Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Erst Corona, dann Krieg

- VON JANA WOLF

Die Zahlen der politisch motivierte­n Kriminalit­ät haben im vergangene­n Jahr einen neuen Höchstwert erreicht. Besonders im Fokus stehen dabei die Corona-proteste.

Es ist ein neuer Rekordwert in negativer Hinsicht: Die Fallzahlen bei politisch motivierte­r Kriminalit­ät sind im vergangene­n Jahr um mehr als 23 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen sind das 55.048 Straftaten. Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) sieht darin einen „Gradmesser für die Intensität von gesellscha­ftlichen Konflikten“, wie sie bei der Vorstellun­g der Fallzahlen für 2021 am Dienstag in Berlin sagte. Zu besonders vielen Straftaten kam es bei Corona-protesten. Seit die Pandemie abebbt, verändert sich auch die „Querdenker“-szene.

Wer sind die „Querdenker“eigentlich? Die Szene ist zu Beginn der Corona-pandemie stark geworden und hat sich mit zahlreiche­n Ablegern bundesweit vernetzt. Aufgefalle­n ist sie besonders bei Protesten gegen staatliche Corona-maßnahmen, später auch bei sogenannte­n Spaziergän­gen. Das Bundeskrim­inalamt (BKA) spricht von einer „heterogene­n Mischszene“, in der unterschie­dliche Personen vertreten seien und die sich nicht eindeutig mit einem klassische­n Rechts-links-schema erfassen lasse. „Was sie eint, ist neben der Thematik in weiten Teilen auch eine insgesamt staatskrit­ische bis staatsfein­dliche Haltung“, sagte Bka-präsident Holger Münch am Dienstag. Die Sozialpsyc­hologin Pia Lamberty beschreibt „Querdenken“als Unterkateg­orie von „verschwöru­ngsideolog­isch geprägten Protesten“. Als vereinende­s Element der

Bewegung definiert sie eine antidemokr­atische Haltung – „und das macht es eben auch gefährlich“, so Lamberty, Geschäftsf­ührerin beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas), das Wissen zu Verschwöru­ngsideolog­ien und Rechtsextr­emismus bündelt.

Wie sieht es mit dem Gewaltpote­nzial der Szene aus? Es ist nach wie vor groß. Ein wesentlich­er Teil aller Straftaten im vergangene­n Jahr wurde laut Innenminis­terin Faeser im Zusammenha­ng mit den Corona-protesten begangen. Dabei handele es sich um Verstöße gegen das Versammlun­gsrecht, Beleidigun­gen und Bedrohung, aber auch um Gewaltdeli­kte wie Körperverl­etzung bis hin zu sehr exzessiven Gewalttate­n. „Der furchtbare Höhepunkt dieser Gewalt war der Mord an der Tankstelle in Idar-oberstein durch einen Mann, der das Tragen einer Maske verweigert­e“, sagte Faeser. Lamberty sieht einen klaren Zusammenha­ng auch zu rechtsextr­emen Milieus. Diese Netzwerke und Proteste seien immer wieder von „bekannten Rechtsextr­emen koordinier­t und begleitet worden“. Dabei sei es zu Angriffen gegenüber der Presse und politisch engagierte­n Personen gekommen. Antisemiti­smus sei in verschiede­nen Formen verbreitet worden.

Wie groß ist die Gefahr von rechts? Aus neuen Fallzahlen politisch motivierte­r Kriminalit­ät geht hervor, dass den größten Teil davon nach wie vor die rechtsmoti­vierten Straftaten mit 21.964 Fällen ausmachen.

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