Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Klettern und Toben im ehemaligen Gotteshaus
Seit September 2020 ist die Kirche St. Josef Heide in Osterfeld entweiht. Jetzt soll sie in eine Sportstätte umgebaut werden.
Hermann-josef Schepers hält eine Planskizze in seinen Händen. Darauf zu sehen sind erste Entwürfe für die Kirche St. Josef Heide in Oberhausen-osterfeld, die zu einer Sportkirche umgebaut werden soll. Der Diözesanvorsitzende steht vor dem Altar und erklärt: „Das Ziel ist eine gemeinnützige Geschichte. Kinder und Jugendliche aus Schulklassen und Kindergärten aller Glaubensrichtungen sollen hier zusammenkommen, um zu spielen und zu klettern.“Statt stillem Beten sollen die Oberhausener in Bewegung gebracht werden. Da in der Gegend Sportstätten rar sind, hätte dafür sowieso ein neues Gebäude gebaut werden müssen. Das katholische Gotteshaus eignete sich architektonisch aber überraschend gut für ein solches Vorhaben, also schlug Schepers der Stadt die Sportkirche vor. Das war der Grundstein für das Projekt, erklärt er.
Konkret sehen Kommune und Gemeinde folgenden Plan vor: In der Kirche soll eine „Bewegungswelt auf drei Ebenen“entstehen, „wobei der Schwerpunkt in den oberen beiden Etagen auf den Aspekten ‚Klettern‘ und ‚Erkunden‘ des Raumes liegen soll“, erzählt Frank Helling von der Stadt. Fest steht bereits, dass ein Hochseilgarten eingerichtet werden soll, erzählt Sportbereichsleiter Andreas Beulshausen.
Im Erdgeschoss sollen andere
Bewegungsformen möglich sein, ein Billardtisch oder eine Tischtennisplatte seien hier denkbar, meint Beulshausen. „Das steht zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht fest“, erklärt Helling, da die Oberhausener bei der Gestaltung auch aktiv mitentscheiden sollen.
Derzeit ist die Kirche noch ein leer stehendes Gebäude. „Es ist noch kein Hammer geschwungen, kein Loch gebohrt“, fasst Beulshausen den Stand des Bauvorhabens zusammen. Bislang wird die Sportkirche noch geplant, 2023 soll dann gebaut, 2024 eröffnet werden.
Finanziert wird das Projekt auch mit Mitteln aus dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“. Drei Millionen Euro hat die Stadt in Aussicht gestellt bekommen. Hinzu kommt ein Eigenanteil der Kommune von gut 330.000 Euro.
Der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf von Sportstätten in Vereins-trägerschaft ist insgesamt weiterhin groß. 23,4 Millionen Deutsche waren 2021 Mitglied in Sportvereinen. Im Rahmen des Programms „Moderne Sportstätte 2022“gab es in NRW insgesamt 5600 Interessenbekundungen für Modernisierungen. Unter anderem sollen stillgelegte Schwimmbäder reaktiviert oder Einfachbäder neu gebaut werden.
Cordula Spangenberg vom Bistum Essen erklärt, warum gerade die Kirche St. Josef für das Vorhaben „Sportkirche“verwendet wird: „Die Kirche scheint vom Standort her und architektonisch gut geeignet zu sein, um zum Beispiel Kletterwände einzubauen und die freien Flächen für Bewegung zu nutzen. Und sie stand leer, ein Investor wurde gesucht“, sagte sie.
Nachdem im Jahr 2019 im Bistum Essen 7216 Gläubige (2020 waren es 5237) aus der Kirche ausgetreten sind, möchte dieses mit der alternativen Nutzung des Kirchengebäudes in Oberhausen dafür sorgen, dass sich wieder mehr Menschen der Kirche zuwenden. Auch bundesweit bleibt die Zahl der Austritte hoch: 2020 traten insgesamt 441.390 Personen aus den beiden großen christlichen Konfessionen aus – 221.390 Katholiken und 220.000 Protestanten.
Aber toben in einem ehemals geweihten Raum – passt das? Das Bistum erklärt, dass „bei der Anschlussnutzung ehemals gottesdienstlicher Räume stets darauf geachtet wird, dass die Würde des Ortes, an dem Menschen Jahrzehnte lang gebetet haben, gewahrt bleibt.“Das liegt auch Schepers für St. Josef am Herzen. Ihm sei es wichtig, dass sich nicht nur Christen, sondern auch
Juden und Moslems in der Kirche wohlfühlen, sagt er.
Die Stadt Oberhausen sieht in dem Projekt einen Pilotcharakter: „Seit vielen Jahren werden Turnhallen nach immer gleichem Muster gebaut. In den letzten 50 Jahren hat in diesem Bereich keine nennenswerte Entwicklung stattgefunden. Eine Kirche als Sportstätte nutzbar zu machen, bricht diese Einheitsbauweise auf und ermöglicht es, Bewegungsbildung neu zu denken und den Körper anders erfahrbar zu machen“, heißt es.
Die Idee, leer stehende Gebäude in Sportstätten umzuwandeln, ist allerdings keine neue. „Um Liegenschaften besser zu nutzen, werden diese seit Jahren umgebaut, anstatt sie leer stehen zu lassen“, sagt Frank-michael Rall vom Landessportbund NRW. Als Beispiel nennt er die ehemalige Martini-kirche in Bielefeld-bethel, die heute als „Bar und Lounge“genutzt wird.
Benjamin Höfer vom Landessportbund fallen noch weitere Beispiele ein: Er nennt die Eröffnung eines Aktivzentrums der TVG Holsterhausen in den ehemaligen Räumen eines Lebensmittelgeschäfts. Des Weiteren haben die Turbo Schnecken Lüdenscheid eine denkmalgeschützte, ehemalige Maschinenfabrik zu einem Sport- und Vereinszentrum umgebaut, nachdem sie das Gebäude 2008 ersteigern konnten.
Das aktuellste Beispiel stammt wohl aus der Zeit der Flutkatastrophe: Ein Dorfsaal in Odendorf in der Eifel wurde temporär zu einer Sportstätte umgebaut, da sämtliche Gebäude in dem Ort durch die Wassermassen zerstört wurden.
Schepers hat sich inzwischen auf eine Kirchenbank gesetzt. Er streicht mit der Hand über das alte Eichenholz. „Die Bänke werden demnächst zu Iktus-fischen verarbeitet“, erklärt er. „Wir versuchen möglichst alles sinnvoll zu verwerten“, was für die Sportkirche nicht benötigt wird. Der Iktus-fisch ist ein christliches Symbol. Einige der Bänke sollen stehen bleiben, damit sich die Eltern darauf setzen können, während ihre Kinder in der Kirche klettern. Der Altar wird auf den Friedhof gestellt, denn dort, wo er noch in der Kirche steht, soll ein Pausenraum entstehen.