Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Hass mit langer Geschichte
Der Massenmörder von Buffalo, der zehn Menschen erschießt, sieht sich als Teil eines globalen Netzwerks weißer Rechtsextremisten.
Auf seinem AR15-Schnellfeuergewehr hat der Mörder von Buffalo die Zahl „14“eingraviert. Die Anhänger der Idee einer „weißen Vorherrschaft“wissen sehr genau, was damit gemeint ist. Es handelt sich um die 14 Wörter der Losung des amerikanischen Rechtsextremisten David Eden Lane, die übersetzt ungefähr so lautet: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für unsere weißen Kinder sichern.“
Gefährdet sei diese durch das, was Verschwörungstheoretiker der Rechten „The Great Replacement“(dt. „Der große Austausch“) nennen. Der Franzose Renaud Camus gebrauchte den Begriff als Titel eines im Jahr 2011 selbst publizierten Buches („Le Grand Remplacement“), in dem er die frei erfundene Behauptung aufstellt, Einwanderer aus dem Süden schafften die europäische Kultur ab. Im Us-kontext sind es Schwarze, Latinos und Juden, die Weiße und Christen angeblich verdrängten.
Aus diesem Gedankengut stammt der Schlachtruf der rechtsextremen „Unite the Right“-demonstranten von Charlottesville im August 2017, die „You will not replace us“(„Ihr werdet uns nicht ersetzen“) skandierten. Dass Donald Trump damals „sehr feine Leute“unter den Rechtsextremen ausmachte, löste einen Skandal aus, war aber kein Zufall.
Die Verschwörungstheorie reicht nach Erkenntnissen der Extremismus-forscherin Cynthia MillerIdriss bis weit ins national-konservative Lager hinein. Fox-moderator Tucker Carlson predigt sie in seinem Abendprogramm, das von Millionen Zuschauern gesehen wird. „Ich weiß, dass die Linke und ihre Schleusenwärter auf Twitter sprichwörtlich hysterisch werden, wenn
Sie den Begriff des Austausches benutzen“, verteidigte er die Verbreitung der rechtsextremen Idee in seinem Programm: „Sie reagieren hysterisch, weil es tatsächlich passiert.“
Trump-nahe Republikaner wie der Abgeordnete Scott Perry aus Pennsylvania benutzen die Krise an der Südgrenze zu Mexiko regelmäßig, um den Demokraten zu unterstellen, sie wollten die Flüchtlinge ins Land lassen, um die Mehrheiten bei den Wahlen zu ändern. Viele Amerikaner hätten den Eindruck, so Perry kürzlich, „dass national geborene Amerikaner ersetzt werden sollen, um dauerhaft die politische
Landschaft dieser Nation zu transformieren“.
Der 18-jährige Massenmörder in einem Supermarkt von Buffalo schreibt in einem 180 Seiten starken Pamphlet, das er vor seiner Bluttat im Internet publizierte, dass ihm Beiträge im Onlineforum „4chan“, einem Tummelplatz von Rechtsextremisten im Internet, die Augen geöffnet hätten. Er sei besorgt über niedrige weiße Geburtsraten und einen „Genozid an dem europäischen Volk“.
Rund ein Drittel hat er bei einem neuseeländischen Terroristen abgekupfert, der 2019 in Christchurch 51 Muslime in zwei Moscheen ermordet hatte. Ein anderes Vorbild war der norwegische Rechtsextremist, der 2011 ein Blutbad unter Teilnehmern eines Sommerlagers anrichtete. Erwähnt werden auch die Hassverbrechen auf die AMEKirche in Charleston, das Massaker in einem Walmart-supermarkt in El Paso in Texas, der Anschlag auf eine Synagoge in Pittsburg und die Morde in Halle 2019.
Dass sich der Täter von Buffalo nach seiner Festnahme und Vorführung vor den Haftrichter als „unschuldig“bezeichnet, entspricht der Ideologie der Anhänger der Idee einer weißen Vorherrschaft. Die „Supremacisten“verstehen sich als
„Opfer“einer linken, kosmopolitischen Elite, die weiße Bevölkerung von Nordamerika über Europa bis hin nach Neuseeland durch „farbige“Einwanderer „ersetzen“will.
Wer auch immer den mutmaßlichen Rechtsterroristen von Buffalo motivierte – der Hass mündete im Internet in einer minutiös geplanten, im Streamingdienst „Twitch“live übertragenen Bluttat. Der bereits in seiner Highschool auffällig gewordene junge Mann hatte das AR-15 legal erworben. Wo er die kriegstauglichen Magazine erwarb, ist noch ungeklärt. Von seinem Wohnort Conklin im Süden des Bundesstaates New York fuhr er 320
Kilometer in die schwarze Nachbarschaft von Buffalo.
Zur Haupteinkaufszeit überfiel er dort einen „Tops“-supermarkt. Laut Augenzeugen eröffnete er bereits auf dem Parkplatz das Feuer, tötete dann den Wachmann und nahm gezielt Kunden ins Visier. „Ich schieße allen Schwarzen zweimal in die Brust, wenn das möglich ist“, schrieb er in seinem Pamphlet. Die binnen Minuten herbeigeeilte Polizei stellte den Angreifer am Tatort.
Bereits kurz darauf bestand kein Zweifel an den Motiven des Verbrechens. Der Leiter der Polizeibehörde von Erie County, John Garcia, nannte die Tat ein „rein rassistisch motiviertes Hassverbrechen“. Kurz darauf meldete sich auch Us-präsident Joe Biden zu Wort, der am heutigen Dienstag an den Ort der Gewalttat reisen will. Der Präsident werde mit seiner Frau die Stadt Buffalo besuchen, „um mit der Gemeinde zu trauern, die zehn Leben durch diesen sinnlosen und entsetzlichen“Angriff verloren habe, hieß es aus dem Weiße Haus.
Biden versprach „alles in unserer Macht Stehende zu tun, um den von Hass getriebenen Inlandsterrorismus zu beenden“. Doch der hat tiefe Wurzeln in den USA.