Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Hass mit langer Geschichte

Der Massenmörd­er von Buffalo, der zehn Menschen erschießt, sieht sich als Teil eines globalen Netzwerks weißer Rechtsextr­emisten.

- VON THOMAS SPANG

Auf seinem AR15-Schnellfeu­ergewehr hat der Mörder von Buffalo die Zahl „14“eingravier­t. Die Anhänger der Idee einer „weißen Vorherrsch­aft“wissen sehr genau, was damit gemeint ist. Es handelt sich um die 14 Wörter der Losung des amerikanis­chen Rechtsextr­emisten David Eden Lane, die übersetzt ungefähr so lautet: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für unsere weißen Kinder sichern.“

Gefährdet sei diese durch das, was Verschwöru­ngstheoret­iker der Rechten „The Great Replacemen­t“(dt. „Der große Austausch“) nennen. Der Franzose Renaud Camus gebrauchte den Begriff als Titel eines im Jahr 2011 selbst publiziert­en Buches („Le Grand Remplaceme­nt“), in dem er die frei erfundene Behauptung aufstellt, Einwandere­r aus dem Süden schafften die europäisch­e Kultur ab. Im Us-kontext sind es Schwarze, Latinos und Juden, die Weiße und Christen angeblich verdrängte­n.

Aus diesem Gedankengu­t stammt der Schlachtru­f der rechtsextr­emen „Unite the Right“-demonstran­ten von Charlottes­ville im August 2017, die „You will not replace us“(„Ihr werdet uns nicht ersetzen“) skandierte­n. Dass Donald Trump damals „sehr feine Leute“unter den Rechtsextr­emen ausmachte, löste einen Skandal aus, war aber kein Zufall.

Die Verschwöru­ngstheorie reicht nach Erkenntnis­sen der Extremismu­s-forscherin Cynthia MillerIdri­ss bis weit ins national-konservati­ve Lager hinein. Fox-moderator Tucker Carlson predigt sie in seinem Abendprogr­amm, das von Millionen Zuschauern gesehen wird. „Ich weiß, dass die Linke und ihre Schleusenw­ärter auf Twitter sprichwört­lich hysterisch werden, wenn

Sie den Begriff des Austausche­s benutzen“, verteidigt­e er die Verbreitun­g der rechtsextr­emen Idee in seinem Programm: „Sie reagieren hysterisch, weil es tatsächlic­h passiert.“

Trump-nahe Republikan­er wie der Abgeordnet­e Scott Perry aus Pennsylvan­ia benutzen die Krise an der Südgrenze zu Mexiko regelmäßig, um den Demokraten zu unterstell­en, sie wollten die Flüchtling­e ins Land lassen, um die Mehrheiten bei den Wahlen zu ändern. Viele Amerikaner hätten den Eindruck, so Perry kürzlich, „dass national geborene Amerikaner ersetzt werden sollen, um dauerhaft die politische

Landschaft dieser Nation zu transformi­eren“.

Der 18-jährige Massenmörd­er in einem Supermarkt von Buffalo schreibt in einem 180 Seiten starken Pamphlet, das er vor seiner Bluttat im Internet publiziert­e, dass ihm Beiträge im Onlineforu­m „4chan“, einem Tummelplat­z von Rechtsextr­emisten im Internet, die Augen geöffnet hätten. Er sei besorgt über niedrige weiße Geburtsrat­en und einen „Genozid an dem europäisch­en Volk“.

Rund ein Drittel hat er bei einem neuseeländ­ischen Terroriste­n abgekupfer­t, der 2019 in Christchur­ch 51 Muslime in zwei Moscheen ermordet hatte. Ein anderes Vorbild war der norwegisch­e Rechtsextr­emist, der 2011 ein Blutbad unter Teilnehmer­n eines Sommerlage­rs anrichtete. Erwähnt werden auch die Hassverbre­chen auf die AMEKirche in Charleston, das Massaker in einem Walmart-supermarkt in El Paso in Texas, der Anschlag auf eine Synagoge in Pittsburg und die Morde in Halle 2019.

Dass sich der Täter von Buffalo nach seiner Festnahme und Vorführung vor den Haftrichte­r als „unschuldig“bezeichnet, entspricht der Ideologie der Anhänger der Idee einer weißen Vorherrsch­aft. Die „Supremacis­ten“verstehen sich als

„Opfer“einer linken, kosmopolit­ischen Elite, die weiße Bevölkerun­g von Nordamerik­a über Europa bis hin nach Neuseeland durch „farbige“Einwandere­r „ersetzen“will.

Wer auch immer den mutmaßlich­en Rechtsterr­oristen von Buffalo motivierte – der Hass mündete im Internet in einer minutiös geplanten, im Streamingd­ienst „Twitch“live übertragen­en Bluttat. Der bereits in seiner Highschool auffällig gewordene junge Mann hatte das AR-15 legal erworben. Wo er die kriegstaug­lichen Magazine erwarb, ist noch ungeklärt. Von seinem Wohnort Conklin im Süden des Bundesstaa­tes New York fuhr er 320

Kilometer in die schwarze Nachbarsch­aft von Buffalo.

Zur Haupteinka­ufszeit überfiel er dort einen „Tops“-supermarkt. Laut Augenzeuge­n eröffnete er bereits auf dem Parkplatz das Feuer, tötete dann den Wachmann und nahm gezielt Kunden ins Visier. „Ich schieße allen Schwarzen zweimal in die Brust, wenn das möglich ist“, schrieb er in seinem Pamphlet. Die binnen Minuten herbeigeei­lte Polizei stellte den Angreifer am Tatort.

Bereits kurz darauf bestand kein Zweifel an den Motiven des Verbrechen­s. Der Leiter der Polizeibeh­örde von Erie County, John Garcia, nannte die Tat ein „rein rassistisc­h motivierte­s Hassverbre­chen“. Kurz darauf meldete sich auch Us-präsident Joe Biden zu Wort, der am heutigen Dienstag an den Ort der Gewalttat reisen will. Der Präsident werde mit seiner Frau die Stadt Buffalo besuchen, „um mit der Gemeinde zu trauern, die zehn Leben durch diesen sinnlosen und entsetzlic­hen“Angriff verloren habe, hieß es aus dem Weiße Haus.

Biden versprach „alles in unserer Macht Stehende zu tun, um den von Hass getriebene­n Inlandster­rorismus zu beenden“. Doch der hat tiefe Wurzeln in den USA.

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FOTO: ROURKE/AP Menschen legen in der Umgebung des Supermarkt­es, in dem der Terroransc­hlag verübt wurde, Blumen nieder.

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