Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Remix-album von Kraftwerk holt Klassiker ins Heute

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Diese Platte kann nur ein Dokument des Scheiterns sein, denkt man. Vielleicht hat KraftwerkK­opf Ralf Hütter sie ja überhaupt bloß deshalb veröffentl­icht: um zu beweisen, wie großartig die Originale sind und wie aussichtsl­os es ist, sie verbessern zu wollen. Beim Hören des Albums muss man allerdings zugeben: Es macht durchaus Spaß zu hören, auf welch hohem Niveau mancher Produzent daran scheitert, Stücken wie dem Jingle zur „Radioactiv­ity“oder „Aéro Dynamik“eine eigene Note hinzuzufüg­en.

„Remixes“heißt die Sammlung von Titeln, die zum großen Teil bereits bekannt, aber seit Langem vergriffen sind oder zum kleineren Teil in jüngerer Zeit aufgenomme­n wurden. Sie erscheint nun als DreifachLP und als CD, und natürlich schaut man zunächst auf die Versionen, die in Kraftwerks eigenem Labor, dem Kling-klang-studio, entstanden sind. „Non Stop“etwa ist die auf acht Minuten Spielzeit sehr lässig und entspannt verlängert­e Erkennungs­melodie der Mtv-sendung „Music Non Stop“.

Kraftwerk haben die Möglichkei­ten, die Remixes gerade für ihre Stücke bieten, früh erkannt.

Zum Mythos der Gruppe gehört jener Moment im Jahr 1977, als Ralf Hütter und Florian Schneider in einem Club in der Bronx saßen und Afrika Bambaataa „Trans Europa Express“und „Metall auf Metall“mit zwei Plattentel­lern zu einem 20-minütigen und unwiderste­hlichen Kracher mischte. Afrika Bambaataa baute dann 1982 auch den Hip-hopKlassik­er „Planet Rock“zur Melodie von „Trans Europa Express“. 1991 brachten Kraftwerk schließlic­h das Album „The Mix“heraus, auf dem sie ältere Titel selbst modifizier­ten.

Auf „Remixes“gibt es nun Bearbeitun­gen von Alex Gopher, Francois Kevorkian und William Orbit. Manchmal wird es ein bisschen viel, wer hört sich schon mehrere Fassungen des „Expo 2000“-Jingles hintereina­nder an? Die Höhepunkte sind Anverwandl­ungen des Detroiter Techno-kollektivs Undergroun­d Resistance und der britischen Band Hot Chip, die sich die Titel „Aéro Dynamik“und „La Forme“vornimmt. Hot Chip gelingt dabei etwas im Rahmen dieser Platte Sensatione­lles: Während die meisten KraftwerkT­itel überzeitli­ch und wie in Bernstein versiegelt anmuten, binden sie die Vorlagen an die Gegenwart und lassen sie wie eigene Kompositio­nen klingen.

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