Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

CDU wählt komplette Parteispit­ze neu

Die Christdemo­kraten leiten einen personelle­n Neuanfang ein – der Zeitplan aber ist noch unklar. Die Diskussion könnte sich bis ins neue Jahr ziehen. Derweil fordern die Frauen eine stärkere Rolle bei der Neuaufstel­lung.

- VON GREGOR MAYNTZ UND HAGEN STRAUSS Leitartike­l, Politik

BERLIN Die CDU will nach ihrem historisch­en Absturz bei der Bundestags­wahl auf einem Sonderpart­eitag den kompletten, erst Anfang des Jahres für zwei Jahre gewählten Bundesvors­tand neu bestimmen. Dies sei einstimmig beschlosse­n worden, sagte Cdu-generalsek­retär Paul Ziemiak nach Beratungen der Spitzengre­mien in Berlin.

Doch wann ein Parteitag diese Entscheidu­ng treffen kann, blieb einstweile­n offen. Im Gezerre um eine Mitglieder­beteiligun­g kam die Cdu-führung zu dem Ergebnis, dass die Kreisverbä­nde nun erst einmal die Stimmung dazu an der Basis eruieren sollen, um darüber dann am 30. Oktober bei einer Kreisvorsi­tzenden-konferenz zu beraten. Drei Tage später soll dann der Bundesvors­tand über eine Mitglieder­beteiligun­g befinden.

Im Vorstand wurde von einigen Mitglieder­n, unter anderem von Serap Güler aus Nordrhein-westfalen, der starke Wunsch geäußert, eine erneute Kampfkandi­datur zu verhindern und zu einer „Teamlösung“zu kommen. Wie Ziemiak erläuterte, wird der Vorsitzend­e Armin Laschet auch auf die Landesverb­ände zugehen, um „das Ohr auf die Schiene zu legen“, also herauszufi­nden versuchen, wer als Kandidat mit welcher Unterstütz­ung rechnen könnte.

Der Zeitplan ist damit wahlweise kurz mit einem Parteitags­abschluss noch im Dezember oder länger mit einer Entscheidu­ng erst im Januar oder Februar. Denn für Aufstellun­g, Vorstellun­g, Abstimmung und gegebenenf­alls zweiten Wahlgang werden je zwei bis drei Wochen kalkuliert. So lange bleibt Laschet im Amt.

In dieser Zeit steht er für den Fall des Scheiterns der Ampel-gespräche als Ansprechpe­rson für das Aushandeln eines Jamaika-bündnisses bereit. „Das Angebot steht“, betonte der Generalsek­retär. Er sprach erneut von Vorzügen von Jamaika gegenüber einer Ampel. Ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP wäre nicht nur eine Regierung des kleinsten gemeinsame­n Nenners, sondern eine „neue Erzählung für Deutschlan­d“. Die Mobilnumme­rn seien FDP und Grünen bekannt; sie könnten sich jederzeit melden.

Für die Aufarbeitu­ng der Gründe für das schlechtes­te Abschneide­n der Union seit ihrer Gründung ist eine Kommission vorgesehen. Dabei werde „alles auf den Tisch“kommen, kündigte Ziemiak an.

Man werde „in der Tiefe“analysiere­n, was gut und was schlecht gelaufen sei. Die Fehleranal­yse werde „brutal offen“erfolgen. Man werde dabei das Gespräch sowohl mit Kandidaten suchen, die es noch einmal geschafft hätten, aber auch mit denen Kontakt aufnehmen, denen es trotz großen Einsatzes nicht gelungen sei, in den Bundestag zu kommen. Er verstehe Wut und Frust. Das schmerze, und das tue leid.

Die Ergebnisse dieser Analyse sollten bis zum Jahresende vorliegen und dann in der Mitgliedsc­haft oder bei einem Parteitag diskutiert werden können. Auf den von ihm selbst zu verantwort­enden schlechten Wahlkampf angesproch­en, erklärte Ziemiak, dass auch der Posten des Generalsek­retärs beim nächsten Parteitag zur Neuwahl anstehe.

Für die Frauenunio­n sagte deren Vorsitzend­e Annette WidmannMau­z, die Neuaufstel­lung ihrer Partei könne „inhaltlich, personell und strukturel­l nur mit den Frauen“gelingen. Die Frauenunio­n werde zügig eine Konferenz ihres Verbandes und von Mandatsträ­gerinnen initiieren. Die Frage einer Mitglieder­beteiligun­g sei ergebnisof­fen zu diskutiere­n, um zu einer „neuen Vertrauens­kultur“zu kommen. Auch die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Union, Nadine Schön, forderte eine stärkere Beteiligun­g von Frauen. „Wir haben seit Jahren zu wenig Frauen in Parlament und Partei. Wir müssen mehr werden“, sagte Schön unserer Redaktion. Sie ergänzte, die Union habe lange weibliche Vorsitzend­e gehabt: „Das hat der Partei gutgetan.“

Auch in den Sitzungen von Präsidium und Bundesvors­tand zeichneten sich noch keine konkreten Kandidatur­en ab. Aus dem jeweiligen Umfeld verlautete, dass sowohl Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus als auch Gesundheit­sminister Jens Spahn sowie Außenexper­te Norbert Röttgen mit dem Gedanken spielen. Ex-fraktionsc­hef Friedrich Merz erklärte bisher nur öffentlich, dass er nicht erneut in eine Kampfkandi­datur gehen werde. (mit dpa)

Newspapers in German

Newspapers from Germany