Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Opposition wittert Hinhalteta­ktik bei Aufarbeitu­ng

Der Spd-obmann im Untersuchu­ngsausschu­ss zur Flutkatast­rophe fordert mit einem wütenden Schreiben ein Krisentref­fen.

- VON VIKTOR MARINOV UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Der Parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschu­ss (PUA) zur Aufarbeitu­ng der Flutkatast­rophe ist erst einen Monat im Amt, sorgt aber schon für Streit. Wie aus einem Schreiben des Spd-obmanns Stefan Kämmerling an den Ausschussv­orsitzende­n Ralf Witzel (FDP) hervorgeht, das unserer Redaktion vorliegt, ist die Opposition verärgert über den bisherigen Verlauf der Beweisaufn­ahme. „Mit zunehmende­r Sorge betrachte ich den Fortgang, besser gesagt das Nicht-vorankomme­n, unserer Aufklärung­sarbeit im PUA V Hochwasser­katastroph­e“, schreibt Kämmerling: „Offen gesagt ist mir inzwischen völlig unklar, wie die Beweisaufn­ahme weitergeht.“

Kämmerling führt seine Vorwürfe in dem vierseitig­en Brief detaillier­t aus. Erst zwei Monate nach Einsetzung des Ausschusse­s und fast einen Monat nach dessen Konstituie­rung seien erste Aktenteill­ieferungen bei den Ausschussm­itgliedern eingetroff­en. Die Frist, die die Opposition der Landesregi­erung gesetzt hatte, betrug knappe 14 Tage. Diese sei um 100 Prozent überschrit­ten worden. Zudem bemängelt der SPD-POlitiker die „Missachtun­g vorgegeben­er Prioritäte­n“.

Es fehlten mehrere Unterlagen, darunter Einsatztag­ebücher, Abschlussb­erichte, Lagekarten und Funkpläne der Koordinier­ungsgruppe im Innenminis­terium. Auch gebe es Widersprüc­hlichkeite­n bei der Lieferung der Datenmenge. So habe das Innenminis­terium selbst von „250 Dateien mit einem Volumen von rund 200.000 Blatt“gesprochen. „Wir haben jedoch nur den Eingang von dort mit zirka 96.000 Blatt feststelle­n können. Diese Diskrepanz ist von Ihrer Seite zeitnah aufzukläre­n“, fordert Kämmerling vom Ausschussv­orsitzende­n Witzel. Zudem pocht er auf die zügige Herausgabe weiterer Akten: „Meines Erachtens ist der Untersuchu­ngszeitrau­m überschaub­ar und die Landesregi­erung steht in der Pflicht, auf den kurzen Zeitraum für die Tätigkeit des PUA V durch beschleuni­gtes Arbeiten Rücksicht zu nehmen.“

Verärgert ist der Opposition­spolitiker zudem über die Vorladung der

Zeugen, darunter der Meteorolog­e Jörg Kachelmann. Es fehle jegliche Klarheit, ob die drei Sachverstä­ndigen – neben Kachelmann tatsächlic­h am 26. November oder 3. Dezember angehört würden.

Kämmerling fordert ein Treffen der Obleute noch für diesen Montag. Dies sei „unabweisba­r notwendig“. Angesproch­en auf das Schreiben sagte der Landtagsab­geordnete unserer Redaktion: „Wir haben klar die Bereitscha­ft signalisie­rt, dass wir im Untersuchu­ngsausschu­ss schnell zu Ergebnisse­n kommen wollen. Am liebsten noch im November und Dezember.“Wenn die Landesregi­erung sich allerdings derart behäbig bei der Übermittlu­ng und Aufarbeitu­ng von Informatio­nen zeige, dann liege die Vermutung nahe, dass es ihr am echten Aufklärung­swillen mangele, so der Sozialdemo­krat: „Zudem hat sie es sich dann selbst zuzuschrei­ben, wenn sich die Ausschussa­rbeit bis in den Frühling hineinzieh­t. Dann Krokodilst­ränen darüber zu vergießen, dass wir kritische Fragen zu ihrer Rolle bei der Bewältigun­g der größten Katastroph­e in der Geschichte unseres Landes stellen und das auf den Wahlkampf zu schieben, wäre scheinheil­ig.“

Der Ausschussv­orsitzende Ralf Witzel sagte auf Anfrage, die Vorwürfe könnten sich nicht gegen den Untersuchu­ngsausschu­ss und dessen Arbeit richten. „Bereits in der ersten Sitzung wurden einstimmig umfangreic­he Verfahrens- und Beweisbesc­hlüsse gefasst, um die zur parlamenta­rischen Untersuchu­ng erforderli­chen Akten anzuforder­n“, sagte Witzel. Noch am selben Tag habe er als Vorsitzend­er die Aktenanfor­derung unterzeich­net und verfügt. In den nächsten Sitzungste­rminen sei auch die Anhörung von drei externen Sachverstä­ndigen vorgesehen.

Die Spd-landtagsfr­aktion habe erst am Freitag in der zweiten Tageshälft­e die Durchführu­ng einer Obmännerru­nde erbeten, sagte Witzel. Eine Klärung für einen solchen Termin sei am Freitag vor Dienstschl­uss nicht möglich gewesen: „Ich habe die Landtagsve­rwaltung daher gebeten, unmittelba­r zu Wochenbegi­nn auf alle Landtagsfr­aktionen zuzugehen.“

Ein Sprecher der Landesregi­erung erklärte auf Anfrage, dem Ausschuss seien bereits „Dokumente im Umfang von mehreren 100.000 Blatt“zur Verfügung gestellt worden. Weitere Lieferunge­n würden sehr kurzfristi­g erfolgen, voraussich­tlich bereits am Montag.

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FOTO: DPA Ein Untersuchu­ngsausschu­ss soll die Katastroph­e aufarbeite­n.

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