Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ein Treffen unter Freunden
Die Außenminister der G7-staaten sichern bei ihrem Gipfel der Ukraine ihre Solidarität zu.
Das Leben könnte schön sein. Draußen die Ostsee, dinnen ein Wohlfühltempel mit allen Annehmlichkeiten, wenn man nur Zeit und Muße hätte, sie zu genießen. Doch der Krieg treibt Dmytro Kuleba auch hier in Ostholstein schon am frühen Morgen um. Der ukrainische Außenminister ist auf Einladung von Annalena Baerbock für drei Tage Gast dieser G7-runde unter deutschem Vorsitz. Das offizielle Programm hat noch nicht begonnen, da läuft Kuleba einem anderen von Kriegsängsten geplagten Chefdiplomaten über den Weg. Nico Popescu, Außenminister der Republik Moldau. Das Nachbarland der Ukraine befürchtet ebenfalls russische Provokationen, eventuell sogar einen Krieg. Kuleba und Popescu umarmen sich. Bruder, wie geht es dir?
Das Resort Weissenhaus ist für den ukrainischen Außenminister ein beinahe idealer Ort, alle Waffenwünsche seiner Streitkräfte auf den Tisch zu legen. Kuleba trifft binnen eines Tages einige der wesentlichen Außenminister der westlichen Welt. Zuletzt hatte er in Deutschland auch um Kampfjets für sein Land gebeten. Der Eu-außenbeauftragte Josep Borrell macht unter wolkenverhangenem Himmel deutlich, dass die Ukraine mit noch mehr Waffenhilfe rechnen darf. Europa werde eine „starke Botschaft“nach Moskau senden: Die EU werde weitere 500 Millionen Euro für Waffen und Ausrüstung der ukrainischen Armee bereitstellen. Schwere Waffen, ja, auch schwere Artillerie, auch Panzer, auch Flugabwehr, sagt Borrell, aber eines werde nicht geliefert: Kampfjets.
Doch die Signale der Unterstützung sind deutlich. Die Außenminister von Großbritannien und Frankreich, Liz Truss und JeanYves Le Drian, betonen die Gemeinsamkeit der G7 in ihrem politischen Kampf gegen Russland und auch das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung. Truss sagt, die Ukraine brauche mehr Waffen. Diese Lieferungen seien wichtig, um den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin aufrechtzuerhalten. Le Drian macht deutlich: „Wir führen keinen Krieg gegen Russland. Russland führt einen Krieg gegen die Ukraine.“
Kuleba will nicht klagen. Aber er will doch noch mehr. Mittags nimmt sich der Ukrainer eine Viertelstunde Zeit, um der versammelten Weltpresse zu erzählen, was sein Land in diesem Krieg vor allem brauche: „Waffen, Waffen und Waffen.“Kuleba ist dabei durchaus selbstbewusst. Er stellt klar, dass die Gruppe der sieben stärksten westlichen Industrienationen der Ukraine dankbar sein dürfe. „Es ist die Ukraine, die die G7 wieder stark gemacht hat.“Die Ukraine teile die Werte der G7, wie überhaupt dieses Treffen unter deutschem Vorsitz ein Treffen unter „Freunden, Partnern und Verbündeten“sei. Verbündet mit der Ukraine.
Deshalb habe er auch vorgeschlagen, eingefrorene russische Auslandsvermögen für den Wiederaufbau der Ukraine zu nehmen. Kanada habe sich für einen solchen Schritt schon entschieden. Sein Gefühl sage ihm, andere G7-partner würden bald folgen. Für Kuleba ist klar: „Russland muss für diesen Krieg bezahlen: politisch, wirtschaftlich, finanziell.“Auf russischer Seite sehe er derzeit keine Bereitschaft für Friedensverhandlungen.
Weil Kuleba selbst gerade in Deutschland ist, drängt sich eine Frage noch auf: Ob Präsident Wolodymyr Selenskyj zum G7-gipfel Ende Juni nach Elmau kommt, würde er denn als Gast eingeladen? Kuleba: „Präsident Selenskyj hat Kiew seit zweieinhalb Monaten nicht mehr verlassen.“Und er glaube nicht, dass Selenskyj in dieser Lage Pläne für eine Reise nach Deutschland habe. Sie werden ihn nach Elmau also zuschalten – einen Präsidenten im Krieg.