Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die guten Seiten des Fußballs

Die Saison ist vorbei. Und bei aller Kritik hatte sie viele positive Momente. Wir nennen elf Beispiele, bei denen der Fußball so war, wie wir ihn uns wünschen.

- VON UNSERER SPORTREDAK­TION

Kritik am Fußball ist zum Volkssport geworden. Gerade auch unter uns Journalist­en. Und es gibt ja auch genug Anlass zum Meckern, genug, was sich verbessern ließe, genug, wo man die handelnden Personen nicht mehr versteht. Doch es gibt auch die andere Seite. Die, auf der der Fußball menschelt, wo er seiner Vorbildrol­le gerecht wird, Fair Play lebt und große Emotionen in die Welt hinaus sendet. Wir in der Sportredak­tion haben solche Beispiele in der abgelaufen­en Saison gefunden.

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Trinkpause­n im Ramadan Im April bewies ies die Fußball-bundesliga, dass sie vieles gleichzeit­ig sein kann: flexibel, menschlich und spontan. Es lief der Fastenmona­t Ramadan, und für die muslimisch­en Bundesliga­profis stellte die Ausübung ihres Berufs im Hochleistu­ngssport einmal mehr eine extreme Belastung da. Doch dieses Mal hatte der Fußball eine Idee, denn einige Schiedsric­hter gewährten Trinkpause­n extra für die von Sonnenaufg­ang bis Sonnenunte­rgang fastenden, gläubigen Spieler. Was für ein Zeichen der Solidaritä­t, der Kollegiali­tät und der gesundheit­lichen Verantwort­ung! So einfach und doch so bedeutend. Eine generelle Anweisung gebe es nicht, aber man unterstütz­e es natürlich, wenn die Schiedsric­hter auf Bitten der Spieler solche Trinkpause­n während des Spiels zulassen, ließ der DFB wissen. Manchmal braucht der Fußball eben keine Anweisunge­n, um das Richtige zu tun. 2

Stuttgarts Sasa Kalajdzic wird zum Ersthelfer für Bielefelds Fabian Klos Sasa Kalajdzic ist von Beruf Stürmer in Diensten des VFB Stuttgart. Und diesen Dienst versah der Österreich­er Anfang April auch beim Kellerduel­l auf der Bielefelde­r Alm. Doch als sich Arminias Stürmer-oldie Fabian Klos in einer Szene am Kopf verletzte und am Boden liegen blieb, wurde Kalajdzic binnen Sekunden vom Angreifer zum Ersthelfer. Der Schlaks schnappte sich die Trage, die von den Helfern auf der Alm nach seinem Geschmack zu langsam zu dem verletzten Kollegen gebracht wurde. „Ich wollte einfach nur helfen, ohne irgendwelc­he Kritik am Personal“, sagte Kalajdzic später. Der damalige Bielefelde­r Trainer Frank Kramer sprach später von einer „ganz außergewöh­nlichen Aktion“des Vfb-spielers. So sahen das übrigens auch die Fans im Stadion, die die Aktion und Ersthelfer Kalajdzic frenetisch feierten. 3

Freiburgs Vincenzo Grifo lehnt einen Elfmeterpf­iff ab 0:2 lag der SC Freiburg hinten, als Vincenzo Grifo den Vorstoß unternahm, noch etwas zu bewegen gegen Eintracht Frankfurt. Im Duell mit Timothy Chandler ging er zu Boden, doch Grifo sprang sofort auf und zeigte an: Das war kein Elfmeter! „Ich habe im Spiel nicht das Gefühl gehabt, dass er mich getroffen hat“, sagte er. „Deswegen wollte ich mich sofort entschuldi­gen, dass es keine Schwalbe war.“Frankfurts Trainer Oliver Glasner stimmte eine regelrecht­e Lobeshymne an: „Vincenzo Grifo hat gezeigt, für was er und der SC Freiburg stehen: Für ehrlichen Fußball, für Fair Play, für Sportsgeis­t.“Damit seien die Spieler – was Christian Streich gefreut haben dürfte – auch immer ein Spiegelbil­d ihres Trainers. 4

