Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Entschlossen zum Alleingang
London hat eine Gesetzesinitiative angekündigt, damit die Regierung Teile des Nordirland-protokolls außer Kraft setzen kann.
Großbritannien steuert wieder auf einen Streit mit der Europäischen Union zu. London verlangt von Brüssel Nachbesserungen beim Nordirland-protokoll. Die britische Außenministerin Lizz Truss hat am Dienstag im Unterhaus eine Gesetzesinitiative angekündigt, die der Regierung die Handhabe geben soll, Teile des Protokolls außer Kraft setzen zu können. Truss betonte, dass man auf eine Verhandlungslösung setze, zeigte sich aber entschlossen für einen Alleingang.
Auch Premierminister Boris Johnson sieht, sollte die EU sich nicht bewegen, „die Notwendigkeit zu handeln“und drohte, notfalls einseitig vorzugehen. Es wird befürchtet, dass es nach einer unilateralen Aussetzung des Protokolls zu einem Handelskrieg zwischen EU und dem Königreich kommen könnte.
Das Nordirland-protokoll ist Teil des Brexit-austrittsvertrages und schreibt Nordirland einen Sonderstatus zu: Die Provinz verbleibt im Eu-binnenmarkt und hat keine harte Landesgrenze mit der Republik Irland. Daher wurden Warenkontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland notwendig. Das habe zu Verwerfungen im innerstaatlichen Güterverkehr geführt, klagte Johnson. Es gebe Lieferprobleme, mehr als 200 britische Unternehmen hätten es ganz aufgegeben, Waren nach Nordirland einzuführen.
Die „Democratic Unionist Party“(DUP), die größte protestantisch-unionistische Partei der Provinz, verweigert aus Protest gegen das Protokoll, sich an der machtteilenden Regionalregierung zu beteiligen. Nach den Anfang Mai stattgefundenen Wahlen verhinderte die DUP die Wahl eines Parlamentspräsidenten, was das Regionalparlament in Belfast arbeitsunfähig macht. Diese politische Blockade dient jetzt der Außenministerin Lizz Truss dazu, ihre Gesetzesinitiative zu rechtfertigen. Man müsse das Friedensabkommen und seine Institutionen schützen, sagte sie im Unterhaus, und daher sei es unabdingbar, das Protokoll zu reformieren.
Ihre Änderungsvorschläge sehen unter anderem vor, dass für Importwaren ein grüner und ein roter Kanal eingeführt werden. Der grüne Kanal wäre für Güter bestimmt, die in Nordirland verbleiben und deshalb von Kontrollen ausgenommen sind, während die rote Spur für Waren dient, die weiter nach Irland geliefert und überprüft werden müssen. Übergangsbestimmungen, die bislang für Lebensmittel und Supermärkte galten, sollen permanent werden.
Für nordirische Unternehmen soll künftig ein duales Regulationssystem gelten, das ihnen erlaubt, entweder britische Regeln für den Export ins Mutterland oder Eu-regeln für den Binnenmarkt anzuwenden.
Auf besonders viel Ablehnung in
Brüssel dürfte die Forderung stoßen, die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes für Nordirland zu beschneiden.
Sollte Großbritannien seine Drohung wahr machen und das Protokoll einseitig aufkündigen, würde das vonseiten der EU als Vertragsverletzung bewertet werden und könnte zu einer Aussetzung des bilateralen Handelsvertrages führen.
Der irische Außenminister Simon Coveney erklärte am Dienstag, dass er in seinem Gespräch mit Truss deutlich gemacht habe, „dass internationales Recht zu brechen nicht die Antwort ist, um die Protokoll-fragen zu lösen“. Es sei „Zeit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren“.