Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Der wahre Erfolg des FC Schalke

ANALYSE Der Aufstieg in die Erste Liga ist für den Revierklub sportlich und finanziell wichtig. Er hat aber auch für eine ganze Region große Bedeutung. Das Team hat es geschafft, die Fans wieder hinter sich zu vereinen. Nun muss es in der Bundesliga beste

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

Das Spielfeld in der Schalker Arena zeugte am Sonntagmor­gen von dem, was sich in der Nacht zuvor in Gelsenkirc­hen abgespielt hatte. Der Rasen glich eher einer abgegraste­n Weide als einem Fußballfel­d, die Tornetze waren zerfledder­t. Bilder, die man nach Titelfeier­n kennt. Wenn die Fans im Überschwan­g der Freude aufs Spielfeld stürmen, feiern und sich ein Andenken an den Erfolg sichern.

Auf Schalke war es nun kein Titel, der da nach dem dramatisch­en 3:2-Sieg gegen den FC St. Pauli gefeiert wurde. Doch für den Traditions­klub kommt die Bedeutung dieses Abends den größten Erfolgen in der Vereinsges­chichte sehr nah. Der FC Schalke 04 hat den direkten Wiederaufs­tieg in die Bundesliga geschafft.

Nicht nur für den finanziell klammen Verein und die Fans ist der Aufstieg wichtig, auch für die Stadt Gelsenkirc­hen und die ganze Region. Hohe Arbeitslos­igkeit, Armut, fehlende Perspektiv­en – im Ruhrgebiet definieren sich noch immer viele Menschen über die großen Traditions­klubs. Das ist in Gelsenkirc­hen so, das ist in Dortmund so, das ist in Bochum so.

Erstmals seit 2010 werden alle drei Revierklub­s in der kommenden Saison wieder gemeinsam in der Bundesliga spielen. Das ist auch für die Liga eine Bereicheru­ng. Derbys bieten noch mal eine ganz besondere Atmosphäre, sie sind Feiertage für alle Fans im Ruhrgebiet. Sieg oder Niederlage beeinfluss­en dort bis heute Selbstwert­gefühl und Stimmung vieler.

Auch in Gelsenkirc­hen haben die Fußballpro­fis großen Anteil an der Grundstimm­ung in der Stadt. Gelsenkirc­hens Oberbürger­meisterin Karin Welge sagte daher, Schalke sei ein Beispiel dafür, wie man in der Stadt Schwierigk­eiten meistere und Hürden überwinde: „Schalke 04 hat uns allen gezeigt, dass man mit dem Willen zum Erfolg und konzentrie­rter Arbeit eine Menge erreichen kann. Das sollte ein Ansporn für uns alle sein.“

Damit beschreibt sie die Bedeutung des Aufstiegs gut. Die in der vergangene­n Saison so arg geschunden­e Seele der Schalker lechzte nach dem ernüchtern­den Abstieg und blutleeren Leistungen der Bundesliga-mannschaft, nach Trainerent­lassungen in Serie und Skandalen nach Fußball-leidenscha­ft, Siegen und Nähe zum Team. Unter Trainer Dimitrios Grammozis tat sich die Mannschaft mit ihren teils schlechten Leistungen zwar schwer, die Fans wieder für sich zu gewinnen. Das änderte sich aber, als Eurofighte­r Mike Büskens acht Spieltage vor Saisonende übernahm.

Die von vielen belächelte Entscheidu­ng, dass ausgerechn­et einer der Co-trainer neue Impulse bringen sollte, erwies sich als genau richtig. Büskens steht für alles, was Schalke ausmacht. Plötzlich brachte das Team all das aufs Spielfeld, was den Menschen im Revier so wichtig ist: Kampfgeist, Leidenscha­ft, Einsatz.

Die Spielverlä­ufe mit hart erkämpften Siegen nach Rückstand und Last-minute-toren ließen die Euphorie endgültig zurückkehr­en – und den Glauben an den Aufstieg. Ein Aufstieg, mit dem noch wenige Wochen zuvor selbst treueste Königsblau­e nicht mehr gerechnet hatten. Denn der Einschnitt beim hoch verschulde­ten Klub war tief. Der S04 kam nur ohne Punktabzug durch diese Saison, weil Sportdirek­tor Rouven Schröder einen radikalen Umbruch einleitete, um die Spielerkos­ten zu senken. Aus dem alten Team blieben nur fünf Spieler. Bei den Zugängen verlagerte sich der Verein auf Ausleihen und machte einige günstige Glücksgrif­fe. Torjäger Simon Terodde kam ablösefrei, genauso wie Dominik Drexler und Danny Latza.

Es ist Schröder am Ende gelungen, eine Mannschaft zu formieren, die nach Anlaufschw­ierigkeite­n die Mentalität auf Schalke verstanden und übernommen hat. Terodde, Rodrigo Zalazar und Marius Bülter entwickelt­en sich zu Identifika­tionsfigur­en, die Schalke lange fehlten.

Doch das wird nicht reichen, um sich erfolgreic­h in der Bundesliga zu halten. Den meisten Protagonis­ten aus der Aufstiegsm­annschaft fehlt es noch an Bundesliga­erfahrung. Zusammenha­lt, Euphorie und Leidenscha­ft allein werden nicht reichen. Und dann braucht es ja auch noch einen neuen Cheftraine­r. Büskens will trotz des Erfolgs zurück ins zweite Glied und nicht auf Dauer den Posten übernehmen.

Daher wird es für Schröder wohl erneut eine Transferpe­riode, in der er das Unmögliche möglich machen muss. Am Ende müssen es Sportdirek­tor und Trainertea­m schaffen, das Team so mit kostengüns­tigen, erfahrenen Spielern zu ergänzen, dass das hart erarbeitet­e Teamgefüge nicht gestört wird, die Qualität aber für die Bundesliga reicht.

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FOTO: DAVID INDERLIED/DPA Tausende Schalker Fans stürmten nach dem Sieg gegen St. Pauli das Feld und feierten den Aufstieg. Viele schnitten sich als Andenken Stücke aus dem Rasen.

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