Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Was die Kanzlermacher eint – und was sie trennt
Die beiden kleineren Parteien suchen sich jetzt gemeinsam den größeren Partner. Dabei dürften Grüne und FDP mehr Gemeinsamkeiten ausmachen, als bisher vermutet wurden.
etwas anzuheben. Auf die Vermögenssteuer müssen die Grünen verzichten. Die Schuldenbremse wollen beide nicht aufgeben.
Mindestlohn Grüne und SPD wollen den Mindestlohn auf zwölf Euro erhöhen, FDP und Union halten davon nichts. Die dafür eingesetzte Kommission solle die Höhe des Mindestlohnes festlegen, wie es im Gesetz steht. Hier ist zwar zu vermuten, dass der Verzicht auf die geforderte Mindestlohnhöhe für die Grünen kein Ausstiegskriterium für eine Zusammenarbeit mit der FDP ist, aber das Image einer reinen Ökopartei der Besserverdiener ohne Herz für Niedrigverdiener wollen sie auch nicht. Vielleicht wird der Auftrag für die Kommission so verändert, dass die Erhöhung des Mindestlohns stärker als in der Vergangenheit ausfällt.
Für die Grünen gehört ein Tempolimit auf allen Autobahnen zum Programm seit vielen Jahren, die Liberalen haben die gegenteilige Auffassung. Steht damit fest, dass es niemals ein Tempolimit auf Autobahnen geben kann? „Ich vermute, das Tempolimit kommt“, sagt der Wirtschaftsprofessor und Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer: „Das ist eher ein Symbolthema, und die FDP wird den Grünen im Zweifelsfall wohl dieses Zugeständnis machen.“
Kohleausstieg und Klimapolitik Die FDP – wie anfangs auch die Grünen – hat den Kompromiss zum Ausstieg aus der Stein- und Braunkohle bis 2038 mitgetragen. Die Grünen dringen nun auf ein früheres Ende des fossilen Energieträgers. Am liebsten wäre ihnen das Jahr 2030. Da die Liberalen im Osten, der von den längeren Laufzeiten besonders profitiert, nicht so stark wie im Westen sind, dürften sie kompromissbereit sein. Ein früherer Ausstieg – oder zumindest ein vorgezogener Termin für einen Teil der Kohlekraftwerke – dürfte daher mit großer Wahrscheinlichkeit kommen.
Ähnlich sieht es bei der Förderung der Solarenergie aus. Die Grünen wollen eine Pflicht zum Installieren von Solardächern, in den nächsten vier Jahren sollen eine
Million weitere Energieanlagen auf Hausdächern aufgebaut werden. Hier machte FDP-CHEF Lindner direkt in der Elefantenrunde am Sonntagabend den Vorschlag, hohe Sonderabschreibungen zuzulassen, um Solardächer steuerlich zu fördern. Grünen-co-chefin Annalena Baerbock fand das nicht schlecht: „Es geht ja nicht um die Mittel, es geht um die Ziele, die erreicht werden müssen. Die Zeit rennt uns davon.“
Die Grünen fordern auch, ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotor zuzulassen, also fünf Jahre früher, als die EU es vorsieht. Union und FDP lehnen eine solche Festlegung ab. Sie meinen, der Staat solle nicht vorschreiben, mit welcher Technik der Verkehrssektor klimaneutral wird. Auch hier hält Autoexperte Dudenhöffer eine Lösung für denkbar: „Die Grünen werden voraussichtlich das Verkehrsministerium bekommen. Dann sitzen sie bei diesem Thema sowieso im Fahrersitz.“Außerdem sei auch ein For
Digitalisierung Die FDP dringt seit Jahren auf ein Digitalministerium, die Grünen hegen keine solchen Pläne, sie würden aber auch kein Veto einlegen. Einig sind sich die Parteien, dass der Ausbau von Glasfasernetzen vorangehen soll, den praktikabelsten Vorschlag macht hier die FDP: Bürger sollen einen Gutschein erhalten, mit dem sie dann dem örtlichen Versorger eine Prämie für den neuen Anschluss zahlen. „Das kann aber für den Staat teure Mitnahmeeffekte bringen“, sagt Torsten Gerpott, Wirtschaftsprofessor aus Duisburg. „Wir haben sowieso eine sehr breite Investitionsoffensive für Glasfasernetze in Deutschland auch ohne solche Subventionen“, sagt der Experte.
Innere Sicherheit und Bürgerrechte Hier liegen die Grünen und die FDP nahe beieinander. Der Überwachungsstaat – egal ob durch den Einsatz von Videokameras mit Gesichtserkennung oder die Speicherung von Telefondaten – ist beiden ein Gräuel. Die FDP will sogar das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das umfangreiche Löschregeln für Hasstiraden im Netz vorsieht, entschärfen. Es soll einen Vorrang für die Meinungsfreiheit geben. Opfer von Straftaten im Internet sollen aber ein Auskunftsrecht von Plattformen erhalten, auf denen die strafbaren Handlungen stattfanden. In ähnliche Richtungen denken die Grünen.