Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Was die CDU jetzt tun muss
Die Union hätte sich die Chancen auf Jamaika länger offenhalten können. Fünf Aufgaben, die für die CDU anstehen – in Berlin wie in NRW.
Die Union scheint in diesen Tagen ganz mit ihrer Selbstzerstörung beschäftigt. Dabei könnte sie längst beginnen, ihren Weg aus der Krise zu suchen.
Personelle Erneuerung
Auch nach der Wahl hat sich die Krise von CDU und CSU bisher vor allem an einer Person festgemacht, an Parteichef Armin Laschet. Tatsächlich geht das Wahlergebnis unter anderem auf Fehler in seinem Wahlkampf zurück. Darum ist es folgerichtig, dass er seine Bereitschaft zum Rückzug jetzt erklärt hat. Genauso richtig war aber auch, dass er dies nicht schon in der Phase der Vorsondierungen getan hat. Solange nicht klar war, welche Parteien sich zu echten Sondierungen zusammenfinden würden, hätte eine führungslose CDU nicht nur den Regierungsanspruch, sondern die Regierungsfähigkeit aufgegeben. Eigentlich hätte sich die Union die Chancen auf Jamaika auch länger offenhalten können und müssen. Doch dazu ist Laschet zu angeschlagen. Und CSU-CHEF Markus Söder zu wenig loyal.
Profil schärfen
„Programm für Stabilität und Erneuerung“lautete der Titel, den die Unionsparteien ihrem Wahlprogramm 2021 gegeben haben. Was wie eine gute Symbiose klingt, hat im Zweifel beide Seiten enttäuscht: die Konservativen und die Progressiven. Statt neue Akzente für eine Post-corona-zeit zu setzen, blieb der Fokus wieder auf alten Unions-themen wie Einhaltung der Schuldenbremse und
Vermeidung von Steuererhöhungen. Klimaschutz stellte sie zwar nach vorne, beschränkt sich aber dabei auf den Co2-preis als zentrales Element und versprach der Autoindustrie, alle Antriebsarten zu erhalten. Mit einem „Dreiklang“aus Klimaschutz, Wirtschaft und sozialem Ausgleich wolle man sich absetzen, betonte Laschet im Wahlkampf. Von allem ein bisschen hat die Wählerschaft offensichtlich aber eher abgeschreckt. Die Union täte gut daran, ihr Profil wieder zu schärfen: Wo sind die wertefundierten, konservativen Ideen, die trotzdem zukunftsorientiert sind? In der Familien-, Sicherheits- und Europapolitik sind noch Punkte zu holen.
Konzept für den Osten
Wieder haben im Osten Deutschlands mehr Menschen die AFD gewählt als CDU/CSU. In Sachsen und Thüringen wurde sie stärkste Kraft. In Brandenburg und MecklenburgVorpommern lag die AFD auf Platz zwei. Dass viele Menschen im Osten empfänglicher für die Botschaften rechtsextremer oder rechtspopulistischer Parteien sind, haben Politologen immer wieder betont und zeigen sich beunruhigt darüber, dass die AFD diesmal viele Direktmandate gewonnen und lokal gefestigte Strukturen hat. Genau da muss die CDU ansetzen, die (noch) in den meisten Ostländern regiert. Die AFD besetzt Milieus, die andere Parteien längst verlassen haben – dabei darf die CDU nicht tatenlos zusehen. Sie muss wieder als Kümmerer vor Ort auftreten, wenn sie als alternative Volkspartei wahrgenommen werden will. Sie muss sich inhaltlich wie personell sortieren, Geschlossenheit zeigen: Einen Hans-georg Maaßen aufzustellen, weil dieser mit Rechtsaußen liebäugelt, hilft nichts – da wählen viele lieber das „Original“. Es wird keine leichte Aufgabe für die Union, wieder etwas weiter rechts der Mitte zu rücken, und sich vom Rechtsextremismus klar abzugrenzen. Letzteres aber ist zwingend nötig.
Söder einhegen
Anscheinend hat Armin Laschet lange nicht wahrhaben wollen, dass er sich mit dem Sieg über Markus Söder bei der Kanzlerkandidatur einen politischen Erzfeind geschaffen hat. Söder hat schon vor der Wahl keine Gelegenheit ausgelassen, den eigenen Spitzenkandidaten zu beschädigen. Auch nach der Niederlage scheint die bayerische Zerstörungswut nicht gestillt und lässt jede politische Klugheit vermissen. Zeitgleich mit Laschet und im klaren Widerspruch zu ihm Jamaika für erledigt zu erklären, nützt zum Beispiel nur einem: Söder selbst. Die CDU muss die Schwesterpartei und deren Chef also einhegen. Dafür braucht es Souveränität und machtpolitischen Instinkt.
Auf NRW-WAHL konzentrieren
Die Bundestagswahl ist mittlerweile zwar vorbei, aber im kommenden Jahr stehen schon die nächsten Landtagswahlen an. Ende März 2022 müssen die Wahlberechtigten im Saarland an die Urnen, im Mai wird in Schleswig-holstein und Nordrhein-westfalen gewählt. In allen drei Bundesländern lagen bei der Bundestagswahl Rot-grün oder Rot-rot (Saarland) vorne. Im Mai findet der mit Abstand wichtigste Stimmungstest zwischen Rhein und Weser statt. Verliert die schwarz-gelbe Koalition, dürfte sich die Republik noch stärker rot einfärben. Natürlich achten die Wählerinnen und Wähler auf ein Gleichgewicht der Kräfte und sind gegen Mitte der Legislaturperiode oft mit der aktuellen Regierung unzufrieden. Doch dafür kommt die Wahl in Nordrhein-westfalen zu früh.
Im Augenblick fürchten viele in der CDU, dass das bevölkerungsreichste Bundesland verlorengeht. Das muss der designierte neue Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) mit aller Kraft verhindern. Die Aufgabe ist gewaltig. Als Person ist er weitgehend unbekannt, seine Koalition hat nur eine Stimme Mehrheit im Landtag. Die Bilanz der regierenden schwarz-gelben Koalition ist nicht schlecht. NRW hat in vielen Bereichen aufgeholt. Die Finanzen sind zwar angespannt, aber das lag vor allem an der Corona-krise. Gerade in der Verkehrs- und Industriepolitik hat die Regierung einiges geleistet, in der Schulpolitik weniger. Wichtig für die Mannschaft um den bisherigen Verkehrsminister Wüst ist ein Programm, wie es nun weitergeht: NRW muss im Bundesvergleich vorne liegen und nicht hinter den führenden Bundesländern Bayern, Hessen und BadenWürttemberg. Es muss exzellenter Produktions- und Forschungsstandort sein, eine gute Familien-, Integrations- und Gesundheitspolitik aufzeigen und vor allem die Förderung und Bildung der Jugend in den Vordergrund rücken. Damit könnte Wüst punkten. Sonst wird es eng für die CDU.