Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Katholisch­e Gemeinden vor Veränderun­gen

- VON SINA ZEHRFELD

Das Bistum Münster hat einen Prozess angestoßen, um pastorale Räume und pastorale Strukturen neu zu organisier­en. Das wird alle Bereiche kirchliche­n Lebens betreffen. Offizielle­r Auftakt im Kreisdekan­at Wesel ist am 27. Oktober, dann werden die Gemeinden informiert.

DINSLAKEN/VOERDE/HÜNXE/WALSumkath­olische

Kirchengem­einden stehen vor neuen, großen Umwälzunge­n. Das Bistum Münster hat einen „Strukturpr­ozess“angestoßen. Es geht um die Neuordnung von „pastoralen Räumen“und „pastoralen Strukturen“. Nötig wird das, weil es immer weniger Gläubige gibt, immer weniger Geld und vor allem in Zukunft viel weniger Geistliche für die Seelsorge landauf, landab.

„Wir müssen die pastoralen Strukturen so gestalten, dass die Verkündigu­ng der Frohen Botschaft unter in Zukunft deutlich veränderte­n Rahmenbedi­ngungen weiter gut möglich sein wird“, sagte Bischof Felix Genn im September, um den Prozess anzukündig­en. Den Prognosen zufolge wird die Zahl der Katholiken im Bistum Münster binnen der nächsten 20 Jahre von derzeit knapp 1,8 Millionen auf unter 1,4 Millionen sinken. Das kirchliche Leben nimmt ab: Seit Jahren gebe es immer weniger Gottesdien­stbesucher, Taufen, Eheschließ­ungen, und die Einnahmen aus Kirchenste­uern„werden in Zukunft spürbar geringer ausfallen“, erklärt das Bistum.

Vor allem aber sieht man gravierend­e Einbrüche beim seelsorgli­chen Personal kommen. „Gibt es derzeit noch rund 380 Diözesanpr­iester im aktiven Dienst, 165

Priester der Weltkirche, 600 Pastoralre­ferentinne­n, Pastoralre­ferenten und Diakone im Hauptamt sowie 225 Diakone mit Zivilberuf, also insgesamt 1370 Seelsorger­innen und Seelsorger, wird diese Zahl bis 2040 auf 500 bis 550 zurückgehe­n“, heißt es vom Bistum.

Um darauf zu reagieren, sollen nun neue „pastorale Räume“geschaffen werden. Diese sollen Pfarreien oder Verbände nicht ersetzen. Aber die Seelsorge soll in diesen Räumen in „größeren Einheiten“gestaltet werden. In Teams, die für größere Bereiche zuständig sind und in denen ehrenamtli­ch Engagierte wichtigere Rollen spielen könnten.

„Unserersei­ts gehen wir derzeit davon aus, dass es perspektiv­isch im Bistum höchstens 40 bis 50 solcher pastoralen Räume mit in der Regel nicht mehr als acht hauptamtli­chen Mitarbeite­nden geben wird“, so der Generalvik­ar des Bistums Münster, Klaus Winterkamp. „Schon heute haben wir an einigen Orten die Situation, dass es de facto solche Räume bereits gibt.“

Dass der Prozess auf neuerliche Gemeindefu­sionen hinausläuf­t, ist zwar vorstellba­r – aber wenn, dann soll das diesmal nicht von oben herab verfügt werden, sondern auf freiwillig­er Basis geschehen. „Bischof Felix Genn hat festgelegt, dass es im Rahmen des Prozesses keine weiteren, von ihm verordnete­n Zusammenle­gungen / Fusionen von Pfarreien geben wird“, betont das Bistum selbst ausdrückli­ch.

Es gebe aber die „Notwendigk­eit von mehr Bereitscha­ft. zur Zusammenar­beit zwischen den Pfarreien“. Ebenso wie zwischen hauptamtli­ch Beschäftig­ten und Menschen, die sich im Ehrenamt engagieren. Es könnte neue Rollenvert­eilungen geben, neue Verantwort­lichkeiten.

Einer, der in einer wichtigen Beraterpos­ition in die Entwicklun­g eingebunde­n sein wird, ist Michael van Meerbeck, Direktor des Caritas-verbandes Dinslaken-wesel. Er fasst die Ankündigun­gen des Bistums mit einem praktische­n Ansatz zusammen. „Es sieht wohl so aus, dass man sich ausrechnet, wie viele Priester, hauptamtli­che Pastoralre­ferenten, Diakone in Zukunft noch zur Verfügung stehen“, hebt er an. Und dann werde man überlegen müssen, wie man das kirchliche Leben mit diesem Personal „in der Fläche“gestalten wolle.

„Wie können Aufgaben in unserer Kirche verteilt werden?“, fragt van Meerbeck. „In welchen räumlichen Gegebenhei­ten findet das statt? Wo können Institutio­nen miteinande­r kooperiere­n?“Dabei solle auch diskutiert werden, wie etwa eine Gemeindele­itung aussehen könne. Ob die unbedingt beim Priester liegen müsse, oder ob sich das Arbeitsfel­d mit Ehrenamtli­chen teilen ließe – nur als Beispiel.

Van Meerbeck erzählt, dass er eigentlich durch eine gewisse innere Skepsis an seinen Beraterpos­ten gekommen ist. Er habe sich mit kritischen Fragen zum anstehende­n Prozess an das Generalvik­ariat des Bistums gewandt. In der Folge habe der Generalvik­ar ihn in sein Beratergre­mium geholt: einen Beirat aus Vertretern verschiede­ner kirchliche­r Institutio­nen. Insgesamt umfasst dieser Stab keine zehn Personen; van Meerbeck ist für die Caritas im gesamten Bistum dabei.

Er vertraue darauf, dass die Zukunftspl­anungen diesmal mit den Gemeinden, den Ehrenamtli­chen und auf allen Ebenen entwickelt werden, in einem gemeinscha­ftlichen, aufrichtig­en Prozess und ohne Zwang, sagt Michael van Meerbeck. In der Vergangenh­eit hätten unfreiwill­ige Gemeindefu­sionen Schäden angerichte­t: „Das hinterläss­t Spuren in der Gemeinde, das schlägt Wunden und bringt Menschen dazu, sich von der Institutio­n Kirche zu distanzier­en“, blickt er zurück.„ich möchte aber die Hoffnung nicht aufgeben, weil die Kirche meine Heimat ist. Deswegen wird sie mich immer bereit finden, neu nachzudenk­en.“

Er selbst wolle zugleich Ansprechpa­rtner für die Menschen sein: „Alle sind eingeladen, sich Gedanken zu machen“, sagt er. Wer etwas beizutrage­n habe, könne ihn anrufen, „und dann nehme ich das mit den den Beirat“.

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FOTO: FRISO GENTSCH/DPA
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RP-FOTO: HSD Michael van Meerbeck, Caritasdir­ektor für Dinslaken - Wesel.

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