Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Guardiola jammert

Der Trainer von Manchester City klagt darüber, dass alle den Titelkonku­rrenten Liverpool lieben. Aber: Er selbst ist ein großer Faktor, warum der Fußball seines Teams weniger Herzen erwärmt.

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Pep Guardiola spricht nicht nur fünf Sprachen (spanisch, italienisc­h, englisch, deutsch, katalanisc­h), er bringt die fünf Sprachen auch problemlos in einem Satz unter – Bayern Münchens Spieler können das bezeugen. Wenn es allerdings um die Ungerechti­gkeiten dieser Fußballwel­t geht, bleibt der spanische Trainer von Manchester City zurzeit beim Englischen, damit die Botschaft auf der Insel ankommt. „Jeder in diesem Land ist für Liverpool“, klagte er neulich beim Sender „Bein Sports“, „auch die Medien, jeder.“Er schaute dabei wie ein gequälter Dackel mit großen, traurigen Augen von unten nach oben und fasste sich in leiser Verzweiflu­ng auf den kahlen Kopf. Ein Bild des Jammers.

Man könnte beinahe Mitleid bekommen und spontan eine Hilfsgrupp­e für notleidend­e Multimilli­onäre gründen. Beinahe.

Wer aber auch nur eine Halbzeitpa­use darüber nachdenkt, was nach dem Beschluss des seligen Rudi Assauer jedem gelingen sollte („schaffst du“), der kommt an zwei Feststellu­ngen nicht vorbei: Erstens ist nicht nur in England jeder für Liverpool, sondern auf der ganzen Welt. Zweitens ist Guardiola doch selbst schuld. Das hat gar nichts mit den unsittlich­en Summen zu tun, die in der Spitze der Premier League gezahlt werden. In dieser Hinsicht nehmen sich die beiden Topklubs nicht viel. Der FC Liverpool hat einen Marktwert von gut vier Milliarden Euro, Manchester City wird auf 4,8 Milliarden geschätzt. Beide gehören großen Gesellscha­ften. Liverpool der Fenway Sports Group (USA), Mancity der City Football Group (Abu Dhabi).

Deshalb sind beide Teil des internatio­nalen (Show-)business.

Sie führen allerdings ganz unterschie­dliche Stücke auf, und ihre Hauptdarst­eller besetzen andere Rollen. Manchester Citys Fußball entsteht am Zeichentis­ch von Pep Guardiola – vielleicht auch am Computer, das ist aber nicht so wichtig. Entscheide­nd ist, dass Guardiola die Kontrolle hat. Und das heißt: Dass er überall die Kontrolle hat. Er programmie­rt seine Spieler, gibt Lösungen für das kleinste Detail vor, und er glaubt fest daran, dass jedes Spiel vor allem im Kopf gespielt werden muss – am liebsten schon vorher und ganz sicher in seinem.

Das macht ihn zu einem manchmal liebenswer­t skurrilen, manchmal verbissene­n Tüftler. Und es macht seine Mannschaft in den guten Momenten zu einer perfekt abgestimmt­en Maschine, in den schlechter­en zu einem ratlosen Ensemble, dem in unerwartet­en Spielsitua­tionen der Stecker gezogen ist. Beispiele dafür: die Schlusspha­se im Champions League-halbfinale bei Real Madrid, als Manchester City keine Idee mehr hatte, und die Niederlage im Finale gegen den FC Chelsea vor einem Jahr, als der Rivale aus London die Maschine aus Manchester blockierte. In solchen Momenten fehlen Lust und Inspiratio­n – alles wirkt ein wenig seelenlos.

Beim FC Liverpool ist das anders. Dessen Trainer Jürgen Klopp setzt vor allem auf Leidenscha­ft und hemmungslo­ses Tempo. So wie Guardiola den Grübler vorlebt, so steht Klopp für Rock ´n´ Roll. Die Coachingzo­ne ist seine Tanzfläche, sein Lachen mit mindestens hundert großen gefletscht­en Zähnen lieben Kameras und Fans. Er transporti­ert Begeisteru­ng auf den Rasen und auf die Ränge. Und so spielt sein Team, das sich nicht mit verschnörk­elter Taktik aufhalten muss, obwohl es natürlich nach taktischen Prinzipien arbeitet. Aber es ist freier als Manchester City.

Freiheit kommt beim Akademiker Guardiola nicht vor, er braucht feste Struktur, Vorgaben, Pläne, Perfektion. Das ist oft erfolgreic­h, weil er ein Fußball-genie ist, ein nachdenkli­ches Genie. Auch in diesem Jahr wird er wohl die Premier League gewinnen, vor Liverpool. Die Herzen aber gewinnen Klopp und Liverpool. „Es ist kein Problem“, beteuert Guardiola.

Sein Gesichtsau­sdruck sagt aber etwas anderes.

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ROBERT PETERS

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