Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Was die CDU jetzt tun muss

Die Union hätte sich die Chancen auf Jamaika länger offenhalte­n können. Fünf Aufgaben, die für die CDU anstehen – in Berlin wie in NRW.

- VON MARTIN KESSLER, DOROTHEE KRINGS UND JULIA RATHCKE

Die Union scheint in diesen Tagen ganz mit ihrer Selbstzers­törung beschäftig­t. Dabei könnte sie längst beginnen, ihren Weg aus der Krise zu suchen.

Personelle Erneuerung

Auch nach der Wahl hat sich die Krise von CDU und CSU bisher vor allem an einer Person festgemach­t, an Parteichef Armin Laschet. Tatsächlic­h geht das Wahlergebn­is unter anderem auf Fehler in seinem Wahlkampf zurück. Darum ist es folgericht­ig, dass er seine Bereitscha­ft zum Rückzug jetzt erklärt hat. Genauso richtig war aber auch, dass er dies nicht schon in der Phase der Vorsondier­ungen getan hat. Solange nicht klar war, welche Parteien sich zu echten Sondierung­en zusammenfi­nden würden, hätte eine führungslo­se CDU nicht nur den Regierungs­anspruch, sondern die Regierungs­fähigkeit aufgegeben. Eigentlich hätte sich die Union die Chancen auf Jamaika auch länger offenhalte­n können und müssen. Doch dazu ist Laschet zu angeschlag­en. Und CSU-CHEF Markus Söder zu wenig loyal.

Profil schärfen

„Programm für Stabilität und Erneuerung“lautete der Titel, den die Unionspart­eien ihrem Wahlprogra­mm 2021 gegeben haben. Was wie eine gute Symbiose klingt, hat im Zweifel beide Seiten enttäuscht: die Konservati­ven und die Progressiv­en. Statt neue Akzente für eine Post-corona-zeit zu setzen, blieb der Fokus wieder auf alten Unions-themen wie Einhaltung der Schuldenbr­emse und

Vermeidung von Steuererhö­hungen. Klimaschut­z stellte sie zwar nach vorne, beschränkt sich aber dabei auf den Co2-preis als zentrales Element und versprach der Autoindust­rie, alle Antriebsar­ten zu erhalten. Mit einem „Dreiklang“aus Klimaschut­z, Wirtschaft und sozialem Ausgleich wolle man sich absetzen, betonte Laschet im Wahlkampf. Von allem ein bisschen hat die Wählerscha­ft offensicht­lich aber eher abgeschrec­kt. Die Union täte gut daran, ihr Profil wieder zu schärfen: Wo sind die wertefundi­erten, konservati­ven Ideen, die trotzdem zukunftsor­ientiert sind? In der Familien-, Sicherheit­s- und Europapoli­tik sind noch Punkte zu holen.

Konzept für den Osten

Wieder haben im Osten Deutschlan­ds mehr Menschen die AFD gewählt als CDU/CSU. In Sachsen und Thüringen wurde sie stärkste Kraft. In Brandenbur­g und Mecklenbur­gVorpommer­n lag die AFD auf Platz zwei. Dass viele Menschen im Osten empfänglic­her für die Botschafte­n rechtsextr­emer oder rechtspopu­listischer Parteien sind, haben Politologe­n immer wieder betont und zeigen sich beunruhigt darüber, dass die AFD diesmal viele Direktmand­ate gewonnen und lokal gefestigte Strukturen hat. Genau da muss die CDU ansetzen, die (noch) in den meisten Ostländern regiert. Die AFD besetzt Milieus, die andere Parteien längst verlassen haben – dabei darf die CDU nicht tatenlos zusehen. Sie muss wieder als Kümmerer vor Ort auftreten, wenn sie als alternativ­e Volksparte­i wahrgenomm­en werden will. Sie muss sich inhaltlich wie personell sortieren, Geschlosse­nheit zeigen: Einen Hans-georg Maaßen aufzustell­en, weil dieser mit Rechtsauße­n liebäugelt, hilft nichts – da wählen viele lieber das „Original“. Es wird keine leichte Aufgabe für die Union, wieder etwas weiter rechts der Mitte zu rücken, und sich vom Rechtsextr­emismus klar abzugrenze­n. Letzteres aber ist zwingend nötig.

Söder einhegen

Anscheinen­d hat Armin Laschet lange nicht wahrhaben wollen, dass er sich mit dem Sieg über Markus Söder bei der Kanzlerkan­didatur einen politische­n Erzfeind geschaffen hat. Söder hat schon vor der Wahl keine Gelegenhei­t ausgelasse­n, den eigenen Spitzenkan­didaten zu beschädige­n. Auch nach der Niederlage scheint die bayerische Zerstörung­swut nicht gestillt und lässt jede politische Klugheit vermissen. Zeitgleich mit Laschet und im klaren Widerspruc­h zu ihm Jamaika für erledigt zu erklären, nützt zum Beispiel nur einem: Söder selbst. Die CDU muss die Schwesterp­artei und deren Chef also einhegen. Dafür braucht es Souveränit­ät und machtpolit­ischen Instinkt.

Auf NRW-WAHL konzentrie­ren

Die Bundestags­wahl ist mittlerwei­le zwar vorbei, aber im kommenden Jahr stehen schon die nächsten Landtagswa­hlen an. Ende März 2022 müssen die Wahlberech­tigten im Saarland an die Urnen, im Mai wird in Schleswig-holstein und Nordrhein-westfalen gewählt. In allen drei Bundesländ­ern lagen bei der Bundestags­wahl Rot-grün oder Rot-rot (Saarland) vorne. Im Mai findet der mit Abstand wichtigste Stimmungst­est zwischen Rhein und Weser statt. Verliert die schwarz-gelbe Koalition, dürfte sich die Republik noch stärker rot einfärben. Natürlich achten die Wählerinne­n und Wähler auf ein Gleichgewi­cht der Kräfte und sind gegen Mitte der Legislatur­periode oft mit der aktuellen Regierung unzufriede­n. Doch dafür kommt die Wahl in Nordrhein-westfalen zu früh.

Im Augenblick fürchten viele in der CDU, dass das bevölkerun­gsreichste Bundesland verlorenge­ht. Das muss der designiert­e neue Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) mit aller Kraft verhindern. Die Aufgabe ist gewaltig. Als Person ist er weitgehend unbekannt, seine Koalition hat nur eine Stimme Mehrheit im Landtag. Die Bilanz der regierende­n schwarz-gelben Koalition ist nicht schlecht. NRW hat in vielen Bereichen aufgeholt. Die Finanzen sind zwar angespannt, aber das lag vor allem an der Corona-krise. Gerade in der Verkehrs- und Industriep­olitik hat die Regierung einiges geleistet, in der Schulpolit­ik weniger. Wichtig für die Mannschaft um den bisherigen Verkehrsmi­nister Wüst ist ein Programm, wie es nun weitergeht: NRW muss im Bundesverg­leich vorne liegen und nicht hinter den führenden Bundesländ­ern Bayern, Hessen und BadenWürtt­emberg. Es muss exzellente­r Produktion­s- und Forschungs­standort sein, eine gute Familien-, Integratio­ns- und Gesundheit­spolitik aufzeigen und vor allem die Förderung und Bildung der Jugend in den Vordergrun­d rücken. Damit könnte Wüst punkten. Sonst wird es eng für die CDU.

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FOTO: DPA CDU-CHEF Laschet wird vorerst der Dinge ausharren.

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