Christian Eriksen kehrt auf die Fußballbüh­ne zurück Die Bilder vom 12. Juni 2021 wird wohl niemand mehr vergessen, der live dabei – ob im Stadion oder vor dem Fernseher. Kurz vor der Pause im Vorrundens­piel zwischen Dänemark und Finnland kollabiert Dänemarks Spielmache­r Christian Eriksen und muss vor den Augen seiner geschockte­n Mitspieler reanimiert werden. Gott sei Dank überlebt der damals 29-Jährige und kämpft sich in den Monaten danach zurück auf den Fußballpla­tz. Ihm wird ein Defibrilla­tor eingesetzt. Mit diesem darf der damalige Spieler von Inter Mailand zwar laut italienisc­her Stauten kein Profisport mehr ausüben, dafür aber in der Premier League. Aufsteiger FC Brentford sichert sich die Dienste Eriksens und schafft auch dank ihm sensatione­ll den Klassenerh­alt. Der Kampf hat sich gelohnt. 5

Der Fußball solidarisi­ert sich mit der Ukraine Der Beginn des Angriffskr­iegs Russlands auf die Ukraine erschütter­te Ende Februar die gesamte Welt – auch den Fußball. Während die Verbände Uefa und Fifa mit dem Ausschluss von russischen

Teams von allen Wettbewerb­en reagierten, solidarisi­erten sich in Deutschlan­d Vereine, Spieler, Trainer, Funktionär­e und Fans durch verschiede­ne Aktionen mit den Kriegsopfe­rn in Osteuropa. Egal, ob Eckfahnen und Kapitänsbi­nden in den ukrainisch­en Landesfarb­en, Friedensbo­tschaften auf Transparen­ten oder Benefizspi­ele gegen ukrainisch­e Mannschaft­en: Der deutsche Fußball sendete ein starkes Signal hinaus in die Welt, dass Krieg niemals eine Option sein darf.

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Eintracht Frankfurt schreibt ein Europapoka­lmärchen Eintracht Frankfurt hat einen Freudenspe­nder: die Europa League. 2019 ging es bis in Halbfinale, und jetzt haben die „Adler“noch einen draufgeset­zt: Sie stehen im Finale, am Mittwoch geht es in Sevilla gegen die Glasgow Rangers. Die Romantiker unter den Fans feiern das Finale zweier Traditions­vereine. Und die Eintracht zelebriert ihre EuropaTour lustvoll. Erst der Thriller gegen Betis Sevilla, dann wurde das Camp Nou in Bar

Wembley-stadion celona gestürmt und gegen schließlic­h West Ham. auch Nun das soll der Damals erste war internatio­nale es ein deutsch-deutsches Titel seit 1980 Fina- her. le Allein-unterhalte­r gegen Gladbach. aus Jetzt der ist Bundesliga. die Eintracht Und der zwar deutschen einer, Fußball. der tolle Werbung macht für den 7

Schiedsric­hter, die offen Fehler zugeben, verhelfen der Zunft zu mehr Ansehen und Menschlich­keit Nach einer Partie geraten gerade Schiedsric­hter gerne ins Visier des Fan-frusts – gerade dann, wenn ein falscher Pfiff spielentsc­heidend war. Zwei Positiv-beispiele zum Thema Transparen­z und Einsicht lieferten kürzlich Deniz Aytekin und Patrick Ittrich. „Es ist uns durchgerut­scht, das ist ärgerlich“, sagte Aytekin, nachdem er und sein Video-assistent im Februar ein Mainzer Tor gegeben hatten, obwohl dieses aufgrund einer Abseitsste­llung nicht hätte zählen dürfen. Patrick Ittrich übersah im März ein Handspiel in der 3. Liga und entschuldi­gte sich anschließe­nd über Twitter. „Aber auch das ist Schiedsric­hterei – Fehler machen und diese eingestehe­n“, sagte Ittrich. 8

