Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Simon Kjaer muss Weltfußballer werden
MEINUNG Wenn Ende November der Ballon d`or vergeben wird, kann es nur einen Sieger geben. Der Kapitän der dänischen Nationalmannschaft hat beim Drama um Mitspieler Christian Eriksen neue Maßstäbe in punkto Führungsstärke und Haltung gesetzt.
Alle Jahre wieder stellt sich diese eine Frage: Wer wird Weltfußballer? Und oft gibt es darauf maximal zwei verschiedene Antworten: Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo. Beide gehören natürlich auch im Jahr 2021 wieder zu den hoffnungsvollsten Kandidaten – neben Robert Lewandowski. Doch spätestens nachdem das französische Magazin „France Football“am Freitagabend die 30 Kandidaten für die diesjährige Wahl des Ballon d`or bekanntgegeben hat, kann der Weltfußballer nur einen Namen tragen: Simon Kjaer. Ja, wirklich. Der Kapitän der dänischen Nationalmannschaft und Innenverteidiger des AC Milan steht auf der Shortlist und das vollkommen zu Recht. Das genügt aber nicht.
Zugegeben: Kjaer ist nicht unbedingt als formidabler Fußballer bekannt, wenngleich er in der Serie A großartige Leistungen zeigte und maßgeblich daran beteiligt war, dass Milan den zweiten Platz belegte. Er schießt auch nicht so viele Tore wie ein Lewandowski und zieht erst recht nicht die Aufmerksamkeit eines Messi auf sich. Aber Kjaer hat in diesem Jahr etwas viel Wichtigeres geleistet. Er hat ein Leben gerettet und zeitgleich Persönlichkeit und Führungsqualitäten gezeigt.
Erinnern wir uns: Im Juni bei der Fußball-europameisterschaft war Kjaer maßgeblich daran beteiligt, dass seinem Landsmann und Kumpel Christian Eriksen das Leben gerettet werden konnte. In einer absoluten Ausnahmesituation, in der der Mittelfeldstar auf dem
Platz einen Herzstillstand erlitt, reagierte Kjaer am schnellsten, brachte seinen Freund in die stabile Seitenlage und organisierte, dass die gesamte Mannschaft ihren Kollegen und die Ärzte vor neugierigen Blicken abschirmte. Zudem tröstete er noch auf dem
Feld die Freundin von Eriksen. Später spielte er gegen Finnland sogar noch weiter – bis ihn die Gefühle übermannten und er um die Auswechslung bat.
Kjaer ist ein Anführer, ein echtes Vorbild. Ist es nicht das, was einen Weltfußballer auch und vor allem ausmachen sollte? Tore kann jeder schießen, Vorlagen geben können die meistens Profis, Titel gewinnen die Spieler in der Regel als Mannschaft zusammen. Also warum nicht mal jemanden wählen, der wirklich etwas Bedeutsames geleistet hat? Liverpool-kapitän Jordan Henderson postete kürzlich bewegende Sätze beim Kurznachrichtendienst Twitter. „Ich habe gesehen, dass die
Uefa Simon und dem dänischen Ärzteteam den ‚President`s Award` verliehen hat“, schrieb er in Richtung des dänischen Verteidigers und aller Fußballfans weltweit. „Aber ich hoffe, Simon weiß auch, dass er den Respekt und die Bewunderung aller Fußballer hat für das, was er in dieser Nacht getan hat.“
Der 32-jährige Kjaer hatte mit seinen Handlungen neue Maßstäbe im Profi-fußball gesetzt. Einen Sonderpreis der Uefa hat er dafür bereits erhalten. Doch nun können auch seine Kollegen ein wichtiges Zeichen an ihre gesamte Branche setzen, schließlich wird der Gewinner des Ballon d`or von den Spielern selbst gewählt. Wenn der Respekt der Branche, wie Henderson es schrieb, wirklich so groß ist, kann der Gewinner des Ballon d`or am 29. November nur Simon Kjaer heißen.