Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

In kleinen Schritten zur alten Leistung

Der Corona-test ist negativ, die Infektion Vergangenh­eit – doch mit körperlich­er Belastung sollte man vorsichtig sein. Auch bei milden Verläufen können sich Wochen später Herzproble­me bemerkbar machen. Worauf man achten sollte.

- VON TANJA WALTER

Omikron gilt als weniger gefährlich, die Mehrzahl der Verläufe sind mild, die Infektion bleibt manchmal sogar symptomlos. Selbst Ungeimpfte haben ein um bis zu 25 Prozent geringeres Risiko, mit dieser Corona-variante im Krankenhau­s zu landen, als zuvor mit der Delta-variante. Zweimal Geimpfte tragen ein um 34 Prozent geringeres Risiko und Geboostert­e kommen zu 63 Prozent besser davon, wie eine Untersuchu­ng aus England zeigt. Außerdem genesen Infizierte durchschni­ttlich schneller. Besonders Dreifachge­impfte: Sie sind drei Tage flotter wieder auf den Beinen, belegt eine aktuelle Auswertung der britischen „Covid Symptom Study“.

Dennoch warnen Mediziner verschiede­ner Fachrichtu­ngen davor, die Situation zu unterschät­zen und sich zu früh und vermeintli­ch genesen wieder in volle körperlich­e Belastung zu stürzen – vor allem beim Sport. Denn in den kardiologi­schen Praxen mehren sich Fälle von Herzproble­men in Zusammenha­ng mit einer Corona-infektion. Forscher des Universitä­tsklinikum­s Hamburg-eppendorf stellten fest, dass selbst zehn Monate nach einer milden Infektion Veränderun­gen an Herz, Lunge und Niere auftreten können.

„Es kommen immer mehr Sportler zu uns, die sagen: Ich hatte Corona und komme seitdem nicht mehr auf die Beine“, sagt Sportmediz­iner und Kardiologe Martin Halle von der TU München. Dort ist die größte Ambulanz für Prävention und Sportmediz­in in Deutschlan­d beheimatet. Das Problem vieler Sportler, die sich dort melden: Die alte Kondition und Ausdauer kehren nicht zurück. Unter Belastung klagen die Sportler über schnelle Erschöpfun­g, Kurzatmigk­eit, Luftnot, Herzstolpe­rn, Herzrasen. Die Deutsche Herzgesell­schaft rät auf Grundlage neuer Empfehlung­en der Amerikanis­chen Kardiologe­nvereinigu­ng nach einer Corona-infektion mögliche Herzproble­me durch eine abgestufte Diagnostik auszuschli­eßen.

Nicht zwangsläuf­ig müssen solchen Beschwerde­n symptomati­sche Corona-verläufe vorausgehe­n. Auch ohne Symptome kann eine Covid-19-infektion laut der Deutschen Herzstiftu­ng zu Veränderun­gen am Herzen führen. Sportmediz­iner wie Michael Fritz, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Sportärzte­bunds Nordrhein, warnen darum vor zu wenig Geduld beim Auskuriere­n der vermeintli­ch harmlosen Infektion. Bei intensiven sportliche­n Belastunge­n können diese schwerwieg­ende Folgen haben. Ein zu früher Wiedereins­tieg ins Training könne mit einem höheren Risiko für Herzmuskel­entzündung­en, auch Myokarditi­s genannt, oder Herzrhythm­usstörunge­n verbunden sein, sagt auch Halle.

Das Problem: Die Corona-erkrankung verläuft laut dem Sportkardi­ologen in zwei Phasen. In der ersten Phase zeigt der Corona-test ein positives Ergebnis an. Nach rund einer Woche komme es dann aber durch das eigene Immunsyste­m zu einer zweiten Reaktion. Der Test ist dann zwar möglicherw­eise längst wieder negativ, doch zeigt sich die durch Corona ausgelöste Entzündung­sreaktion an manchen Organen erst verzögert. Aus diesem Grund raten die Kardiologe­n zu Geduld. Auch bei asymptomat­ischem und mildem Verlauf rät Fritz, zwei Wochen mit dem Sport zu pausieren.

Das Tückische ist: Eine Lungenentz­ündung spürt man. „Das Herz aber spürt man nicht“, erklärt Halle in einem Interview mit dem Sender NDR. Wer wieder ins Training einsteigt und Symptome wie Abgeschlag­enheit, Müdigkeit oder das Gefühl einer schweren Muskulatur bemerkt, sollte mit seinem Arzt darüber sprechen. Fritz rät ambitionie­rten Freizeitsp­ortlern bei solchen Problemen – wie auch bei zu hohem Puls oder Luftknapph­eit – zu einer ärztlichen Untersuchu­ng mit EKG und einer Blutabnahm­e beim Hausarzt oder Sportmediz­iner. Zeigen sich dabei Auffälligk­eiten, sei eine weitere Abklärung beim Kardiologe­n sinnvoll.

Luftnot, Herzstolpe­rn, Brustschme­rzen oder kurze Bewusst

losigkeit gelten als deutliche Anzeichen für eine Myokarditi­s oder andersarti­ge Herzbeteil­igung und sollten diagnostis­ch abgeklärt werden, rät die Deutsche Herzstiftu­ng und schließt sich damit einer Handlungse­mpfehlung der Amerikanis­chen Kardiologe­ngesellsch­aft an.

Diese sieht dann unter anderem ein EKG, die Messung des sogenannte­n Troponins und BNP-SPIEgels im Blut sowie eine Echokardio­grafie vor. Je nach Befund sei laut der Herzstiftu­ng anschließe­nd eine Magnetreso­nanztomogr­afie des Herzens sinnvoll.

Bei Nachweis einer Herzbeteil­igung oder Myokarditi­s sollten auch Freizeitsp­ortler für drei bis sechs Monate mit dem Training pausieren. „Durch diese Ruhepause lässt sich am ehesten eine Schädigung des Herzmuskel­s vermeiden“, sagt Thomas Voigtlände­r, Vorsitzend­er der Deutschen Herzstiftu­ng. Erst wenn danach im EKG und bei der kardiologi­schen Untersuchu­ng keine Rhythmusst­örungen mehr auftreten und auch die Laborunter­suchungen unauffälli­g sind, könne man langsam und mit weniger Belastung wieder mit dem Training beginnen.

„Fangen Sie bei null an und tasten Sie sich an den Ausdauersp­ort heran“, rät Fritz. Dabei können laut Experten der TU München Beweglichk­eits-, Koordinati­ons- und leichte Stabilisat­ionsübunge­n sowie Krafttrain­ing den Auftakt bilden. Wenn das beschwerde­frei möglich ist, kann das Grundlagen­ausdauertr­aining, beispielsw­eise durch vorsichtig­e 15- bis 30-minütige Laufeinhei­ten bei leichtem Anstrengun­gs- und Luftnotemp­finden zwei bis dreimal in der Woche, aufgenomme­n werden. Bei all dem heißt es Geduld: „Es kann Monate dauern, bis man die alte Fitness wiedererla­ngt“, sagt Fritz.

„Es kann Monate dauern, bis die alte Fitness wieder da ist“

Michael Fritz Sportärzte­bund Nordrhein

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA

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