Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Saint Etienne holen die 90er-jahre zurück
Pop Wer sich mal eben vorstellen mag, wie es sich anfühlt, wenn man nach einer sehr guten Party am Sonntagmorgen heimkehrt und die Vögel schon zwitschern und die Sonne aufgeht und man ziemlich zufrieden ist und sich schon freut auf die Verabredung mit der Person, die man eben zum Abschied noch geküsst hat, bekommt einen guten Eindruck davon, wie diese Platte klingt. Die britische Band Saint Etienne hat sie aufgenommen, sie heißt „I've Been Trying To Tell You“, und sie ist ziemlich ungewöhnlich und unheimlich schön.
Acht Stücke sind darauf zu hören, und in jedem lässt das Trio das klassische Songschema verschwimmen. Eigentlich präsentiert Saint Etienne hier lediglich Stimmungen, Atmosphären und Texturen. Statt Liedtexten gibt es Slogans und mehrfach wiederholte Sätze. Die Musiker haben das Album aus Samples gebaut, deren Ursprünge zwischen den Jahren 1997 und 2001 liegen. Sie wollen noch einmal zurückkehren an das Ende des vergangenen Jahrtausends. Das ist eine nostalgische und wehmütig verspulte Platte. In „Pond House“wird ein Vers von Natalie Imbruglia zitiert. Oft hört man Field Recordings wie das Schreien von Möwen, und alles fließt immerzu, löst sich in Nebel auf. Die Kompositionen muten wie ein Soundtrack zu einem Gefühl an. Sehr abstrakt also und auch ein bisschen melancholisch.
Saint Etienne haben schon vor einiger Zeit versucht, den Popsong der Sixties, der als Vorbild für das Gros ihres Werks dient, aufzubrechen und in Richtung Ambient und Meditation zu erweitern. Auf Alben wie „Sound Of Water“(2000) und „Finisterre“(2002) gibt es Stücke, die als Suiten angelegt sind oder wie Interludes wirken, die die Hörerschaft in eine bestimmte Gewogenheit versetzen sollen. „I've Been Trying To Tell You“wird nun ein Film Alasdair Mclellans zur Seite gestellt, der als Reminiszenz an die Sommer der Jugend funktioniert. Die 90er-jahre in einer Nussschale.