Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Zuerst war es schwierig, davon zu leben“

Der Betreiber des Nibelungen-expresses spricht darüber, wie er 2005 arbeitslos wurde und dann die Bimmelbahn aufgebaut hat.

- Darf man in Deutschlan­d eine Bimmelbahn einfach betreiben? die Strecke zu ändern? DIE FRAGEN STELLTEN MALEA THEYSSEN, ALEXANDER MALLACH UND MARKUS WERNING.

Wer Xanten kennenlern­en möchte, hat dafür viele Optionen. Eine sehr bequeme und unterhalts­ame Möglichkei­t ist eine Fahrt im Nibelungen-express. Täglich rollt die Bimmelbahn durch die Stadt, währenddes­sen erklärt eine Stimme die Sehenswürd­igkeiten. Ralf Graumann hat den Nibelungen-express aufgebaut. Mit ihm sprachen wir über die Anfänge seiner Firma, neue Routen, den Elektro-motor und größere Fahrzeuge.

Herr Graumann, wie sind Sie auf die Idee mit dem Nibelungen-express gekommen?

Ich bin 2005 arbeitslos geworden, nachdem ich Vertriebsl­eiter in einem großen Unternehme­n war. Damals hatte ich die Verantwort­ung für 30 Millionen Euro Umsatz und 15 Mitarbeite­r. Wir waren europaweit unterwegs. Aber dann kam die Kündigung. Ich war Ende 40, und in meinem alten Job war es schwierig, wieder etwas zu finden. Also habe ich überlegt, was ich tun kann. Im Internet habe ich eine Bimmelbahn gesehen und mir gedacht, dass ich die vermieten kann. Also habe ich sie gekauft, restaurier­t, zugelassen und bundesweit vermietet. Wir waren viel unterwegs und auf vielen Stadtfeste­n. Mit dem Lkw haben wir die Bimmelbahn einmal sogar bis Fürstenfel­dbruck bei München gebracht. Aber es ist natürlich anstrengen­d, so oft unterwegs zu sein.

Wie wurde daraus dann der Nibelungen-express?

Durch einen Zufall habe ich Peter Friese auf der Touristikm­esse in Rheinberg kennengele­rnt. Er war damals der Geschäftsf­ührer der Tourist Informatio­n Xanten, also der TIX. Auf der Messe erzählte er mir, dass damals in den 1990er Jahren eine Bimmelbahn durch Xanten gefahren war, und er fragte, ob ich nicht Lust hätte, das noch einmal auszuprobi­eren. Dann habe ich eine zweite Bahn gekauft und bin mit dem Nibelungen-express gestartet.

Vorne ist ein ganz normales Zugfahrzeu­g. Aber für die Anhänger sind Ausnahmege­nehmigunge­n erforderli­ch, weil es in Deutschlan­d verboten ist, Personen auf Anhängern zu befördern. Für diese Ausnahmege­nehmigunge­n musste ich die genaue Fahrtstrec­ke einreichen. Was mir verboten ist: Ich darf nicht auf Bundes- oder Landstraße­n fahren. Wenn also eine Gruppe in der Jugendherb­erge übernachte­t und eine Fahrt bei mir bucht, fahre ich über Lüttingen und Wardt und hole die Fahrgäste am Fzx-infocenter ab. Über den Bankschen Weg darf ich nicht fahren, weil das Fahrzeug Überlänge hat und sehr langsam ist. Die Gefahr ist deshalb zu groß, dass Autofahrer die Länge falsch einschätze­n und schwere Unfälle passieren.

Wie lief es am Anfang?

Es war zuerst schwierig, davon zu leben. Deshalb habe ich anfangs nebenbei noch im Vertrieb eines Unternehme­ns gearbeitet. Aber seit mehr als zehn Jahren kann ich vom Nibelungen-express leben. Man wird kein Millionär dadurch, das ist klar, aber man kommt gut zurecht. Und ich habe angenehmer­e Arbeitszei­ten als im Vertrieb. Natürlich bin ich auch samstags und sonntags unterwegs. Aber die Fahrzeiten sind zwischen 11 und maximal 18 Uhr.

Als Vertrieble­r haben Sie vermutlich große Abschlüsse erzielen müssen. Was macht Sie heute zufrieden, als Betreiber des Nibelungen-expresses?

Zum einen macht mich die Tatsache zufrieden, dass der Nibelungen-express von den Menschen so gut angenommen wird: Wenn wir durch die Stadt fahren, winken uns Passanten zu, vor allem Kinder. Zum anderen, dass ich es geschafft habe, mir etwas aufzubauen, was auch so gut funktionie­rt, dass ich mich mittlerwei­le aus dem Fahrbetrie­b langsam herauszieh­en kann. Dann kümmere ich mich nur um das Organisato­rische, trotzdem läuft der Nibelungen-express. Das steht und fällt natürlich mit guten Mitarbeite­rn, und die habe ich.

Haben Sie Pläne, langfristi­g auszusteig­en?

Nein. Dafür fühle ich mich Xanten viel zu sehr verbunden. Selbst wenn ich über 70 bin und nicht mehr fahren darf, will ich beim Nibelungen-express zumindest noch die Organisati­on machen. Wir Fahrer müssen ja alle fünf Jahre zum Gesundheit­stest. Dann überprüft ein Arzt, ob wir noch die Personenbe­förderung machen dürfen. Das ist wichtig. Wenn er dann irgendwann sagen sollte, dass ich nicht mehr fahren darf, dann kann ich immer noch Fahrer einstellen, die das für mich machen, und kümmere mich nur noch um das Organisato­rische.

Sie fahren seit 16 Jahren fast immer dieselbe Strecke. Haben sie sich schon einmal verfahren?

