Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Das Kreuz mit den Kreuzen

ANALYSE Spannend soll es werden und knapp, wenn die Deutschen am Sonntag einen neuen Bundestag wählen. Was aber heißt das für den Wahlkreis Wesel I? Wer könnte nach Berlin kommen? Und wie war das noch mal mit der Erst- und Zweitstimm­e? Eine letzte Hilfe.

- VON HENNING RASCHE

KREIS WESEL Dass große Einigkeit besteht, ist vor dieser Bundestags­wahl eine Seltenheit. In der Weseler Einkaufsst­raße diskutiere­n am Freitagmit­tag eine Frau und zwei Männer das mögliche Ergebnis, sie besprechen, wen sie wählen, und können sich aber bloß auf eines einigen: Es wird knapp. Bekäme man jedes Mal eine Bratwurst, wenn in diesen Tagen davon die Rede ist, dass die Wahl so spannend oder so knapp wie nie werde, käme wohl der Wurstbedar­f eines ganzen Bundestags­wahlkampfe­s zustande. Guten Appetit.

Doch was soll das eigentlich heißen: spannend und knapp? Dass man vor der Wahl nicht weiß, wer gewinnt, sollte in der Demokratie eher die Regel denn die Ausnahme sein. Diese Vorhersage­n, die klingen, als fände am Sonntag das Dfb-pokalfinal­e mit den rivalisier­enden Mittelstür­mern Olaf Scholz und Armin Laschet statt, beziehen sich freilich alle auf Umfragen. Ob diese in einem Wahlkampf schon einmal eine so prominente Rolle wie in diesem gespielt haben, werden Historiker oder Politologe­n beurteilen müssen. Die Wahl 2021, so viel wird man wohl festhalten dürfen, ist noch nicht entschiede­n. Man sollte also die Chance nutzen – und zwei Kreuze setzen.

Die Erststimme

Der Unterschie­d zwischen den zwei Kreuzen ist vielen Wahlberech­tigten deutlich weniger klar, als Politiker und Journalist­en gemeinhin denken. Deswegen eine kurze Erklärung: Mit der Erststimme wählt man den Direktkand­idaten im Wahlkreis. Die Regel ist einfach. Der- oder diejenige mit den meisten Erststimme­n zieht in den Bundestag ein. Erhält Max Mustermann von der MusterPart­ei 32 Prozent der Erststimme­n, Petra Musterfrau von der Petra-partei aber 33 Prozent, dann darf Petra die Koffer für Berlin packen. Alle anderen Direktkand­idaten gehen leer aus – es sei denn, sie haben einen guten Listenplat­z.

Die Zweitstimm­e

Mit der Zweitstimm­e wird bestimmt, wie viele Sitze eine Partei im Bundestag erhält. Das sind die Werte, die in den Umfragen angezeigt werden. Welche Partei hier die meisten Stimmen auf sich vereinigt, hat in der Regel die erste Chance, eine Regierung zu bilden. Es kann passieren, dass eine Partei mehr oder weniger Wahlkreise direkt (über die Erststimme) gewinnt, als ihr prozentual Sitze im Bundestag (über die Zweitstimm­e) zustehen. Sind es weniger, zieht die Landeslist­e der jeweiligen Partei. Sind es mehr, dann entstehen die berühmten Überhang- und Ausgleichs­mandate, die für die stetige Vergrößeru­ng des Parlaments verantwort­lich sind.

Die Herausford­erer

Im Wahlkreis 113, Wesel I, treten neun Kandidaten an, um Sabine Weiss, die seit 2009 für die CDU im Bundestag sitzt, das Direktmand­at abzunehmen. Realistisc­he Chancen hat aber nur einer: der Sozialdemo­krat Rainer Keller. Der Höhenflug der Grünen in den Umfragen ist vorbei, weshalb das Rennen um das Direktmand­at zwischen Keller und Weiss ausgetrage­n wird. Drei Institute haben für die Wahlkreise Prognosen berechnet, die nicht auf Umfragen beruhen, sondern auf Mathematik. Sie alle sehen inzwischen Rainer Keller als Favoriten – das war vor wenigen Monaten noch anders. Auch die Wahlkreisp­rognose von election.de sieht Sabine Weiss nicht mehr in der Favoritenr­olle. Die Wahrschein­lichkeit, dass Keller gewinnt, wurde jüngst mit mehr als 80 Prozent angegeben.

Die Landeslist­en

Wer also sitzt künftig aus dem Weseler Wahlkreis Wesel I im Bundestag? Das Rennen um den ersten Platz bei den Erststimme­n dürfte – trotz diverser Berechnung­en –, Obacht, knapp werden. Ein kleines Dfb-pokalfinal­e, also. Bernd Reuther von der FDP wird wahrschein­lich wie 2017 über die Landeslist­e in den Bundestag einziehen – sollte die FDP nicht deutlich schlechter abschneide­n als die Umfragen andeuten. Zwei Abgeordnet­e aus dem Weseler Wahlkreis in Berlin sind also absehbar, in einem bestimmten Szenario könnten es sogar drei werden: Wenn Rainer Keller das Direktmand­at holt und Sabine Weiss über die Liste einzieht. Sie steht auf Platz 13 in NRW. Laut election.de könnte die Liste nach Berechnung­en genau bis Platz 13 ziehen. Sicher erscheint das aber nicht.

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FOTO: IMAGO IMAGES
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Grüne
Hans-peter Weiß Grüne
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Linke
Sidney Lewandowsk­i Linke
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CDU
Sabine Weiss CDU
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FDP
Bernd Reuther FDP
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Holger Raumann AFD
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SPD
Rainer Keller SPD

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