Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
CDU wählt komplette Parteispitze neu
Die Christdemokraten leiten einen personellen Neuanfang ein – der Zeitplan aber ist noch unklar. Die Diskussion könnte sich bis ins neue Jahr ziehen. Derweil fordern die Frauen eine stärkere Rolle bei der Neuaufstellung.
BERLIN Die CDU will nach ihrem historischen Absturz bei der Bundestagswahl auf einem Sonderparteitag den kompletten, erst Anfang des Jahres für zwei Jahre gewählten Bundesvorstand neu bestimmen. Dies sei einstimmig beschlossen worden, sagte Cdu-generalsekretär Paul Ziemiak nach Beratungen der Spitzengremien in Berlin.
Doch wann ein Parteitag diese Entscheidung treffen kann, blieb einstweilen offen. Im Gezerre um eine Mitgliederbeteiligung kam die Cdu-führung zu dem Ergebnis, dass die Kreisverbände nun erst einmal die Stimmung dazu an der Basis eruieren sollen, um darüber dann am 30. Oktober bei einer Kreisvorsitzenden-konferenz zu beraten. Drei Tage später soll dann der Bundesvorstand über eine Mitgliederbeteiligung befinden.
Im Vorstand wurde von einigen Mitgliedern, unter anderem von Serap Güler aus Nordrhein-westfalen, der starke Wunsch geäußert, eine erneute Kampfkandidatur zu verhindern und zu einer „Teamlösung“zu kommen. Wie Ziemiak erläuterte, wird der Vorsitzende Armin Laschet auch auf die Landesverbände zugehen, um „das Ohr auf die Schiene zu legen“, also herauszufinden versuchen, wer als Kandidat mit welcher Unterstützung rechnen könnte.
Der Zeitplan ist damit wahlweise kurz mit einem Parteitagsabschluss noch im Dezember oder länger mit einer Entscheidung erst im Januar oder Februar. Denn für Aufstellung, Vorstellung, Abstimmung und gegebenenfalls zweiten Wahlgang werden je zwei bis drei Wochen kalkuliert. So lange bleibt Laschet im Amt.
In dieser Zeit steht er für den Fall des Scheiterns der Ampel-gespräche als Ansprechperson für das Aushandeln eines Jamaika-bündnisses bereit. „Das Angebot steht“, betonte der Generalsekretär. Er sprach erneut von Vorzügen von Jamaika gegenüber einer Ampel. Ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP wäre nicht nur eine Regierung des kleinsten gemeinsamen Nenners, sondern eine „neue Erzählung für Deutschland“. Die Mobilnummern seien FDP und Grünen bekannt; sie könnten sich jederzeit melden.
Für die Aufarbeitung der Gründe für das schlechteste Abschneiden der Union seit ihrer Gründung ist eine Kommission vorgesehen. Dabei werde „alles auf den Tisch“kommen, kündigte Ziemiak an.
Man werde „in der Tiefe“analysieren, was gut und was schlecht gelaufen sei. Die Fehleranalyse werde „brutal offen“erfolgen. Man werde dabei das Gespräch sowohl mit Kandidaten suchen, die es noch einmal geschafft hätten, aber auch mit denen Kontakt aufnehmen, denen es trotz großen Einsatzes nicht gelungen sei, in den Bundestag zu kommen. Er verstehe Wut und Frust. Das schmerze, und das tue leid.
Die Ergebnisse dieser Analyse sollten bis zum Jahresende vorliegen und dann in der Mitgliedschaft oder bei einem Parteitag diskutiert werden können. Auf den von ihm selbst zu verantwortenden schlechten Wahlkampf angesprochen, erklärte Ziemiak, dass auch der Posten des Generalsekretärs beim nächsten Parteitag zur Neuwahl anstehe.
Für die Frauenunion sagte deren Vorsitzende Annette WidmannMauz, die Neuaufstellung ihrer Partei könne „inhaltlich, personell und strukturell nur mit den Frauen“gelingen. Die Frauenunion werde zügig eine Konferenz ihres Verbandes und von Mandatsträgerinnen initiieren. Die Frage einer Mitgliederbeteiligung sei ergebnisoffen zu diskutieren, um zu einer „neuen Vertrauenskultur“zu kommen. Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Nadine Schön, forderte eine stärkere Beteiligung von Frauen. „Wir haben seit Jahren zu wenig Frauen in Parlament und Partei. Wir müssen mehr werden“, sagte Schön unserer Redaktion. Sie ergänzte, die Union habe lange weibliche Vorsitzende gehabt: „Das hat der Partei gutgetan.“
Auch in den Sitzungen von Präsidium und Bundesvorstand zeichneten sich noch keine konkreten Kandidaturen ab. Aus dem jeweiligen Umfeld verlautete, dass sowohl Fraktionschef Ralph Brinkhaus als auch Gesundheitsminister Jens Spahn sowie Außenexperte Norbert Röttgen mit dem Gedanken spielen. Ex-fraktionschef Friedrich Merz erklärte bisher nur öffentlich, dass er nicht erneut in eine Kampfkandidatur gehen werde. (mit dpa)