Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Angehende Erzieher in NRW sollen Hartz IV beantragen

- VON SINA ZEHRFELD

In NRW dauert es derzeit im Schnitt 161 Tage, bis Anträge auf das „Aufstiegs-bafög“für die Ausbildung zum Erzieher bearbeitet sind. Angehende Erzieherin­nen und Erzieher in einer vollzeitsc­hulischen Ausbildung – beispielsw­eise in der Erzieherau­sbildung am Berufskoll­eg – müssen demnach über fünf Monate lang ohne Einkommen zusehen, wie sie über die Runden kommen. Das geht aus der Antwort von Landesbild­ungsminist­erin Yvonne Gebauer (FDP) auf eine kleine Anfrage der SPD hervor.

Die Lösung, die Gebauer in dem Papier vorschlägt: „Für eine Übergangsz­eit besteht die Möglichkei­t, einen Hauptantra­g auf ALG-II-LEIStungen beim zuständige­n Jobcenter zu stellen.“Die Auszubilde­nden müssten also mit allem Aufwand, der dazu gehört, Grundsiche­rung beantragen – und später wieder zurückzahl­en, wenn das Bafög-geld fließt.

„Das ist alles andere als wertschätz­end“, sagt Dennis Maelzer, familienpo­litischer Sprecher der Spd-fraktion im Landtag. „Wir reden die ganze Zeit davon, dass wir Fachkräfte­bedarf haben. Wir müssen alles tun, um welche zu gewinnen. Und dann sagen wir den angehenden Erziehern: Beantragt doch mal Hartz IV? Das passt für mich nicht in die Welt.“Zudem würden die Bearbeitun­gszeiten immer länger, bemängelt er. So lagen sie rückblicke­nd aufs Schuljahr 2021/2022 noch bei etwas über vier Monaten, im Jahr 2020/2021 waren es drei Monate.

Die Ausführung­en von Gebauer lassen schlussfol­gern, dass das an der Organisati­on in der Verwaltung liegt. Demnach landen nämlich die Aufstiegs-bafög-anträge aus allen Berufsgrup­pen und aus ganz NRW in einem Dezernat der Bezirksreg­ierung Köln, das sie in alleiniger Zuständigk­eit prüft und die Leistungen festsetzt. Im Jahr 2020 seien es – nach einer Gesetzesän­derung, die für mehr Fälle gesorgt hat – mehr als 28.000 Vorgänge gewesen. Da reichte das Personal nicht mehr. Im Nachbarlan­d Hessen beispielsw­eise sind laut Gebauer fünf Studierend­enwerke mit der Aufgabe befasst – bei gerade mal rund 10.600 Fällen im selben Jahr. Zudem habe es in der Behörde in Köln viel Fluktuatio­n in der Belegschaf­t gegeben. Aber inzwischen sei die Mehrzahl der vakanten Stellen nachbesetz­t, und man habe weitere „Maßnahmen“zur Beschleuni­gung der Antragsbea­rbeitung eingeleite­t.

Nach den Zahlen der Landesregi­erung haben im Schuljahr 2020/2021 rund 2500 Berechtigt­e die Förderung für ihre Vollzeit-ausbildung zum Erzieher in Anspruch genommen, im Jahr 2021/2022 waren es rund 2800 Personen. Erzieher werden in NRW händeringe­nd gesucht: Kitas sind unterbeset­zt, für den offenen Ganztag an Grundschul­en wird sich in den kommenden Jahren ein gewaltiger Bedarf auftun.

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