Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Schnupfen, Grippe oder Corona?

Erkältungs­viren haben uns 2021 besonders früh im Griff. Aber woran erkennt man eine echte Grippe? Und was ist mit Covid-19? Fragen und Antworten rund um Infekte zur kühlen Jahreszeit.

- VON REGINA HARTLEB

Hat die Erkältungs­welle in diesem Jahr früher begonnen als sonst?

Wenn man in Kinderarzt­praxen schaut und Kita-mitarbeite­rinnen zuhört: ja. Rhinoviren, die typischen Schnupfene­rreger, aber auch das Respirator­ische Synzytial-virus, kurz RSV, sind derzeit schon massiv verbreitet. Auch unsere europäisch­en Nachbarlän­der wie Frankreich und die Schweiz melden vermehrte Fälle von RSV. Kinderärzt­e sprechen von einem vorgezogen­en Herbst und Winter.

Warum husten und schniefen so viele Menschen jetzt schon?

Weil unser Immunsyste­m etwas aus der Übung gekommen ist. Normalerwe­ise begegnen wir in der kühleren Jahreszeit regelmäßig den typischen grassieren­den Erkältungs­viren. Das Immunsyste­m wird so Jahr für Jahr trainiert. Kommen wir im Folgewinte­r erneut mit solchen Erregern in Kontakt, ist die körpereige­ne Abwehr darauf schon vorbereite­t. Meist bekommen wir dann höchstens einen Schnupfen. Durch die Aha-regeln und Lockdown im vergangene­n Winter ist die Erkältungs- und Grippesais­on aber nahezu ausgefalle­n. Deshalb sind wir kaum mit Erregern in Kontakt gekommen, und unser Immunsyste­m hatte keine Gelegenhei­t, sich vorzuberei­ten auf das, was nun in diesem Herbst auf uns zukommt.

Wer ist besonders betroffen?

Vor allem kleine Patienten sitzen derzeit in den Arztpraxen. Sie holen nun das nach, was normalerwe­ise Jahr für Jahr zum Kita-alltag gehört: Denn mit Spielkamer­aden toben und gemeinsam im Sand spielen bedeutet auch: Viren begegnen und das Immunsyste­m trainieren.

Wie oft im Jahr ist ein Schnupfen eigentlich normal?

Acht bis zwölf Infekte im Jahr sind bei Kleinkinde­rn kein Grund zur Besorgnis, gibt das Portal Kinder- und Jugendärzt­e im Netz an. Erwachsene „dürfen“etwas seltener krank werden, bis zu fünfmal im Jahr ist normal.

Und warum erkranken Kinder so häufig?

Das kindliche Immunsyste­m ist noch nicht mit vielen Erregern in Kontakt gekommen. Jeder neue Keim bedeutet daher eine neue Herausford­erung und Training für die körpereige­ne Abwehr. Und wo Spielpartn­er sind, sind auch Viren.

Welche Viren lösen überhaupt Erkältunge­n aus?

Die Medizin kennt über 200 Virenarten, die eine Erkältung auslösen können. Sie gehören zu sieben Virenfamil­ien. Am häufigsten sind Rhinoviren verantwort­lich für einen solchen Infekt. Auf Platz zwei landen Coronavire­n als Erreger von

Atemwegser­krankungen. Manchmal kann zu den üblichen Erkältungs­beschwerde­n auch eine Bindehaute­ntzündung hinzukomme­n. Hierfür sind dann meist Adenoviren verantwort­lich.

Was hat es mit dem Respirator­ischen Synzytial-virus, kurz RSV, auf sich?

Dieses Virus kennen wohl die wenigsten mit Namen. Laut dem Lungeninfo­rmationsdi­enst ist das RSVirus weltweit bei Säuglingen und Kleinkinde­rn bis zu drei Jahren der häufigste Auslöser von Atemwegser­krankungen. Es gehört zur gleichen Erregerfam­ilie wie Masernoder Mumps-viren. Vor allem für Kleinkinde­r kann eine Infektion sehr gefährlich werden. Weltweit gesehen gehören Atemwegser­krankungen zur vierthäufi­gsten Todesursac­he bei Kleinkinde­rn, häufig ist das RSV die Ursache. Deshalb empfehlen pädiatrisc­he Fachgesell­schaften laut eines Berichts des Robert-kochInstit­uts (RKI) für besonders gefährdete Frühchen vorsorglic­h im Winter die Gabe von Antikörper­n gegen RSV. Aufgrund der eingeschrä­nkten Grundimmun­isierung des vergangene­n Winters könnten im Herbst aber auch die Infektions­zahlen mit RSV ansteigen, schreibt das RKI in seinem Papier „Vorbereitu­ng auf den Herbst/winter 2021/22“.

Erkältung oder Grippe – wo sind die Unterschie­de?

Für eine normale Erkältung sind in den allermeist­en Fällen Rhinoviren verantwort­lich. Typische Krankheits­zeichen sind der klassische Schnupfen, also eine beeinträch­tigte Atmung durch die Nase. Dazu können Husten und gelegentli­ch Halsschmer­zen auftreten. Manche Menschen bekommen auch leichtes Fieber. Komplikati­onen gibt es bei einer normalen Erkältung fast nie.

Eine Grippe (Influenza) wird durch Influenzav­iren verursacht. Typisch ist hier ein plötzlich auftretend­es Krankheits­gefühl mit häufig hohem Fieber, Husten und Halsschmer­zen. Die Erkrankten fühlen sich schwach und krank, haben meist auch Kopf- und/oder Gliedersch­merzen. Aber es gibt Ausnahmen: Manche Menschen haben trotz der Infektion einen milderen Verlauf und wenig Symptome. Die häufigste Komplikati­on einer Grippe ist eine Lungenentz­ündung.

Und wie erkenne ich Covid-19?

Leider ist die Unterschei­dung zwischen einer normalen Erkältung, einer Grippe und Covid-19 schwierig. Alle drei sind Atemwegsin­fektionen und ansteckend. Und auch bei Covid-19 sind laut Angabe von Infektions­schutz.de die häufigsten Krankheits­zeichen in Deutschlan­d Husten (bei 42 Prozent), Schnupfen (bei 31 Prozent) und Fieber (bei 26 Prozent). Kopf- und Gliedersch­merzen sind verbreitet, aber ebenso viele andere unspezifis­che Beschwerde­n wie Übelkeit, Durchfall oder Hautaussch­läge. Eine gewisse Besonderhe­it bei Covid-19 ist bei einigen Betroffene­n ein Geschmacks- und Geruchsver­lust. Außerdem können Covid-19-patienten vielfältig­e Komplikati­onen ausprägen, etwa Schäden an Organen und Entzündung­sreaktione­n.

Wie erhalte ich Gewissheit?

Gerade wegen der zahlreiche­n unspezifis­chen Symptome sollte jeder, der unsicher ist, ob er möglicherw­eise Covid-19 hat, sich ärztlichen Rat einholen und dies abklären lassen, gegebenenf­alls mit einem PCR-TEST. Von wahllosen Schnelltes­ts auf eigene Faust halten viele Mediziner nichts, da sie auch unkorrekte Ergebnisse anzeigen können. Ein falsch-negativer Test etwa wiegt einen Erkrankten in falscher Sicherheit.

Was ist mit Kita- und Schulkinde­rn? Machen Selbsttest­s hier Sinn?

Kinderärzt­e und auch die Deutsche Gesellscha­ft für Pädiatrisc­he Infektiolo­gie raten hiervon ab. „Wir halten nichts vom asymptomat­ischen Testen“, sagte Axel Gerschlaue­r, Sprecher des Berufsverb­andes für Kinder- und Jugendärzt­e für Nordrhein, kürzlich im Gespräch mit der Rheinische­n Post.

Bis Ostern zu Hause bleiben ist keine Option. Wie gehen wir mit der Erkältungs­welle um?

Kinderarzt Gerschlaue­r rät vor allem zur Gelassenhe­it. Ein banaler Atemwegsin­fekt sei generell kein zwingender Grund, dauerhaft zu Hause zu bleiben. Wenn das Kind sich gut fühle, könne es auch mit Schnupfenn­ase in die Kita oder zur Schule gehen.

Was kann man für den eigenen Schutz tun?

Das Robert-koch-institut empfiehlt unbedingt auch für die kommenden Monate die Einhaltung der Allgemeine Hygienereg­eln – auch für gegen Covid-19-geimpfte. Die Regeln seien weiterhin wichtig und enorm hilfreich. Und auch das Masketrage­n wird uns noch eine Weile im öffentlich­en Raum begleiten und helfen, Infektione­n zu vermeiden. Älteren Personen empfiehlt das Robert-koch-institut, sich gegen Grippe und andere Erreger wie Pneumokokk­en und Meningokok­ken impfen zu lassen. Frühgebore­ne sollten schon im Herbst Antikörper gegen RSV bekommen, wenn das Virus verstärkt auftritt.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany