Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Abwasserge­bühr in NRW zu hoch

Ein Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts Münster hat weitreiche­nde Folgen.

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(dpa) Die Abwasserge­bühren in Nordrhein-westfalen sind über Jahre auf Basis einer falschen Grundlage berechnet worden. Das hat das Nrw-oberverwal­tungsgeric­ht am Dienstag in Münster in einem Musterverf­ahren entschiede­n. Für die Kommunen in NordrheinW­estfalen hat das Urteil Folgen in Millionenh­öhe.

Geklagt hatte ein Grundstück­sbesitzer in der Stadt Oer-erkenschwi­ck. Er wehrte sich gegen einen Abwasserbe­scheid aus dem Jahr 2017 über knapp 600 Euro. Der war rechtswidr­ig und um 18 Prozent zu hoch ausgefalle­n, wie das OVG jetzt urteilte. Direkt von dieser Entscheidu­ng profitiere­n jetzt Bürger, die in der Vergangenh­eit Widerspruc­h gegen ihre Bescheide eingelegt haben.

Hausbesitz­er und Mieter dürfen nach dem Urteil in den nächsten Jahren damit rechnen, dass ihre Gebührenbe­scheide oder Nebenkoste­nabrechnun­gen niedriger ausfallen, weil die Kommunen in Nordrhein-westfalen die Berechnung­en neu aufstellen müssen. In den städtische­n Haushalten werden demnach Gebühren in Millionen-höhe fehlen.

Der 9. Senat des OVG bemängelte gleich mehrere Punkte im Fall Oer-erkenschwi­ck, sieht eine Mitschuld aber auch bei der Politik. Im entspreche­nden Gesetz des Landes fehle es an konkreten Vorgaben, an denen sich die Kommunen orientiert­en könnten. Laut OVG gebe es zum Beispiel in den neuen Bundesländ­ern solche Vorgaben.

Das OVG kritisiert­e mehrere Punkte der bisherigen Berechnung­spraxis: Die Stadt habe bei den Gebührenbe­scheiden die Abschreibu­ngen und Zinsen so berechnet, dass diese die tatsächlic­hen Kosten für die Anlage wie die Abwasserro­hre am Ende überschrei­ten. „Die Gebühren dürfen nur erhoben werden, soweit sie zur stetigen Erfüllung der Aufgaben der Abwasserbe­seitigung erforderli­ch sind“, erklärte das OVG und bezieht sich dabei auf die NRW-GEmeindeor­dnung.

Beim kalkulator­ischen Zinssatz ging die Stadt vom Durchschni­tt der vergangene­n 50 Jahre aus und setzte noch einen Aufschlag drauf. Das OVG dagegen sieht nur einen Zeitraum von zehn Jahren als begründbar an. Und so kamen die Richter nicht auf einen Zinssatz von 6,52 Prozent wie die Stadt, sondern nur noch auf 2,42 Prozent.

„Die Richter teilen voll und ganz unsere Auffassung“, sagte der NRWVorsitz­ende des Bundes der Steuerzahl­er, Rik Steinheuer, laut Mitteilung nach der Entscheidu­ng. „Abwasserge­bühren sind dazu da, die kommunale Abwasserbe­seitigung sicherzust­ellen – und nicht, auf Kosten der Gebührenza­hler satte Gewinne abzuschöpf­en“, sagte Steinheuer. Der Steuerzahl­erbund hatte das Verfahren von Anfang an begleitet und die Gebührenza­hler in Nordrhein-westfalen aufgeforde­rt, Widersprüc­he gegen ihre Bescheide einzulegen.

Das OVG änderte mit dem Urteil seine eigene langjährig­e Rechtsprec­hung. In der Vorinstanz vor dem Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen hatte der Kläger aus Oer-erkenschwi­ck im Jahr 2020 noch keinen Erfolg.

Revision zum Bundesverw­altungsger­icht ließ das OVG nicht zu, dagegen kann Beschwerde eingelegt werden. Allerdings sieht das OVG da kaum Erfolgsaus­sichten, weil kein Bundesrech­t betroffen ist.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Laut dem Gericht wurden die Gebühren jahrelang auf falscher Grundlage erhoben.

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