Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Das Verhalten und die Bedürfnisse der Stadtbesucher haben sich in den beiden vergangenen Dekaden grundsätzlich geändert. Dies ist für Caspar Schmitz-morkramer, Gründer und Inhaber des Architekturstudios caspar., ein wesentlicher Grund dafür, die Konzepte
ARCHITEKTURSTUDIOS CASPAR.
Während vor einigen Jahren noch viele Konsumenten Bekleidungsgeschäfte aufsuchten, um neue Kollektionen zu begutachten, ist dies im Wandel der Zeit heute für viele kein Anlass mehr, die Shopping-meilen aufzusuchen. „Früher hat ein Geschäft vielleicht jedes Jahr zwei neue Kollektionen angeboten. Heute geschieht dies alle vier Wochen“, sagt Caspar Schmitz-morkramer. Potenzielle Käufer sehen sich inzwischen lieber die Produkte im Online-handel an, vergleichen Preise und bestellen die Ware über entsprechende Webshops. Daher müsse aus Händlersicht eine stärkere Vernetzung zwischen stationärem und digitalem Geschäft stattfinden. Viele Einzelhandelslagen seien zudem heute nicht mehr attraktiv, da sie nur tagsüber geöffnet sind.
Um mehr Menschen in die Innenstadt zu locken, muss laut dem Architekten die Aufenthaltsqualität in der Stadt verbessert werden. Nach dem Motto „Flanieren und Ausruhen“ist es für ihn sinnvoll, die City durch mehr Fußgänger zu beleben. So könnte man zum Beispiel auf den motorisierten Straßenverkehr auf der Geschäftsseite der Düsseldorfer Königsallee verzichten und dort das gastronomische Angebot deutlich vergrößern. „Besonders in der Außengastronomie könnte man die Räume erweitern und den Besuchern einen größeren Mehrwert bieten. Pavillons und Terrassenbestuhlung sind dabei zwei Schlagworte. Dies dürfte auch nach Geschäftsschluss die Gegend beleben.“
Schmitz-morkramer ist zudem davon überzeugt, dass Wohnraumnutzung die Innenstadt aufwertet. Dies haben seiner Erfahrung nach auch Eigentümer erkannt, die sich für die hybride Nutzung aussprechen. Natürlich bleibt dabei das Wohnen an der Kö – nicht zuletzt aus preislichen Gründen – etwas Exklusives.
Auch wenn die Erschließung der Stadt mit dem Pkw wichtig ist, so muss man nicht direkt vor den Geschäften parken. Park & Ride sieht der Experte als eine Alternative. Auch sollte die Stadt fahrradgerechter ausgerichtet werden. Das Denken, dass Menschen gerne ihr Luxusauto in der City präsentieren, betrachtet er als antiquiert. „Düsseldorf ist eine vergleichsweise kleine Stadt, die von Parkplätzen außerhalb des Zentrums über kurze Wege und ein gutes öffentliches Verkehrssystem gut erreichbar ist.“Die Rheinmetropole könne man durch einen Mix aus spannenden kulturellen Angeboten, Handel, Gastronomie, Kunst und Grünflächen attraktiver gestalten. So verweilen mehr Menschen länger in der Stadt – auch wenn die Geschäfte geschlossen sind. Besonders bei der Gastronomie habe Düsseldorfs Innenstadt großen Nachholbedarf. Daran dürften auch die Vermieter ein Interesse haben. So könnten Gaststätten und Cafés auch Räume im ersten Obergeschoss beziehen.
Das klassische Shoppen in der Einkaufspassage hat nicht erst durch die Pandemie an Attraktivität eingebüßt. Für Schmitz-morkramer gehört das digitale Flanieren heute zum coolen Lifestyle der jüngeren und mittleren Generationen, welche die Flaniermeilen ihrer Eltern zunehmend links liegen lassen. Corona habe die ohnehin schon prekäre Lage der Einkaufsstraßen und einiger Shopping-malls nur noch verschlimmert. „Ein Zurück in die guten alten Zeiten nach dem Sieg über das Virus wird immer unwahrscheinlicher.“Für den Architekten ist eines sicher: „Wenn wir als Kreative – Händlerinnen, Stadtverwaltungen, Projektentwickler, Immobilienbesitzerinnen, Architekten, Stadtplanerinnen, Bauingenieure und so weiter – nicht handeln, wird es zu spät sein für die Auferstehung unserer vormals florierenden Städte.“
Sein Appell: Der Flaneur muss zum Akteur werden. „Genauso wie im Einzelhandel die Mehrzahl der Kunden exzellente Beratung, eine große Auswahl an Produkten und zudem einen Erlebnisfaktor, sprich Unterhaltung und Aktion, will, ist es letztlich die überproportionale Aufenthalts- und Erlebnisqualität, welche die Qualität unserer Innenstädte ausmacht. Städte brauchen wieder eine eigene unverwechselbare DNA.“
Auch gelte es, das lokale Kolorit der Städte wiederzuerkennen und zu entdecken. In Köln sei dies zum Beispiel die dichte Innenstadt um Dom und Hauptbahnhof. Vom Mittelalter bis zum Zweiten Weltkrieg prägten dort schmale, aber tiefe Bauten von höchstens fünf Geschossen das Straßenbild. „Die Erdgeschosse strahlten damals eine visuelle Vielfalt und eine hohe kommerzielle Abwechslung aus. Von deren Lebendigkeit sind wir heute meilenweit entfernt.“Für Caspar Schmitz-morkramer sollten es praktikable Lösungen sein – als Reminiszenz an die traditionelle Stadt. So gelte es, das Leben und den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu setzen.