Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kein Platz in Wesel für Ausgrenzung
Fest zum 60. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens mäßig besucht.
WESEL (EKA) Es war – so die Bundeszentrale für politische Bildung – eine leise, pragmatische Vereinbarung, mit ungeahnten und bis heute prägenden Folgen für die deutsche Gesellschaft. In einem zweiseitigen Dokument regelte das Auswärtige Amt in Bonn mit der türkischen Botschaft am 30. Oktober 1961 die Entsendung von Arbeitskräften aus der Türkei nach Deutschland: das sogenannte Anwerbeabkommen.
In Wesel leben aktuell 1166 Männer, Frauen und Kinder mit türkischer Staatsbürgerschaft. Am Samstag hatte der Integrationsrat zum 60. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens eingeladen. Der Berliner-tor-platz war mit Zelten, Sitzgelegenheiten und Tischen ausgestattet, die mit den Fähnchen Deutschlands, der Türkei und der Europäischen Union geschmückt waren. Zu den Ehrengästen an diesem Tag zählten die Generalkonsulin der Türkei, Aysegül Gökçen Karaarslan, der stellvertretende Vorsitzende des Landesintegrationsrates, Muhammet Balaban, sowie Landrat Ingo Brohl – und natürlich auch die erste Generation der Einwanderinnen und Einwanderer.
Wesels Integrations-vorsitzender Cihan Sarica hatte türkische Vereine und Unternehmen eingeladen, ihre Angebote vorzustellen. Musikalisch wurde die Veranstaltung begleitet von der türkischen Tanz- und Folkloregruppe Kafkas sowie den Weseler Musikern Fahrettin Güne und Feshandis Ramezani. Kreative Künste, Frisuren-trends und kulinarische Spezialitäten aus der Türkei rundeten das abwechslungsreiche Programm ab.
Obwohl Fußgängerzone und Wochenmarkt am Dom gut besucht waren, stieß die Veranstaltung am Berliner Tor auf nur mäßiges Interesse. So gesehen bietet die Veröffentlichung der mit dem Integrationsrat erstellten lesenswerten Broschüre„#next generation21 Die nächsten Generationen. Sonraki nesiller“eine gute Gelegenheit, sich dem Thema noch einmal in Ruhe zu widmen. Die Broschüre wirft einen Blick zurück auf die vergangenen sechs Jahrzehnte türkischer Einwanderungsgeschichte in Wesel. Zahlreiche Reportagen und Interviews der türkischstämmigen Bürger schildern, wie die Menschen aus der Türkei in Wesel eine neue Heimat fanden.
Bürgermeisterin Ulrike Westkamp schaute in ihrer Festrede zurück auf das Jahr 1961. Das Leben in der Türkei sei in dieser Zeit von Arbeitslosigkeit und Armut geprägt gewesen, betonte die Verwaltungschefin. So gesehen kam der Ruf aus Alemanya gerade recht. Weseler Firmen wie die Flachglas Gmbh, Glaswolle Held oder die Fischfabrik Lisner boten jungen Menschen aus der Türkei damals eine berufliche Perspektive. Die deutsche Gesellschaft sei auf die neuen Mitbürger aber nur wenig oder gar nicht vorbereitet gewesen, so Westkamp. Integrationsmaßnahmen habe es zunächst nicht gegeben. Vieles habe sich mittlerweile gebessert, freut sich Westkamp. Es müssten aber Sprachbarrieren abgebaut und Wert auf eine gute Bildung gelegt werden. Allerdings: „Abgrenzung und Ausgrenzung dürfen in Wesel keinen Platz haben.“Dafür gab es viel Beifall.