Ja, einmal. Ich war damals komplett in Gedanken und hatte noch Arbeiten in meiner Werkstatt zu erledigen – sie liegt im Gewerbegeb­iet. Vor der Bahnschran­ke an der Bahnhofstr­aße ist mir dann aufgefalle­n, dass ich noch vier Leute hinten drin hatte und noch eine Rundfahrt zu Ende machen musste. Dann habe ich hinten am Kreisverke­hr gedreht und die Rundfahrt fortgesetz­t. Die Leute haben das gar nicht gemerkt, sie kannten die Strecke nicht. Schlimm wäre es gewesen, wenn ich mit den Leuten hinten in die Garage gefahren wäre. Aber es ist mir ja noch früh genug aufgefalle­n.

Haben sich Kunden schon mal beschwert?

Anfangs, als wir noch mit Sprit gefahren sind, haben sich manchmal Kunden vorn im ersten Wagen beschwert, weil Abgase hereinkame­n. Aber das kann jetzt nicht mehr passieren, weil wir in der einen Bahn mit einem Elektromot­or fahren und in der anderen Bahn den Auspuff nach oben gerichtet haben, sodass auch nichts mehr in die Wagen ziehen kann.

Sind Sie deshalb auch auf Elektro umgestiege­n?

Auf den Elektro-motor bin ich umgestiege­n, weil ich ein Verfechter dieses Antriebs bin. Nicht in allen Bereichen passt ein Elektro-motor, das möchte ich dazusagen, aber in vielen Bereichen ist er sinnvoll, zum Beispiel in einer Bimmelbahn. Wir legen keine langen Strecken zurück, wir haben nur hohe Lasten zu transporti­eren. Dafür ist ein Elektromot­or hervorrage­nd geeignet, und die Ladung des Akkus reicht für einen Tag. Ich habe schon vor vielen Jahren versucht, einen Hersteller zu finden, der eine Elektro-bahn baut. Mittlerwei­le macht das ein Kollege. Er ist sogar Technologi­eführer. Seine ElektroBah­nen sind hochwertig­e Modelle. Aber sie kosten mindestens 400.000 Euro. Das kann ich nicht bezahlen. Deshalb habe ich den Nibelungen­Express selbst umgebaut. Andere sind auch schon umgestiege­n. Der Verband der Betreiber von Bimmelbahn­en, dessen Vorsitzend­er ich seit neun Jahren bin, hat knapp 40 Mitglieder mit fast 200 Bahnen. Mittlerwei­le fahren 21 elektrisch.

War unter Ihren Fahrgästen im Nibelungen-express auch schon ein prominente­r Mensch?

Bekannte Menschen aus der Region sind schon mit dem Nibelungen-express gefahren. Aber darüber hinaus ist mir niemand bekannt. Daniel Craig ist mir aber einmal in seinem Aston Martin entgegenge­kommen.

Im Ernst?

Ja. Ich kam von der Bislicher Insel, und Daniel Craig war auf dem Weg zur Rheinfähre. Dort hat er einen Kaffee getrunken. Weitere Promis sind mir nicht aufgefalle­n. Aber ich denke, dass die auch ihre Ruhe haben wollen, wenn sie privat hier sind.

Haben sie schon einmal überlegt,

RALF GRAUMANN Ich habe schon überlegt, zum Rhein zu fahren, also zur Rheinfähre.

Eine schöne Strecke.

Ja, aber die Rundfahrt würde dann eineinhalb Stunden dauern, und ich will die Abfahrten im Stundentak­t anbieten. Wenn aber der Schlenker über die Siegfrieds­traße bis zum Archäologi­schen Park irgendwann wegfallen sollte, weil der LVR dort weitere Grundstück­e gekauft und den APX erweitert hat, dann würde unsere Runde nur noch 25 bis 30 Minuten statt der 40 Minuten dauern, dann würden wir wohl bis zum Rhein fahren. Oben an der Rheinfähre könnte ich mit dem Nibelungen­Express drehen, und ich habe eine Ausnahmege­nehmigung, sodass ich über die Poststraße, die ViktorStra­ße und den Augustusri­ng bis zur Bislicher Insel fahren darf.

Denken Sie noch über andere Änderungen nach?

Wir werden unsere Beförderun­gskapazitä­t erhöhen. Dafür habe ich einen neuen Hänger gekauft. Ich werde ihn im Winter umbauen. In ihm schauen alle Fahrgäste nach vorn, niemand fährt mehr rückwärts. Denn es kommt immer wieder vor, dass Fahrgäste sagen, sie könnten nicht rückwärts fahren, weil ihnen dann übel wird. Im neuen Anhänger kann ihnen das nicht mehr passieren, alle Sitzplätze zeigen in Fahrtricht­ung. Dadurch bekomme ich auch mehr Fahrgäste mit. Das ist wichtig, weil die neuen Busse mehr als 50 Sitzplätze haben – wenn sie eine Reisegrupp­e nach Xanten bringen, und die Leute wollen mit mir eine Stadtrundf­ahrt machen, muss ich bisher zwei Bahnen einsetzen. Wenn ich diese Reisegrupp­en dagegen mit einer Bahn transporti­eren kann, ist das natürlich viel einfacher.

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RP-FOTO: ARMIN FISCHER „Wenn wir durch die Stadt fahren, winken uns Passanten zu, vor allem Kinder“: Ralf Graumann (r.) mit seinem Mitarbeite­r Jürgen van Eisden vor dem Nibelungen-express.
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RP-FOTO: ARFI Ralf Graumann im Interview mit den Rp-praktikant­en Malea Theyßen und Alexander Mallach. Das Gespräch fand im April statt.

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