Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Opposition wittert Hinhaltetaktik bei Aufarbeitung
Der Spd-obmann im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe fordert mit einem wütenden Schreiben ein Krisentreffen.
DÜSSELDORF Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) zur Aufarbeitung der Flutkatastrophe ist erst einen Monat im Amt, sorgt aber schon für Streit. Wie aus einem Schreiben des Spd-obmanns Stefan Kämmerling an den Ausschussvorsitzenden Ralf Witzel (FDP) hervorgeht, das unserer Redaktion vorliegt, ist die Opposition verärgert über den bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme. „Mit zunehmender Sorge betrachte ich den Fortgang, besser gesagt das Nicht-vorankommen, unserer Aufklärungsarbeit im PUA V Hochwasserkatastrophe“, schreibt Kämmerling: „Offen gesagt ist mir inzwischen völlig unklar, wie die Beweisaufnahme weitergeht.“
Kämmerling führt seine Vorwürfe in dem vierseitigen Brief detailliert aus. Erst zwei Monate nach Einsetzung des Ausschusses und fast einen Monat nach dessen Konstituierung seien erste Aktenteillieferungen bei den Ausschussmitgliedern eingetroffen. Die Frist, die die Opposition der Landesregierung gesetzt hatte, betrug knappe 14 Tage. Diese sei um 100 Prozent überschritten worden. Zudem bemängelt der SPD-POlitiker die „Missachtung vorgegebener Prioritäten“.
Es fehlten mehrere Unterlagen, darunter Einsatztagebücher, Abschlussberichte, Lagekarten und Funkpläne der Koordinierungsgruppe im Innenministerium. Auch gebe es Widersprüchlichkeiten bei der Lieferung der Datenmenge. So habe das Innenministerium selbst von „250 Dateien mit einem Volumen von rund 200.000 Blatt“gesprochen. „Wir haben jedoch nur den Eingang von dort mit zirka 96.000 Blatt feststellen können. Diese Diskrepanz ist von Ihrer Seite zeitnah aufzuklären“, fordert Kämmerling vom Ausschussvorsitzenden Witzel. Zudem pocht er auf die zügige Herausgabe weiterer Akten: „Meines Erachtens ist der Untersuchungszeitraum überschaubar und die Landesregierung steht in der Pflicht, auf den kurzen Zeitraum für die Tätigkeit des PUA V durch beschleunigtes Arbeiten Rücksicht zu nehmen.“
Verärgert ist der Oppositionspolitiker zudem über die Vorladung der
Zeugen, darunter der Meteorologe Jörg Kachelmann. Es fehle jegliche Klarheit, ob die drei Sachverständigen – neben Kachelmann tatsächlich am 26. November oder 3. Dezember angehört würden.
Kämmerling fordert ein Treffen der Obleute noch für diesen Montag. Dies sei „unabweisbar notwendig“. Angesprochen auf das Schreiben sagte der Landtagsabgeordnete unserer Redaktion: „Wir haben klar die Bereitschaft signalisiert, dass wir im Untersuchungsausschuss schnell zu Ergebnissen kommen wollen. Am liebsten noch im November und Dezember.“Wenn die Landesregierung sich allerdings derart behäbig bei der Übermittlung und Aufarbeitung von Informationen zeige, dann liege die Vermutung nahe, dass es ihr am echten Aufklärungswillen mangele, so der Sozialdemokrat: „Zudem hat sie es sich dann selbst zuzuschreiben, wenn sich die Ausschussarbeit bis in den Frühling hineinzieht. Dann Krokodilstränen darüber zu vergießen, dass wir kritische Fragen zu ihrer Rolle bei der Bewältigung der größten Katastrophe in der Geschichte unseres Landes stellen und das auf den Wahlkampf zu schieben, wäre scheinheilig.“
Der Ausschussvorsitzende Ralf Witzel sagte auf Anfrage, die Vorwürfe könnten sich nicht gegen den Untersuchungsausschuss und dessen Arbeit richten. „Bereits in der ersten Sitzung wurden einstimmig umfangreiche Verfahrens- und Beweisbeschlüsse gefasst, um die zur parlamentarischen Untersuchung erforderlichen Akten anzufordern“, sagte Witzel. Noch am selben Tag habe er als Vorsitzender die Aktenanforderung unterzeichnet und verfügt. In den nächsten Sitzungsterminen sei auch die Anhörung von drei externen Sachverständigen vorgesehen.
Die Spd-landtagsfraktion habe erst am Freitag in der zweiten Tageshälfte die Durchführung einer Obmännerrunde erbeten, sagte Witzel. Eine Klärung für einen solchen Termin sei am Freitag vor Dienstschluss nicht möglich gewesen: „Ich habe die Landtagsverwaltung daher gebeten, unmittelbar zu Wochenbeginn auf alle Landtagsfraktionen zuzugehen.“
Ein Sprecher der Landesregierung erklärte auf Anfrage, dem Ausschuss seien bereits „Dokumente im Umfang von mehreren 100.000 Blatt“zur Verfügung gestellt worden. Weitere Lieferungen würden sehr kurzfristig erfolgen, voraussichtlich bereits am Montag.