Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kämpferisch, links, erste Reihe
Der Bundeskongress wählt Yasmin Fahimi zur ersten Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Die 54-jährige Chemikerin schlägt gleich harte Töne an.
Yasmin Fahimi ist die Erste, wieder einmal: Sie ist die erste Frau, die es an die Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) geschafft hat. Beim Dgb-bundeskongress erhielt die 54-Jährige am Montag 93,2 Prozent der Stimmen. Von nun an ist sie die wichtigste Stimme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland. Zusammen mir ihrem Lebensgefährten Michael Vassiliadis, der Chef der Chemie-gewerkschaft IG BCE ist, ist sie Teil des mächtigsten Paars in der deutschen Wirtschaft.
Das alles war Fahimi nicht gerade in die Wiege gelegt, als sie am Weihnachtstag im Jahr 1967 in Hannover auf die Welt kam. Sie wuchs als Kind einer alleinerziehenden Mutter auf. Ihr Vater war ein Chemiker, der aus dem Iran stammte; er starb noch vor ihrer Geburt bei einem Autounfall. Ihre Mutter ist Deutsche und Sozialpädagogin.
Fahimi interessierte sich früh für Naturwissenschaften und studierte in den 80er-jahren Elektrotechnik. Frauen in diesem klassischen Männerfach – das war damals noch mehr als heute eine Seltenheit. Fahimi musste sich durchsetzen. Später wechselte sie das Fach und studierte Chemie. Ein früherer Lehrer soll ihr gesagt haben, dass sie es nicht schaffen werde. Das war für die junge Frau Ansporn zu beweisen, dass sie es doch kann: Als Diplom-chemikerin verließ sie die Universität. Schon früh hatte sie sich politisch engagiert. Seit 1986 ist sie Mitglied der SPD.
Statt in die Wirtschaft zog es die junge Chemikerin in die Gewerkschaftspolitik: 1998 begann sie ihre Karriere als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der IG BCE und stieg dort 2005 zur Grundsatz-abteilungsleiterin auf. Parallel machte sie in der Partei Karriere. 2014 wurde Fahimi zur Nachfolgerin von Andrea Nahles als Generalsekretärin der SPD gewählt. Dann wurde die Parteilinke Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium unter Nahles. Seit 2017 ist Fahimi Mitglied des Bun
destages, in dem sie dem linken Flügel der Spd-fraktion angehört. Anfeindungen haben sie misstrauischer und härter gemacht.
Bis heute sind Arbeitsmarkt- und Ausbildungspolitik Fahimis Schwerpunkte. Die Energiewende zwingt gerade die größten Branchen der IG BCE, die Energie und Chemie, zu gewaltigen Anpassungen. Fahimi beschreibt ihr Ziel so: Es müsse darum gehen, „dass dieses Jahrzehnt der Transformation nicht nur wirtschaftlich ein Erfolg wird, sondern dass wir neue Perspektiven für alle schaffen“.
Fahimi übernimmt das DGBSteuer von Reiner Hoffmann, der ebenfalls aus der IG BCE kommt und aus Altersgründen nicht noch einmal antrat. Die Einzelgewerkschaften hatten lange gerungen, wen sie zum neuen DGB-CHEF küren. Die IG Metall als größte Einzelgewerkschaft hätte gewiss auch eine Kandidatin durchsetzen können – wenn sie eine präsentiert hätte. Man einigte sich auf die kämpferische Fahimi. „Ich freue mich, dass wir jetzt mit Yasmin Fahimi eine Frau gefunden haben, die, obwohl sie jünger ist, sehr viel Erfahrung hat und zudem eine hohe Affinität zur Industrie. Sie wird eine sehr gute Nachfolgerin von Reiner Hoffmann“, hatte Ig-metall-chef Jörg Hofmann unlängst gesagt.
Auf dem Bundeskongress schlug Fahimi auch gleich kämpferische Töne in Richtung der Arbeitgeber an: Forderungen von Wirtschaft und Arbeitgebern nach einer Lohnzurückhaltung seien angesichts der hohen Inflation ein falsches Signal. Damit werde die Bewältigung von Krisen bei den Beschäftigten abgeladen: „Das machen wir nicht mit.“Fahimi forderte einen „Masterplan für sozialen Fortschritt“. Zugleich kritisierte sie die Bundesregierung, in der ihre SPD den Kanzler stellt, für die Aufstockung des Wehretats. Im Interview hatte sie schon vorab erklärt: „Scholz weiß, dass er keinen Schmusekurs kriegt.“