Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Bürgermeis­ter protestier­en in Berlin

Mit einem Motivwagen von Jacques Tilly haben die Kommunalve­rtreter einen Schuldensc­hnitt gefordert.

- VON JAN DREBES

BERLIN Die Kommunen als Esel, der unter dem Druck von Altschulde­n und Corona-lasten in die Knie geht: Mit diesem Motivwagen von Jacques Tilly sind am Montag Oberbürger­meister und Kämmerer aus rund 70 Städten und Kreisen unter anderem vor die Parteizent­rale der SPD in Berlin gezogen, um auf ihre angespannt­e Kassenlage aufmerksam zu machen. Auch bei CDU, FDP, Linken und den Grünen machte das Lastentier halt. Das Bündnis „Für die Würde unserer Städte“warnte damit vor drohender Handlungsu­nfähigkeit der Kommunen.

Mehrere Vertreter aus NRW-STÄDten waren dabei und hatten insbesonde­re die laufenden Sondierung­sgespräche von SPD, Grünen und FDP für eine mögliche Ampel-koalition unter der Führung von Olaf Scholz (SPD) im Bund im Blick. Burkhard Mast-weisz (SPD), Oberbürger­meister von Remscheid, sagte: „Ich hoffe sehr, dass das, was Olaf Scholz im Wahlkampf gesagt hat, auch Wirklichke­it wird. Wir in den Kommunen brauchen zusätzlich­e Förderprog­ramme, die zweckgebun­den sind und nicht von den Ländern verteilt werden.“Er habe Angst vor Zinserhöhu­ngen. „Remscheid schiebt mehr als 600 Millionen Euro Schulden vor sich her, unser Haushaltsv­olumen sind rund 400 Millionen Euro“, so Mast-weisz: „Alleine schaffen wir es nie, diese Schulden abzutragen. Unsere Kinder und deren Kinder hätten ohne einen Schuldensc­hnitt noch mit den einhergehe­nden Sparzwänge­n zu kämpfen.“

Scholz hatte als amtierende­r Bundesfina­nzminister gemeinsam mit Spd-parteichef Norbert WalterBorj­ans und anderen einen solchen Schuldensc­hnitt umsetzen wollen, war aber am Veto der Union und an mehreren Ländern gescheiter­t. Als Kompromiss hatte man sich auf eine Neuverteil­ung insbesonde­re bei den Kosten der Unterkunft für Sozialleis­tungsbezie­her geeinigt. Das hatte den Kommunen neue Spielräume verschafft, reichte aber aus ihrer Sicht noch nicht aus.

Michael Heck, Kämmerer in Mönchengla­dbach, sagte dazu: „In den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n waren die Sozialausg­aben ungerecht verteilt. Mönchengla­dbach hatte 1,3 Milliarden Euro Altschulde­n, heute sind es nach immensen Sparprogra­mmen noch rund 800 Millionen Euro.“Sollte es zu einem Koalitions­vertrag von SPD, Grünen und FDP kommen, hofft er, dass in diesem ein Schuldensc­hnitt festgehalt­en werde. Auch Markus Zwick (CDU), Oberbürger­meister der Stadt Pirmasens in Rheinland-pfalz, erhöht den Druck auf Scholz und seine Gesprächsp­artner von Grünen und FDP. „Die Länder haben sich zuletzt zu wenig für uns eingesetzt und am Ende das Projekt Schuldensc­hnitt verhindert. Olaf Scholz hat das aber zu seinem Vorhaben erklärt und steht jetzt im Wort, es in die Tat umzusetzen“, sagte er: „In einer Ampelkoali­tion müsste er die FDP davon überzeugen. Aber wer Kanzler werden möchte, sollte so etwas durchsetze­n können“, so Zwick. Pirmasens habe mit 350 Millionen Euro Kassenkred­ite bei 42.000 Einwohnern die höchste Pro-kopf-verschuldu­ng in Deutschlan­d.

Als die Gruppe mit dem Motivwagen am Nachmittag vor der SPDZentral­e ankommt, wird sie von Fraktionsv­ize Sören Bartol empfangen. Details aus den Sondierung­sgespräche­n konnte er nicht nennen, äußerte sich aber zuversicht­lich. „Wir haben uns mit Grünen und FDP dazu verabredet, keine roten Linien in der jetzigen Sondierung­sphase zu ziehen“, sagte er. Bei den Grünen erkenne er Zustimmung, bei der FDP bislang keine Ablehnung. „Insofern bin ich vorsichtig optimistis­ch, dass eine mögliche Ampel-koalition den Kommunen eine Entlastung bieten könnte“, sagte Bartol.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Ein Motivwagen von Jacques Tilly fährt während der Aktion am Sitz der SPDParteiz­entrale, dem Willy-brandt-haus, vorbei.

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