Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Zu viele Anträge – die Stadt kapituliert
Die Politik kann Anträge und Anfragen stellen, die die Stadtverwaltung bearbeiten muss. Nun haben Dinslakens Ratsfraktionen aber in neun Monaten so viele Anträge gestellt wie früher in zwei Jahren. Das sei nicht zu bewältigen.
DINSLAKEN (aha) Die Flut von Anträgen, die die Dinslakener Parteien stellen, überfordert offenbar die Stadt. Nach einer Statistik, die die Verwaltung jüngst den Fraktionen zukommen ließ, haben die Parteien in den ersten neun Monaten nach der Kommunalwahl in etwa so viele Anträge gestellt wie sonst durchschnittlich in zwei Jahren. Das hat zur Folge, dass die Stadtverwaltung nunmehr Anträge schlichtweg abweist – aus Kapazitätsgründen. Allerdings steht den Fraktionen laut Gemeindeordnung ein Antragsrecht zu.
In der Ratsperiode 2014 bis 2020 haben die Ratsfraktionen insgesamt 627 Anträge und Anfragen gestellt, so die Statistik der Stadt. Seit Beginn der aktuellen Ratsperiode im November 2020 bis Ende August 2021 wurden allerdings schon 220 Anträge und Anfragen gestellt. Spitzenreiter ist dabei die FDP mit 43 Anträgen und Anfragen. Zum Vergleich: Von 2014 bis 2017 (danach war die FDP nicht mehr im Rat vertreten) haben die Liberalen 21 Anträge und Anfragen gestellt. Die zweitmeisten Anträge und Anfragen kommen in der aktuellen Ratsperiode von der UBV (37). Auf Platz drei rangiert die CDU mit 27 Anfragen beziehungsweise Anträgen seit November.
Ist die Ursache darin zu suchen, dass der Stadtrat mit der Wahl von fünf auf acht Fraktionen angewachsen ist? Oder sind deren Mitglieder einfach wissbegieriger? „Warum dies so ist, das können allenfalls die Antrag-/anfragesteller*innen beurteilen und einschätzen“, teilt Stadtsprecher Marcel Sturm dazu mit.
Allerdings hat die Stadt die Politik bereits mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass verschiedene Parteien mit zeitlichem Abstand ähnliche oder identische Anträge gestellt haben. Den Vorsitzenden der Fraktionen legte die Verwaltung mit der Überreichung der Statistik jüngst nahe, Anträge gemeinsam zu stellen. Und in der Ratssitzung am heutigen Dienstag, 5. Oktober, wird die Stadtverwaltung ganz deutlich: Sie schmettert einen Antrag ab. „Die Erhebung der im Antrag genannten Daten ist von der Verwaltung personell nicht zu leisten, da sie mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden wäre“– so lautet, wie berichtet, die Stellungnahme der Stadtverwaltung zum Antrag der Partei „Die
Partei“, die Betriebskosten für die Stadthalle zusammenzustellen.
Natürlich sei es „ein wichtiges und schützenswertes demokratisches Recht, dass Politik Anfragen und Anträge stellt“, will Stadt-sprecher Marcel Sturm den Vorgang einordnen. Aber „der Zuwachs von Anfragen und Anträgen“gehe„ja nicht mit einem Personalzuwachs“innerhalb der Stadtverwaltung einher. Die Zeit, die in die Bearbeitung von Anfragen und Anträgen fließt, stehe „nicht für andere zu erledigende Arbeiten zur Verfügung“und fehle auch „für die Umsetzung von Ratsbeschlüssen“.
Auch die Ratssitzungen und Diskussionen sind seit Beginn der neuen Ratsperiode deutlich länger geworden. An die 70 Tagesordnungspunkte wurden zuletzt in mehr als vier Stunden abgehandelt. Eine abendfüllende Angelegenheit. Gerald Schädlich, Vorsitzender der FDP
Dinslaken, war davon so genervt, dass er eine Beschränkung der Sitzungen auf 30 Tagesordnungspunkte und eine automatische Vertagung nach drei Stunden erreichen wollte – per Antrag, den er allerdings noch nicht eingereicht hat.
In Dinslakens Nachbarstadt Duisburg etwa benötigte der Stadtrat zuletzt für 80 Tagesordnungspunkte ebenfalls viereinhalb Stunden – allerdings beginnen die Sitzungen dort bereits um 15 und nicht wie in Dinslaken um 17 oder 18 Uhr. Eine zeitliche Verlegung ist bei der Stadt Dinslaken aber kein Thema. Weil die Stadtverordneten in der Regel berufstätig sind, habe sich der „Sitzungsbeginn am späteren Nachmittag in der Vergangenheit bewährt“, so Sturm. „Auch für die Bürgerinnen und Bürger dürfte ein Besuch der öffentlichen Ratssitzungen am Nachmittag/abend deutlich einfacher zu organisieren sein als am Vormittag.“
Ob eine Verteilung einer Ratssitzung auf zwei Termine „ein hilfreicher Weg für den Rat wäre, ist offen“, so Sturm. Weil zuletzt „die Tagungsmöglichkeiten für den Rat durch Corona massiv eingeschränkt beziehungsweise nicht gegeben“waren und auch „die Gesprächsmöglichkeiten und Gesprächsanlässe“durch Corona „stark gelitten“hätten, will die Stadtverwaltung nun abwarten, ob sich „die Dauer der Ratssitzungen in den nächsten Monaten langsam wieder auf ein Normalmaß einpendelt“.
Die heutige Sitzung hat 59 Tagesordnungspunkte und beginnt um 18 Uhr in der Kathrin-türks-halle.