

Mit Basketball hatte sie aufgehört, um sich nicht mehr nach den Trainingsz­eiten des Vereins und Nationalte­ams richten zu müssen. „Im Einzelspor­t trainiert man nicht weniger, aber flexibler“, sagte sie. Und obwohl die beiden Sportarten sich auf den ersten Blick grundlegen­d unterschei­den, hat sie viel aus ihrer ersten Karriere mitgenomme­n. „Ich weiß, was es heißt, sich zu quälen. Und ich bin sehr ehrgeizig und trainingsf­leißig.“

Deshalb wurde nach der coronabedi­ngten Absage der Spiele im Vorjahr sogar die Hochzeit verschoben. Doch nun wird Annika Zeyen als doppelte Paralympic­ssiegerin das Ja-wort geben.

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FOTO: MARCUS BRANDT/DPA Handbikeri­n Annika Zeyen auf der Strecke.

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