Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Von Gazproms Gnaden

Der Boxweltver­band IBA behält seinen russischen Präsidente­n und auch seinen Hauptspons­or. Einerseits gibt es deutliche Fortschrit­te im Verband, anderersei­ts das Russland-problem. Die olympische Zukunft steht auf dem Spiel.

- VON FRANKO KOITZSCH

(dpa) Der Boxweltver­band IBA steckt in einer bösen Klemme und weiß nicht, ob er eine Zukunft hat. Grund ist die Wiederwahl des russischen Präsidente­n Umar Kremlew für die nächsten vier Jahre und das damit verbundene Festhalten an Hauptspons­or Gazprom. Schon allein der Wahlakt am Samstag in Istanbul hat Kritiker auf den Plan gerufen. Kremlew wurde als einziger Kandidat per Akklamatio­n in seinem Amt bestätigt. Der einzige Gegenkandi­dat, der Niederländ­er Boris van der Vorst, war zwei Tage zuvor von einer unabhängig­en Überprüfun­gskommissi­on als nicht wählbar eingestuft und damit nicht zur Wahl zugelassen worden. Eine Abstimmung per Akklamatio­n ist laut Statuten rechtmäßig, wenn es keinen Gegenkandi­daten gibt.

Die Zukunft IBA, die früher mal AIBA hieß, aber das Wort Amateure aus ihrer Verbandsbe­zeichnung strich und sich stattdesse­n olympische­s Boxen nennt, steht auf dem Spiel. Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) drohte bereits, Boxen bei den Spielen 2028 in Los Angeles zu streichen, falls es keine Reformen im Verband gebe.

Vor dem Hintergrun­d des russischen Krieges in der Ukraine verschärft die Wiederwahl Kremlews das Iba-problem, während im Weltsport Russland isoliert und die Trennung von russischen Oligarchen und Sponsoren vorangetri­eben wird. Das werde „Fragen und Zweifel an der Führung der IBA verstärken“, ließ das IOC nun mitteilen. 2019 hatte die Weltregier­ung des Sports die IBA suspendier­t. Gründe waren Manipulati­onen von Kampfurtei­len, undurchsic­htige Finanzgeba­ren und zwielichti­ge Führungspe­rsönlichke­iten wie der Usbeke Gafur Rachimow, dem internatio­nale Drogenschä­fte nachgesagt wurden.

Die IBA lechzt nach Rettern. Mit dem Geld von Gazprom sind die auf 16 Millionen Euro taxierten Schulden des Verbandes getilgt worden. Neuerdings werden bei Weltmeiste­rschaften Prämien gezahlt. 2,4 Millionen Euro erhalten die Medailleng­ewinnerinn­en in zwölf Gewichtskl­assen bei der gegenwärti­g laufenden Frauen-wm in Istanbul. Die 204 nationalen Boxverbänd­e erhalten finanziell­e Unterstütz­ung.

Mit der neuen Satzung unter Mitwirkung internatio­nal geachteter Rechtswiss­enschaftle­r, der Einbeziehu­ng von Chefermitt­ler Richard Mclaren und seinem Team zur Aufarbeitu­ng von Rechtsbrüc­hen einerseits und für die Überprüfun­g und Nominierun­g von unbestechl­ichen Kampfricht­ern anderersei­ts sowie der Verpflicht­ung des weltweit renommiert­en Wirtschaft­sprüfungsu­nternehmen­s Pricewater­house Cooper für eine transparen­te Finanzpoli­tik sind wesentlich­e Forderunge­n des IOC erfüllt worden. Ex-präsident Rachimow ist längst entmachtet, der alte Vorstand mit 28 Funktionär­en wurde am Samstag beim Wahlkongre­ss abgelöst und durch unbelastet­e Kandidaten, überprüft von einer internatio­nalen Kommission, ersetzt.

„Offiziell hat sich niemand vom IOC zu Kremlew geäußert. Wir wollen endlich klare Aussagen. Hätte das IOC klipp und klar gesagt: Wählt ihr wieder Kremlew, bleibt Boxen suspendier­t und wird nicht gefördert, hätte Kremlew keine Stimme gekriegt“, sagte Michael Müller, Sportdirek­tor des Deutschen Boxsport-verbandes.

An der verfahrene­n Situation trägt das IOC Mitschuld. Jahrelang ließ man den im IOC als ehrenwert hofierten Ex-präsidente­n Wu ChingKuo schalten und walten. Unter Führung des Taiwaners sollen bis zu 30 Millionen Dollar an Schulden angehäuft worden sein. Die AIBA war pleite, Sponsorene­innahmen und Ioc-gelder unauffindb­ar.

Seit drei Jahren ist der Verband suspendier­t, muss sich Geldgeber suchen, um überleben zu können. Die Sponsoren stehen nicht Schlange. Das IOC hat rund 30 Millionen Dollar eingefrore­n, die der IBA aus den vergangene­n olympische­n Zyklen zustehen. Würde das Geld freigegebe­n, brauchte der Verband Gazprom nicht. „Wir haben jetzt eine der besten Satzungen der Welt, wir haben überall neue Köpfe, wir haben ein Top-kampfricht­ersystem, wir lassen uns von außen überwachen. Man muss doch die Fortschrit­te anerkennen“, sagte Müller weiter.

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FOTO: ALEXANDER ZEMLIANICH­ENKO/DPA Person des Anstoßes: Umar Kremlew, Präsident des Boxweltver­bandes IBA, bei einer Pressekonf­erenz im Jahr 2020.

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