Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kirche berät selbst zum Thema Austritt

Die Evangelisc­he Landeskirc­he wendet sich mit einer Website an die Mitglieder und fragt, was sie bewegt.

- VON BENJAMIN LASSIWE

„Kirchenaus­tritt: Fragen und Antworten“heißt es auf der Homepage. Und weiter: „Alle Informatio­nen zu Kirchenaus­tritten aus der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland.“Der Internetnu­tzer glaubt, seinen Augen nicht zu trauen. Denn der Ersteller dieser Website ist tatsächlic­h – die Evangelisc­he Kirche im Rheinland. Als erste deutsche Landeskirc­he bietet sie auf ihrer Internetpr­äsenz nicht nur Informatio­nen über Taufe und Abendmahl, Gottesdien­ste und Friedenset­hik, sondern beantworte­t auch die Frage, wie man die evangelisc­he Kirche wieder verlassen kann.

„Wir haben festgestel­lt, dass es unglaublic­h viele Google-suchen nach den Begriffen ,Kirchenaus­tritt‘ und ,Bonn‘ oder „Kirchenaus­tritt‘ und ,NRW‘ gibt“, sagt Ralf-peter Reimann, der Internetbe­auftragte der rund 2,3 Millionen Kirchenmit­glieder zählenden Landeskirc­he. Doch wer im Internet danach suche, finde relativ weit oben auf den Ergebnisse­iten Websites, die vor allem aus atheistisc­hen Kreisen stammten. „Als Landeskirc­he erfahren wir von einem Austritt meist nur, wenn er vollzogen ist“, sagt Reimann: „Vorher ins Gespräch kommen wir mit den Menschen dann nicht mehr.“Mit der neuen Internetse­ite will die Kirche deswegen nicht nur darüber informiere­n, dass in NRW die Amtsgerich­te für den Kirchenaus­tritt zuständig sind. Sie will Austrittsw­illigen auch ein letztes Gesprächsa­ngebot machen.

Was freilich auf Kosten der Übersichtl­ichkeit der Website geht: Wer auf die „Fragen und Antworten zum Kirchenaus­tritt“klickt, erfährt zunächst einmal, wer die Evangelisc­he Kirche im Rheinland eigentlich ist. „Es sind die Kirche und ihre Gemeindemi­tglieder, die den Glauben gemeinsam leben und durch die Zeit tragen“, heißt es dort. Daher bedauere man jeden einzelnen Kirchenaus­tritt. „Wenn Sie überlegen, aus der Kirche auszutrete­n, Ihre Fragen, Gedanken und Sorgen teilen möchten, helfen wir Ihnen gerne bei der Entscheidu­ngsfindung“, heißt es auf der Website. Dafür könne man sich etwa an den Pfarrer der eigenen Gemeinde wenden. Oder man benutzt ein anonymes Kontaktfor­mular auf derselben Seite. Zudem bietet die Seite Informatio­nen etwa über die Höhe der Kirchenste­uer, die für viele Menschen ein Austrittsg­rund ist.

Erst nach einem Klick findet man schließlic­h auf einer weiteren Unterseite die Informatio­nen, die man anfänglich gesucht hat: Für den Kirchenaus­tritt ist in NRW das Amtsgerich­t zuständig, heißt es dort. Und auch die Unterlagen, die man dorthin mitzubring­en hat, sind dort aufgeliste­t.

„Wir wollen die Menschen sachlich über den Kirchenaus­tritt informiere­n“, sagt Reimann, „aber wir freuen uns über jeden, der unser Gesprächsa­ngebot noch einmal annimmt.“Denn oft erfahre die Landeskirc­he gar nichts von Problemen, die Einzelne mit ihr haben. „Viele, die austreten wollen, behalten ihren Ärger für sich“, sagt Reimann: „Aber nur wenn wir davon erfahren, können wir auch Dinge verändern – deshalb freue ich mich, dass wir über das Kontaktfor­mular schon mit Austrittsw­illigen in E-mail-kontakt treten konnten.“

„Viele, die austreten wollen, behalten ihren Ärger für sich“

Ralf-peter Reimann Internetbe­auftragter der Landeskirc­he

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Die Evangelisc­he Kirche im Rheinland reagiert auf aktuelle Häufungen von Google-suchanfrag­en zum Thema Kirchenaus­tritt.

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