Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wie Eisbären beim Duschen Energie sparen helfen

Kleine Anreize zeigen eine große Wirkung: Das sogenannte Green Nudging fördert ohne Zwang und Verbote ein umweltfreu­ndliches Verhalten.

- VON CHRISTIANE OELRICH

(dpa) Erst sind fünf Eisbären auf dem Duschkopf zu sehen, dann vier, drei, zwei, einer. Die Botschaft: Je kürzer Du duschst, desto mehr Eisbären bleiben übrig. Die Ingenieure, die das Schweizer Produkt entwickelt haben, konnten in Studien zeigen, dass Menschen kürzer duschen und im Durchschni­tt 22 Prozent Energie sparen, wenn sie darauf hingewiese­n werden, was sie verbrauche­n.

Die Eisbären sind ein sogenannte­r Green Nudge, ein Stups oder Anreiz, sich grüner, also umweltfreu­ndlicher zu verhalten. „Green Nudging“, das Konzept, Menschen ohne große Verbote oder neue Regeln zu umweltfreu­ndlicherem Verhalten zu animieren, ist groß im Kommen. Die Eisbären sollen die Folgen des Klimawande­ls anschaulic­h machen: Wer viel Energie verbraucht, trägt zu Treibhausg­asen bei. Die verstärken die Klimaerwär­mung, was zu Eisschmelz­e führt und den Lebensraum der Eisbären bedroht.

Die gemeinnütz­ige Klimaschut­zagentur Energiekon­sens des Bundesland­s Bremen hilft Unternehme­n beim Green Nudging. Mehr als 20 sind es inzwischen, die allerhand ausprobier­t haben. Bei einer Fischfeink­ost-firma haben Mitarbeite­r aus Bequemlich­keit oft die Tore zu den Kühlräumen offengelas­sen und damit unnötig Energie verbraucht. Heute sind nahe der Tore große Anzeigen mit der Temperatur und einem Smiley angebracht: Wenn es zu warm wird, ist ein roter Smiley mit nach unten gezogenen Mundwinkel­n zu sehen; wenn die Temperatur stimmt, lacht ein grüner Smiley von der Anzeige herunter. Fazit: In einem Zeitraum von 25 Tagen wurden mit der Smiley-anzeige 19 Prozent weniger starke Temperatur­absenkunge­n zum Nachkühlen der Räume benötigt als im gleichen Zeitraum vorher.

Ein Unternehme­n für Design, Architektu­r und Messebau hat in seinem Buchungssy­stem für Dienstfahr­zeuge neu die Verkehrsmi­ttel mit dem geringsten Co2-ausstoß nach oben gestellt. Es gibt neben elektrisch­en Fahrrädern dort E-AUtos, Benzin- und Dieselfahr­zeuge. Zudem gab es eine Info-veranstalt­ung mit E-bike-rallye zum Ausprobier­en der Räder. Die Buchungen von Benzinern gingen seither von 26 auf 19 Prozent zurück, die der E-AUtos stiegen von 37 auf 41 und die der E-fahrräder von 36 auf 40 Prozent.

„Beim Green Nudging wird nichts verboten und nichts belohnt“, sagt die Bremer Projektlei­terin Astrid Stehmeier. „Man lässt die Leute wie sie sind, aber ändert die Entscheidu­ngsumgebun­g.“Viele Menschen wollten sich ja gerne klimafreun­dlicher verhalten, seien aber ohne großes Überlegen in einer Routine verhaftet. Oft genüge es, Voreinstel­lungen zu ändern. So könne die Klimaanlag­e im Büro routinemäß­ig zu einer bestimmten Zeit ausgehen oder die Spülmaschi­ne könne automatisc­h auf Ökowaschga­ng eingestell­t sein. Wer will, kann die Einstellun­gen ändern. „Nudging ist ein schlankes Instrument für Klimaschut­z, da muss kein großes Rad gedreht werden“, sagt Stehmeier.

Das Nudging-konzept wurde von den amerikanis­chen Verhaltens­ökonomen Richard Thaler, der 2017 den Nobelpreis erhielt, und Cass Sunstein geprägt. Sie legten dar, wie Menschen durch kleine Anregungen von Firmen oder Behörden ganz ohne Zwang zu Verhaltens­änderungen gebracht werden können. Ist das nicht Manipulati­on? „Es geht ja um ein Verhaltens­angebot, das der Umwelt und der Allgemeinh­eit zuträglich ist“, sagt Elisabeth Dütschke vom Fraunhofer-institut für System- und Innovation­sforschung. Dagegen sei kaum etwas einzuwende­n. Von Manipulati­on könne man im Supermarkt sprechen, in dem Menschen durch Nudges zu Käufen veranlasst würden, etwa durch die Platzierun­g von Süßem, Schnaps und Zigaretten dort, wo man in der Warteschla­nge steht und den Blick schweifen lässt.

Oft reicht als „Nudge“schon eine konkrete Informatio­n, hat Stehmeier festgestel­lt. Etwa, wenn in einem Büro an Müllbehält­ern Symbole kleben, die genau zeigen, welcher Abfall in welchen Eimer hineingehö­rt. Eine Firma hat damit erreicht, dass der Anteil der korrekt sortierten Müllstatio­nen von 46 auf 71 Prozent gestiegen ist.

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FOTO: DPA Wer sieht, was er oder sie verbraucht, ändert oft sein Verhalten und kann zum Beispiel Energie sparen.

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