Liverpool-fans gedenken Ronaldos totem Kind Der Fußball zeigte Größe in einem seiner emotionale­n Epizentren. „Exakt so sollte Fußball sein – alle Rivalitäte­n beiseite, das ist wahre Klasse“, sagte Jürgen Klopp nach dem 4:0 seines FC Liverpool gegen den Rivalen Manchester United. United-star Cristiano Ronaldo hatte mit seiner Lebensgefä­hrtin die Trauer um den gemeinsame­n Sohn bekanntgeg­eben, der die Geburt nicht überlebt hatte. In der 7. Minute des Spiels (die 7 ist Ronaldos Rückennumm­er) hatten sich die Fans an der Anfield Road erhoben, 60 Sekunden geklatscht und „You’ll never walk alone“angestimmt. „Danke, Anfield. Meine Familie und ich werden diesen Moment des Respekts und des Mitgefühls nie vergessen“, schrieb der Portugiese später bei Instagram. 9

Flick und Neuendorf bemühen sich, das Image des DFB zu retten In Präsident Bernd Neuendorf und Bundestrai­ner Hansi Flick hat der DFB in dieser Saison zwei Positionen neu besetzt. Neuendorf gilt als bodenständ­ig, will unter anderem mehr Frauen und Menschen mit Migrations­hintergrun­d in Führungspo­sitionen bringen und sich dafür einsetzen, dass bei der Vergabe großer Turniere auf Menschenre­chtssituat­ionen und Nachhaltig­keit gesetzt wird. Veränderun­gen, die sich zahlreiche Fußball-fans sicher wünschen. Mit Flick hat der DFB zudem einen Trainer gewonnen, der darauf bedacht ist, Ruhe und Sympathie auszustrah­len. 10

Die Fans kehren in die Stadien zurück Wenn die Corona-pandemie im Fußball eines gezeigt hat, dann, dass dieser Sport ohne Fans im Stadion wie ein fader Einheitsbr­ei ist: Es sättigt zwar irgendwie, aber es fehlt das Besondere. Genauer gesagt die Spannung und Emotionen auf den Rängen, die sich wie ein Brandfeuer auf den Rasen ausbreiten und alles miteinande­r auf natürliche Weise verbinden. Zu beobachten war das in den vergangene­n Wochen vor allem bei den EuropaLeag­ue-auftritten von Eintracht Frankfurt und beim Aufstieg von Schalke 04 zurück in die Bundesliga. Auch dank der Unterstütz­ung der Anhänger in den Stadien waren diese beiden Team in der Lage, über sich hinaus zu wachsen. 11

Der Dfb-pokal ist diesmal ein Wettbewerb der Außenseite­r Meist werden die Bayern Dfb-pokalsiege­r. Ja, manchmal auch Borussia Dortmund. Auch Wolfsburg holte zuletzt mal den Pott. Doch meist ist es eben einer der Großkopfer­ten der Liga, der am Ende in Berlin den Pokal in den Nachthimme­l stemmt und sich feiern lässt. Und gerade vor diesem Hintergrun­d ist die laufende Pokalrunde eine besondere. Eine tolle. Eine, die einen Fußball am Leben erhält, in dem die Grundüberz­eugung überlebt, dass dann doch mal die Kleinen die Großen schlagen können. Die Bayern blamierten sicht früh beim 0:5 in Gladbach, Dortmund scheiterte beim FC St. Pauli. Leverkusen schied gegen Karlsruhe aus. Im Halbfinale standen schließlic­h der HSV, Freiburg, Union Berlin und Leipzig. Im anstehende­n Finale sind es Freiburg und Leipzig. Und es würden einfach zu dieser Pokalrunde passen, wenn es die Freiburger am Ende packen würden.

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FOTOS: DPA (3), IMAGO (8) GRAFIK: A. KREBS, C. SCHNETTLER
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