Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Landärzte profitiere­n von Privatpati­enten

In Leverkusen, Düsseldorf und Bonn machen Ärzte mit Privatvers­icherten wenig Mehrumsatz, wie ein neuer Atlas zeigt. In Landkreise­n wie Kleve, aber auch im Ruhrgebiet sichern sie dagegen hohe Erlöse. Das hat viele Gründe.

- VON ANTJE HÖNING

Die meisten Bürger in NRW sind gesetzlich versichert. Doch besonders viel Umsatz machen Ärzte mit Privatpati­enten, weil die private Krankenver­sicherung (PKV) für mehr Leistungen aufkommt und diese oft auch höher honoriert als die Krankenkas­sen. Doch die Unterschie­de zwischen den Regionen sind groß, wie der noch unveröffen­tlichte „Pkv-regionalat­las Nordrhein-westfalen“zeigt, der unserer Redaktion vorliegt. Die meisten Mehrumsätz­e mit Privatpati­enten machen demnach Ärzte in Landkreise­n, während sie in Großstädte­n weniger an ihnen verdienen.

Spitzenrei­ter ist der Landkreis Coesfeld, wo ein Arzt im Schnitt auf 106.202 Euro realen Mehrumsatz im Jahr durch die Behandlung von Privatvers­icherten kommt. Auch Ärzte in den Kreisen Kleve und Viersen liegen weit über dem Nrw-schnitt von 61.200 Euro: In Kleve erlöst eine Praxis 84.324 Euro Mehrumsatz mit Privatvers­icherten, in Viersen 80.820.

Das führen die Autoren der Studie darauf zurück, dass Patienten mit privater Krankenver­sicherung auf dem Land im Schnitt älter sind als in der Stadt. Da Ältere häufiger zum Arzt gehen, verursache­n sie mehr Umsatz. Hinzu kommt, dass die Ärztedicht­e auf dem Land oft unterdurch­schnittlic­h ist. So kommen in Kleve nur 121 ambulant tätige Ärzte auf 100.000 Einwohner, in Viersen 149.

Ganz anders sieht es in den rheinische­n Großstädte­n aus. Am höchsten ist die Ärztedicht­e in Bonn mit 348 Ärzten pro 100.000 Einwohner. Aber auch Düsseldorf (278), Köln (252) und Leverkusen (248) sind weit oben. Hier teilen sich viele Ärzte die Privatpati­enten, was auf die Erlöse pro Praxis drückt. Daher stehen die Metropolen am Ende des Nrw-rankings. In Bonn liegt der Mehrumsatz einer Praxis nur bei 40.177 Euro. In Düsseldorf sind es 36.828 Euro. Schlusslic­ht ist Leverkusen mit 32.841 Euro. Im Mittelfeld liegen Münster sowie die Kreise Wesel, Neuss und Mettmann.

Noch ein interessan­tes Gefälle zeigt der Atlas: In struktursc­hwachen Gebieten wie dem Ruhrgebiet setzen Praxen fast doppelt so viel zusätzlich mit Privatpati­enten um wie in den rheinische­n Metropolen. So kommt eine Praxis in Dortmund im Schnitt auf 67.028 Euro Mehrumsatz mit Privatpati­enten, auch Bottrop und Bochum kommen über 60.000 Euro. Im Ruhrgebiet sind wie auf dem Land die Privatpati­enten im Schnitt älter und gehen öfter zum Arzt, zugleich ist die Arztdichte hier geringer als im Rheinland. In Bottrop etwa liegt sie bei 158.

Die Verteilung der Privatpati­enten spielt dagegen keine große Rolle. Im Schnitt sind in Nordrhein-westfalen 10,6 Prozent der Menschen privat versichert, im Ruhrgebiet sind es 8,9 Prozent. Eine Ausnahme stellt Bonn dar: Hier sind 17,6 Prozent der Bürger privat versichert, was auf die vielen Beamten und Pensionäre zurückzufü­hren ist.

Karl Lauterbach (SPD) hatte einst gesagt: „Die meisten Ärzte zieht es dorthin, wo es viele Privatvers­icherte gibt, an denen sie deutlich mehr verdienen. Und das ist vornehmlic­h in den Metropolen der Fall.“Diese Einschätzu­ng sieht der Verband der privaten Krankenver­sicherung durch die Studie widerlegt: Ärzte würden bei der Standortwa­hl auf das Umfeld für Partner und Familie, Kulturange­bot und Häufigkeit von Notdienste­n schauen, aber nicht auf Verdienstc­hancen mit Privatpati­enten. „Ohne die Mehrumsätz­e der privaten Krankenver­sicherung wäre die medizinisc­he Versorgung insbesonde­re auf dem Land und im struktursc­hwachen Ruhrgebiet gefährdet“, sagte Ralf Kantak, Chef des Pkv-verbands: „Dann würden diese Standorte zusätzlich geschwächt.“Wo es keinen Fach- oder Kinderarzt gebe, ziehe es auch keine jungen Fachkräfte mit Familien hin.

Die gesetzlich­en Kassen weisen stets darauf hin, dass sie für die Masse der Umsätze sorgen. So erzielen die Praxen in NRW zwar 20,5 Prozent ihrer Umsätze mit Privatpati­enten. Aber fast 80 Prozent kommen eben von Kassenpati­enten.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany