Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wie sich Baumängel vermeiden lassen
Bei 75 Prozent aller Neubauten sorgen minderwertige Materialien oder fehlerhafte Ausführung der Handwerksarbeiten für Probleme.
Rund eine Million Deutsche planen laut Statistischem Bundesamt in den nächsten ein bis zwei Jahren den Neubau eines Hauses. Vor allem die Zweifamilienhäuser liegen im Trend. Im vergangenen Jahr wurden für diese 24,6 Prozent mehr Baugenehmigungen erteilt als im Vorjahr. Für viele kommt allerdings nach der Baulust der Baufrust. Denn drei Viertel der Neubauten weist in den ersten fünf Jahren nach der Fertigstellung Mängel auf, wie eine Untersuchung des Instituts für Bauforschung zeigt. Werden sie erst später erkannt, kommt das die Eigenheimbesitzer meist teuer zu stehen.
Welche Mängel treten in Neubauten am häufigsten auf?
In jedem zweiten Neubau sorgen Risse in Innen- und Außenwänden für Ärger. In rund 40 Prozent der Fälle sind es Fehler in der Konstruktion, und bei 38 Prozent führen Mängel an Leitungen, Sanitär- und Heizungsanlagen zu Problemen. Ein Drittel der Baumängel beruhen auf Feuchtigkeit sowie Farb- und Putzablösungen. Heizungsanlagen und Fenster sind laut der Untersuchung in 26 Prozent der Fälle mangelhaft. Typisch sind daneben auch Mängel bei der Gebäudeabdichtung, fehlerhafte Dampfbremsen und unerwünschte Schallbrücken, teilt der Bauherren-schutzbund mit. Auch zu kalte Fußbodenheizungen zählen zu den häufig monierten Baumängeln.
Was sind Baumängel?
Jede Abweichung von einer vertraglich vereinbarten Leistung – diese betrifft sowohl die Ausführung als auch verwendete Materialien. Grundsätzlich ist es unerheblich, ob bereits ein Folgeschaden entstanden ist oder ob überhaupt jemals ein Schaden entstehen wird. Bestellt der Bauherr beispielsweise farbige Fliesen, werden dann jedoch weiße verlegt, ist zwar das Gewerk sachgerecht ausgeführt, das Material entspricht jedoch nicht der Vereinbarung. Das gilt ebenso als Baumangel wie schief eingesetzte Türen oder falsch abgedichtete Sanitäranlagen. Stockende Arbeiten, weil ein Betrieb zu langsam ist, können nach Informationen der Arag-versicherung ebenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen. In diesem Fall haftet der Verursacher der Verzögerung.
Was sind häufig die Ursachen von Baumängeln?
Anhaltender Bauboom, gepaart mit Fachkräftemangel, sind nach Einschätzung von Bauexperten das Hauptproblem. Handwerker sind infolgedessen oft schwer zu bekommen, stehen häufig unter Zeitund Kostendruck oder geben Aufträge an Subunternehmer ab. So kommt es zu Fehlern und mangelhafter Ausführung von Arbeiten, aber auch zum Einsatz mangelhafter Baumaterialien. Außerdem können Planungsfehler, das Fehlen von Planungsunterlagen sowie Materialschäden später zum Riesenproblem werden. „Bauen wird immer anspruchsvoller. Dadurch steigt auch die Fehleranfälligkeit“, sagt Florian Becker, Geschäftsführer des Bauherren-schutzbunds. Vor allem bei mehrschichtigen Bauteilen sowie der Installation von Anlagentechnik werde die Wahrscheinlichkeit dafür größer, dass etwas schiefläuft.
Wie lange haftet ein Auftragnehmer für Mängel? Private Bauherren haben eine gesetzliche Gewährleistungspflicht von fünf Jahren. Es sei jedoch ratsam – nach rund einem Jahr – wenn Gebäude und die Anlagentechnik in Betrieb genommen wurden, das Haus mit Unterstützung eines Sachverständigen auf sichtbar gewordene Mängel zu untersuchen, rät der Schutzbund. Der Bauherr hat innerhalb von fünf Jahren Anspruch auf die Beseitigung aller Mängel durch das beauftragte Unternehmen. Nur etwa 20 Prozent der Baumängel werden bereits in der Bauphase entdeckt, zeigt der Bauschadenbericht. Ein Drittel der Schäden fällt innerhalb des ersten Jahres auf. Zehn Prozent der Bauschäden hingegen erst nach fünf Jahren.
Wie kostspielig kann es werden? Das ist höchst unterschiedlich. Selbst aus kleinen Fehlern, wie einer undichten Dampfbremse, kann ein hoher Schaden entstehen. „Wird das Problem rechtzeitig erkannt, kann der Schaden für wenige Hundert Euro repariert werden“, sagt Erik Stange vom Bauherren-schutzbund. Erwächst aus dem Defekt ein größerer Feuchtigkeitsschaden, können die Kosten für die Beseitigung schnell im Bereich eines Mittelklasse-neuwagens liegen.
Worauf sollten Bauherren achten? Die meisten Fehler finden sich an der Fassade, an Heizungsanlagen und Fenstern sowie Türen. Risse im Putz oder abbröckelnder Putz und Farbe sind auch vom Laien, also vom Bauherrn, selbst zu erkennen. Sie können beispielsweise durch das Verwenden nicht zueinander passender Baumaterialien auftreten. Ist die Heizungsanlage falsch eingestellt oder sind Türen und Fenster nicht sachgerecht abgedichtet, kann das im Nachgang hohe Heizkosten verursachen.
Wie lässt sich Pfusch am Bau auszuschließen?
Bauherren sollten sich vorab über den Handwerksbetrieb oder Bauunternehmer, die beauftragt werden sollen, informieren. So lässt sich mehr Sicherheit in Sachen Zuverlässigkeit, Kostentreue und Termineinhaltung gewinnen. Manchmal hilft es, bei der nächsten Verbraucherzentrale anzufragen, ob es in der Vergangenheit Beschwerden über die Firma gab. Eine Wirtschaftsauskunft hilft, den Baupartner besser einschätzen zu können. Sie ist kostenpflichtig bei der Schufa zu erhalten.
Mängel lassen sich am besten vermeiden und im anderen Fall beheben, wenn sie möglichst frühzeitig aufgespürt werden. Darum rät der Bauherren-schutzbund dazu, angefangen beim Vertragsabschluss den gesamten Bauprozess von einem unabhängigen Sachverständigen begleiten zu lassen.
Was ist zu tun, wenn
Baumängel entdeckt werden? Wenn etwas nicht stimmt, heißt es umgehend und am besten schriftlich per Einschreiben den dafür verantwortlichen Handwerksbetrieb zu informieren. Bauherren sollten dann die vorliegenden Schäden möglichst schnell und detailliert dokumentieren und Fotos machen. Auch hilft ein Blick auf die Rechnung des beauftragten Fachbetriebs: Dort findet sich normalerweise eine Auflistung der geleisteten Arbeit und der verwendeten Materialien.
Bauherren sollten eine Frist zur Behebung der Mängel setzen. Wird innerhalb des festgesetzten Zeitraums der Schaden nicht behoben, ist man laut Experten der Arag-versicherung berechtigt, einen anderen Handwerksbetrieb damit zu beauftragen. Ist der Schaden gemeldet, kann man von seinem Zurückhaltungsrecht Gebrauch machen. Das erlaubt es, bei Mängeln mindestens das Doppelte der Beseitigungskosten als Sicherheit einzubehalten.