Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Auf die Köpfe kommt es an
ANALYSE Die schwarz-gelbe Nrw-landesregierung strebt mit neuem Ministerpräsidenten eine zweite Amtszeit an. Die SPD hat wie die Grünen Rückenwind vom Bund. Die Ausgangslage der Parteien sechs Monate vor der Landtagswahl.
CDU Der neue Nrw-landesvorsitzende Hendrik Wüst hat in seiner Bewerbungsrede auf dem Wahlparteitag in Bielefeld gesagt, die CDU müsse sich wieder stärker mit den Problemen der Menschen beschäftigen. Kurz darauf hat er eine Art Zuhör-tour ins Leben gerufen („Weil Du zählst“). Die Partei startet mit einem Umfrage-rückstand in den Landtagswahlkampf. Aus Sorge, dass das Hickhack um den Führungsanspruch im Konrad-adenauer-haus einen Schatten auf die Wahlkämpfer in NRW werfen könnte, hört man aus dem Landesverband den Ruf nach einer einvernehmlichen, schnellen Lösung für die Nachfolge von Armin Laschet. Dabei dürfte die CDU vor allem auf ihre Kernklientel abzielen und beispielsweise mit Innenminister Herbert Reul den starken Law-and-orderMann nach vorne schieben. Geschickt von Wüst war, dass er im Kabinett weitgehend alles beim Alten ließ. So wird der 46-Jährige die Erfolgsprojekte der Regierung für sich im Wahlkampf vereinnahmen. Wird die Landtagswahl zur Persönlichkeitswahl, läge Wüst im Augenblick vor seinem Herausforderer von den Sozialdemokraten.
SPD Die SPD war die erste Landespartei, die ihre Spitzenpersonalie geklärt hatte: Thomas Kutschaty, ehemaliger NRWJustizminister, soll neuer Ministerpräsident von Nordrhein-westfalen werden. Der 53-Jährige setzte sich nach einem internen Machtkampf gegen den Landesvorsitzenden Sebastian Hartmann durch und ist damit gleichzeitig auch Landesund Fraktionschef seiner Partei. Noch wenige Wochen vor der Bundestagswahl galt die SPD wegen niedriger Umfragewerte als chancenlos gegen Armin Laschet. Doch mit dem Niedergang der CDU im Bund und dem Wiedererstarken der SPD sind auch die Chancen in NRW für Kutschaty gewachsen. Jüngsten Umfragen zufolge liegt die Partei in NRW deutlich vor der CDU und den Grünen.
GRÜNE Still und heimlich haben die Grünen in NRW das Konzept aus dem Bund wiederholt: Die Aufstellung der Spitzenkandidatin Mona Neubaur erfolgte, ohne dass Details nach außen drangen. Zeitgleich mit ihrer Kandidatin präsentierten die Grünen ein detailliertes Wahlprogramm („Von hier an Zukunft“). Bei dessen Erstellungsprozess wurden Gespräche auch mit Konzernlenkern und Industriegewerkschaftern geführt, die klassischerweise nicht zur Wählerklientel gehören. Diese Öffnung birgt das Risiko, die Klimabewegung zu verschrecken. Die ist zuletzt extrem kritisch mit den Grünen ins Gericht gegangen, weil die Partei bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin bislang hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Bei der Frage nach dem Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt heißt es, dass man in der nächsten Regierung eine „führende Rolle“einnehmen wolle, sagt Neubaur.
FDP Die FDP in NRW hat noch immer nicht geschafft, sich aus dem Schatten von Christian Lindner zu lösen. Jüngsten Umfragen zufolge kennen nur wenige Wähler seinen Nachfolger an der Spitze der Landespartei, Joachim Stamp. Als besondere Bürde erweist sich für die FDP in der Pandemie die Verantwortung für das Schulministerium. Fdp-ministerin Yvonne Gebauer schlägt überwiegend Kritik entgegen für ihr Corona-management. Der dritte Fdp-minister, Andreas Pinkwart ( Wirtschaft), hat damit zu kämpfen, dass die Digitalisierung nicht so schnell vorankommt wie erhofft. Vor den Liberalen liegt nun im Wahlkampf die schwierige Aufgabe, sich im Land vom Wahlverlierer CDU zu distanzieren, ohne die bisher meist gemeinsam getragene Regierungspolitik in NRW zu verraten.
AFD Schon bei der vergangenen Landtagswahl in NRW blieb die AFD unter ihren Erwartungen: Mit 7,4 Prozent Stimmenanteil schaffte es die damals junge Partei erstmals ins Düsseldorfer Parlament – und das in der Zeit der Flüchtlingskrise, wo sie insgesamt ihren Höhenflug erlebte. Doch die Gemengelage in NRW war und ist eine andere, vor allem parteiintern. Damals wie heute bekämpfen sich die beiden Hauptströmungen der vermeintlich Gemäßigten und der äußerst Rechten – je mit wechselnden Gesichtern. Immerhin hinter dem Spitzenkandidaten für 2022, Fraktionschef Markus Wagner, scheinen die Reihen intern geschlossen: Gewählt wurde der 57-jährige Unternehmer kürzlich mit etwas über der Hälfte der Stimmen im ersten Versuch. Bei der Bundestagswahl erreichte die AFD 7,1 Prozent, in NRW liegt sie in Umfragen ebenfalls bei 7 Prozent. Im Dezember soll ein neuer Landesvorstand gewählt, im Februar das Wahlprogramm verabschiedet werden.
Wird die Landtagswahl zur Persönlichkeitswahl, läge Wüst im Augenblick vor seinem Herausforderer Thomas Kutschaty
Linke 2017 hatte die Linke in NRW lange zittern müssen – und ist letztlich denkbar knapp mit 4,9 Prozent am Einzug ins Parlament vorbeigeschrammt. Seither steckt die Linkspartei in NRW, der mitgliederstärkste Landesverband und die Hochburg des linken Parteiflügels, tief in der Krise. Die Kommunalwahlen 2020 war ein Desaster, selbst von der jungen Stammwählerschaft erhielt man nur sechs Prozent, insgesamt sogar nur 3,8 Prozent. Der Landesverband scheint ratlos und gespalten, zum einen ist da das Sahra-wagenknecht-lager, zum anderen die innerparteilichen Zusammenschlüsse, die für Kritik sorgten. Weil der Verfassungsschutz in NRW 2015 Anhaltspunkte für eine linksextremistische Bestrebung sah, stehen Teile der Partei unter dessen Beobachtung. Mit welchem Personal die Linken an den Start gehen, wird sich zeigen, über das Wahlprogramm will der Landesverband auf einem Parteitag im Dezember befinden.