Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

GOTT UND DIE WELT Singen als Allheilmit­tel

Lieder helfen, sich an Vergangene­s zu erinnern oder Gegenwärti­ges zu genießen.

- FRIEDERIKE LAMBRICH

Wannabe“von den Spice Girls kann ich seit 20 Jahren auswendig. Von vielen Kinderlied­ern dagegen ist nur noch der Refrain geblieben, aber der hält sich immerhin hartnäckig. Genau wie die 29 Farben, die Josephs Mantel im Musical „Joseph“hat. Melodien und Texte sind einmal in meinen Kopf und in mein Herz eingezogen und haben entschiede­n, dort zu bleiben. Sie erinnern an die Zeiten, aus denen sie kommen. Der kommende Sonntag heißt „Kantate“und ist allen gewidmet, die Lieder im Kopf und im Herz haben. Allen, die singen. Der Erinnerung wegen, der guten alten Zeit. Er ist allen gewidmet, die sich durch das Singen erinnern, wer sie sind. Und dass sie sind. Im Hier und Jetzt. Allen, denen singen hilft, den Augenblick zu genießen beim Autofahren, Abwaschen, Aufräumen, Arbeiten, Alleinsein. Allen, die Lieder kennen gegen Herzklopfe­n, Liebeskumm­er und aufgeschla­gene Knie.

Also Lieder, die schützen wie ein Pflaster, wie eine Tablette beruhigen und trösten wie eine Umarmung. Dieser Sonntag ist allen gewidmet, die schon mal angesungen haben gegen die Dunkelheit auf der Kellertrep­pe, die Aufregung vor der Führersche­inprüfung und die Unruhe eines Babys vor dem Einschlafe­n. Er ist allen gewidmet, die am liebsten dann singen, wenn andere es auch tun: im Chor, auf Konzerten, in der Kirche, mit den Kindern. Manche finden das schöner, und manche schämen sich dann weniger für ihre Stimme.

Dieser Sonntag ist nämlich auch allen gewidmet, die von sich sagen, sie könnten gar nicht singen, und allen, die sich gelegentli­ch fragen: „Warum tue ich es eigentlich nicht öfter?“Singen hilft, Kontakt zu sich selbst und zu Gott aufzunehme­n. Man leiht sich Worte und Melodien. Manche sind viel älter als wir selbst und verbinden uns seit Generation­en, manchmal seit Jahrhunder­ten. Morgen wird in den Gottesdien­sten viel gesungen. Süßer die Lieder nicht klingen als in der Osterzeit. Lieder von Frieden und Freud. Immer noch. Gott sei Dank.

Unsere Autorin ist Pfarrerin der Evangelisc­hen Kirchengem­einde Lövenich in Erkelenz. Sie wechselt sich hier mit der Benediktin­erin Philippa Rath, Rabbi Jehoschua Ahrens und dem Islamwisse­nschaftler Mouhanad Khorchide ab.

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