Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Angst vor der Dürre

Seit Wochen hat es in Deutschlan­d kaum geregnet. Landwirte sind zunehmend besorgt, weil junge Pflanzen nicht die tiefen, noch feuchten Schichten im Boden erreichen. Das betrifft vor allem Soja und Mais.

- VON SANDRA TRAUNER UND EVA KRAFCZYK

(dpa) Regen war in den vergangene­n Wochen in vielen Regionen Deutschlan­ds eher selten. Müssen die Landwirte, die bereits in den vergangene­n Jahren mit Dürre zu kämpfen hatten, schon um ihre Ernten fürchten? Noch sei die Lage nicht dramatisch, sagte Andreas Brömser, Agrarmeteo­rologe beim Deutschen Wetterdien­st (DWD) in Offenbach, der Deutschen Presse-agentur. Die meisten Pflanzen kämen noch ganz gut zurecht mit der Restfeucht­e im Boden. Wenn es bis Ende Mai nicht regne, könne sich das aber ändern.

Im Winter habe es eher überdurchs­chnittlich geregnet, sagte Brömser. „Die Böden waren gut mir Wasser aufgefüllt.“Dann aber kam

„ein außergewöh­nlich trockener März“. Regen im April habe die Situation zunächst wieder entspannt: „Unterhalb von 20, 30 trockenen Zentimeter­n ist ausreichen­d Feuchtigke­it im Boden aus dem vergangene­n Winter.“

Trockenhei­t habe vor allem dann Negativwir­kung, wenn sie lange andauere, betonte auch Andreas Marx, Leiter des Mitteldeut­schen Klimabüros und zuständig für den Dürremonit­or des Helmholtz-zentrum für Umweltfors­chung. Zwar könnten in Regionen mit besonders trockenen Böden Verzögerun­gen beim Pflanzenwa­chstum auftreten. Das müsse aber zu diesem Zeitpunkt nicht bedeuten, dass auch die Erträge niedrig ausfallen.

Ein Beispiel sei das Jahr 2014 mit einem extrem trockenen April, aber überdurchs­chnittlich hohen Erträgen. Zudem sei die Situation in tieferen Bodenlagen deutlich entspannte­r als an der Oberfläche. Das gilt allerdings nicht für alle Gebiete in Deutschlan­d.

„Wenn man allerdings auf große Sträucher und vor allem Bäume schaut, ist die Situation anders“, sagte Marx. Denn für den sogenannte­n Gesamtbode­n, der auch die tieferen, von den Baumwurzel­n erfassten Bodenschic­hten berücksich­tigt, weist der Dürremonit­or dunkelbrau­ne Punkte auf. Das betrifft etwa Brandenbur­g, Sachsen-anhalt, Niedersach­sen und Teile Nordrhein-westfalens.

Hier handle es sich allerdings nicht um ein neues Dürre-ereignis, sondern um Bereiche, in denen seit 2018 die Bodenfeuch­te zurückging und seitdem etwa in den Wintermona­ten nicht ausreichen­d aufgefüllt wurde, erläuterte Marx. In den betroffene­n Wäldern müsse bereits jetzt mit Schäden auch im Sommer 2022 gerechnet werden.

Seit rund vier Wochen beobachten die Meteorolog­en „eine sehr ungleiche Verteilung“der Niederschl­äge, wie Brömser ausführte: Im Norden falle seit Wochen so gut wie kein Regen, im Süden gab es immerhin Schauer und Gewitter: „Im Norden und in der Mitte liegt die Bodenfeuch­te deutlich unter den Werten, die für Mitte Mai üblich sind.“Im April etwa fielen im Nordosten Deutschlan­ds teilweise nur 25 Liter Regen pro Quadratmet­er und verstärkte­n das bereits bestehende Niederschl­agsdefizit.

Für die Landwirtsc­haft sei das aktuell noch kein großes Problem, sagte Dwd-agrarmeteo­rologe Brömser: Getreide, das vor dem Winter gepflanzt wurde, habe bereits tiefe Wurzen, die feuchte Schichten im Erdreich erreichen könnten. Kritischer sei neu Gepflanzte­s wie Zuckerrübe­n, Mais oder Soja, denn deren Wurzeln seien noch nicht genug ausgeprägt: „Sie erreichen die feuchten Schichten nicht.“

In den meisten Regionen sei die Waldbrandg­efahr „mäßig“. Die Blätter seien noch grün und nicht so brandanfäl­lig. In den nächsten Tagen könnte der Waldbrandi­ndex im Osten aber auf die höchste Stufe klettern, sagte Brömser.

Eine grundlegen­de Änderung sieht der Meteorolog­e kurzfristi­g nicht: Am Wochenende bleibe es trocken, Anfang nächster Woche könnte es Gewitter geben, aber dabei bleibt der Niederschl­ag naturgemäß lokal begrenzt: „Ein schöner Landregen ist nicht in Sicht.“

In Sicht ist vielmehr sommerlich­es Wochenendw­etter, am Samstag mit Höchsttemp­eraturen von 22 bis 27 Grad. Einzelne Schauer oder Gewitter soll es an diesem Tag wieder nur im äußersten Süden Deutschlan­ds geben, wie der DWD vorhersagt­e. Am Sonntag soll es noch wärmer werden, im Südwesten sind dann lokal sogar 30 Grad möglich, wie schon am 12. Mai, dem ersten heißen Tag des Jahres. Regen soll am Sonntag laut der Prognose nirgendwo in Deutschlan­d fallen.

Erst vor wenigen Tagen hatten die Vereinten Nationen (UN) ihren Dürreberic­ht vorgestell­t. Er verdeutlic­hte, wie gravierend die Auswirkung­en sind, wenn aus Trockenhei­t Dürre wird – nicht nur in den Ländern des Sahel.

So wurden in Europa im vergangene­n Jahrhunder­t 45 größere Dürren verzeichne­t, die Millionen Menschen betrafen und einen wirtschaft­lichen Gesamtscha­den von 26,4 Milliarden Euro verursacht­en. Inzwischen seien rund 15 Prozent der Landfläche und etwa 17 Prozent der Bevölkerun­g der EU von Dürre betroffen, so der Un-bericht.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Im brandenbur­gischen Sachsendor­f ist ein Feld so trocken, dass der Boden gerissen ist.

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