Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Lockdown für Ungeimpfte in Österreich

Seit Tagen ist davon die Rede, jetzt wird es Ernst: Nicht Immunisier­te dürfen in Österreich ihr Zuhause nur noch aus dringenden Gründen verlassen. Ein Ziel scheint schon erreicht: Die Impfbereit­schaft wächst deutlich.

-

WIEN (dpa) Im Kampf gegen die vierte Welle der Corona-pandemie gilt in Österreich von diesem Montag an ein Lockdown für Ungeimpfte. Das beschlosse­n Bundeskanz­ler Alexander Schallenbe­rg und die Regierungs­chefs der Länder am Sonntag in Wien. Die weitreiche­nden Ausgangsbe­schränkung­en sind zunächst auf zehn Tage befristet. Betroffen sind etwa zwei Millionen Menschen. Die Polizei will eigens Streifen abstellen, um die Einhaltung der Vorschrift­en zu überwachen. Bei Verstößen drohen bis zu 1450 Euro Strafe.

Wer weder geimpft noch genesen ist, darf das Haus oder die Wohnung nur noch aus dringenden Gründen verlassen – etwa für Einkäufe des täglichen Bedarfs, für den Weg zur Arbeit, den Besuch beim Arzt oder zum für nötig erachteten Spaziergan­g. Ziel sei, die Impfbereit­schaft zu erhöhen und die sozialen Kontakte um etwa 30 Prozent zu verringern, sagte Gesundheit­sminister Wolfgang Mückstein.

Die Sieben-tage-inzidenz pro 100.000 Einwohner ist in Österreich inzwischen auf rund 815 gestiegen. Für Schüler gilt der Lockdown nicht. „In den Schulen geht es so weiter wie bisher“, sagte Schallenbe­rg mit Blick darauf, dass mehrere Tests pro Woche dort schon üblich sind. „Wir setzen den Schritt nicht leichten Herzens“, versichert­e der Kanzler. Die Zahlen seien aber eindeutig.

Unter den Ungeimpfte­n betrage die Sieben-tage-inzidenz pro 100.000 Einwohner mehr als 1700, so Schallenbe­rg. Es gelte nun mit aller Kraft, die „beschämend niedrige“Impfquote von etwa 65 Prozent zu erhöhen: „Mit dieser Impfquote werden wir im Teufelskre­is steckenble­iben.“Österreich hat knapp neun Millionen Einwohner. Der Kanzler sagte weiter, die Maßnahmen seitens der Bundesregi­erung seien die „Unterkante“der Möglichkei­ten. Den Ländern stünde frei, strengere Regeln zu erlassen.

Schon jetzt sind die Einschränk­ungen für Ungeimpfte groß – etwa durch die 3G-regel (geimpft, genesen oder getestet) am Arbeitspla­tz und die 2G-regel (geimpft oder genesen) im öffentlich­en Leben. Aufgrund der seit Anfang November geltenden Verschärfu­ngen stieg die Zahl der Impfungen sprunghaft an und liegt nun wieder auf dem Niveau von Juli. Wer sich zu einer Erstimpfun­g entschließ­t, kann sich mit anschließe­nden Pcr-tests aus dem Lockdown freitesten.

Nach einem Stufenplan der Regierung sollte der Lockdown für Ungeimpfte eigentlich erst bei einer Zahl von 600 belegten Intensivbe­tten kommen. Aktuell sind nach Angaben der Behörden 433 Plätze belegt. Wegen der Dynamik bei den Infektions­zahlen zog die Regierung den Schritt nun aber vor. Um eine zu starke Belastung der Kliniken zu vermeiden, fordern Experten einen Lockdown für alle. Das will die Regierung vermeiden. Es soll verhindert werden, dass die Impfbereit­schaft wieder sinkt.

Auch Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen hatte sich in die Diskussion eingeschal­tet. „Die Stimmung in unserer Bevölkerun­g reicht angesichts extrem steigender Zahlen von Depression und Sorge um das wirtschaft­liche Fortkommen bis zu wechselsei­tigem Unverständ­nis und Aggression“, schrieb das Staatsober­haupt auf Facebook. Das Land brauche angesichts der bedrohlich­en Situation Klarheit und vielleicht auch unbequeme Maßnahmen.

Die rechte FPÖ macht unterdesse­n weiter massiv Front gegen die Corona-maßnahmen der Regierung. Als Reaktion auf den beschlosse­nen Lockdown für Ungeimpfte rief FPÖ-CHEF Herbert Kickl am Sonntag zu einer Demonstrat­ion am nächsten Samstag in Wien auf. Das Land habe nun ein „CoronaApar­theidssyst­em“, schrieb Kickl auf Facebook. Außerdem kündigte er wegen Missachtun­g von Grundund Freiheitsr­echten eine Klage beim Verfassung­sgerichtsh­of an.

Die FPÖ prangert seit Langem die Einschränk­ungen an und kritisiert die Impfstrate­gie. Kickl sprach von „experiment­ellen Impfstoffe­n“und empfahl ein Anti-parasiten-mittel zur Behandlung von Covid-19. Die Rechtspopu­listen kommen in Österreich bei Umfragen auf rund 20 Prozent.

Deutschlan­d hat Österreich wieder zum Corona-hochrisiko­gebiet erklärt. Damit müssen Reisende und Pendler seit Sonntag verschärft­e Regeln beachten. Wer nicht geimpft oder genesen ist, muss bei der Rückkehr nach Deutschlan­d mindestens für fünf Tage in Quarantäne.

 ?? FOTO: GEORG HOCHMUTH/APA/DPA ?? Ein Mann erhält in einer Langstreck­enmaschine vom Typ Boeing 777 am Rollfeld des Flughafens Wien-schwechat eine Corona-impfung.
FOTO: GEORG HOCHMUTH/APA/DPA Ein Mann erhält in einer Langstreck­enmaschine vom Typ Boeing 777 am Rollfeld des Flughafens Wien-schwechat eine Corona-impfung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany