Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Saint Etienne holen die 90er-jahre zurück

- Philipp Holstein

Pop Wer sich mal eben vorstellen mag, wie es sich anfühlt, wenn man nach einer sehr guten Party am Sonntagmor­gen heimkehrt und die Vögel schon zwitschern und die Sonne aufgeht und man ziemlich zufrieden ist und sich schon freut auf die Verabredun­g mit der Person, die man eben zum Abschied noch geküsst hat, bekommt einen guten Eindruck davon, wie diese Platte klingt. Die britische Band Saint Etienne hat sie aufgenomme­n, sie heißt „I've Been Trying To Tell You“, und sie ist ziemlich ungewöhnli­ch und unheimlich schön.

Acht Stücke sind darauf zu hören, und in jedem lässt das Trio das klassische Songschema verschwimm­en. Eigentlich präsentier­t Saint Etienne hier lediglich Stimmungen, Atmosphäre­n und Texturen. Statt Liedtexten gibt es Slogans und mehrfach wiederholt­e Sätze. Die Musiker haben das Album aus Samples gebaut, deren Ursprünge zwischen den Jahren 1997 und 2001 liegen. Sie wollen noch einmal zurückkehr­en an das Ende des vergangene­n Jahrtausen­ds. Das ist eine nostalgisc­he und wehmütig verspulte Platte. In „Pond House“wird ein Vers von Natalie Imbruglia zitiert. Oft hört man Field Recordings wie das Schreien von Möwen, und alles fließt immerzu, löst sich in Nebel auf. Die Kompositio­nen muten wie ein Soundtrack zu einem Gefühl an. Sehr abstrakt also und auch ein bisschen melancholi­sch.

Saint Etienne haben schon vor einiger Zeit versucht, den Popsong der Sixties, der als Vorbild für das Gros ihres Werks dient, aufzubrech­en und in Richtung Ambient und Meditation zu erweitern. Auf Alben wie „Sound Of Water“(2000) und „Finisterre“(2002) gibt es Stücke, die als Suiten angelegt sind oder wie Interludes wirken, die die Hörerschaf­t in eine bestimmte Gewogenhei­t versetzen sollen. „I've Been Trying To Tell You“wird nun ein Film Alasdair Mclellans zur Seite gestellt, der als Reminiszen­z an die Sommer der Jugend funktionie­rt. Die 90er-jahre in einer Nussschale.

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