Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die Nato und die Werte
Das hatten sich Klaus Korhonen und Axel Wernhoff auch nicht vorstellen können: dass sie an diesem Mittwoch im Mai die offiziellen Mitgliedsanträge ihrer Heimatländer in die Brüsseler Nato-zentrale tragen würden. Und dass das „Herzlich willkommen“der Nato nur im Namen von 29 der 30 Nato-mitglieder gesprochen würde. Die Türkei sperrt sich weiter, obwohl alle anderen Nato-staaten die Aufnahme in Rekordzeit vollziehen wollen. Warum?
Es liegt auf der Hand, dass die Südostflanke der Nato eine Gewichtsverschiebung nach Nordosten genau beobachtet. Die Türkei könnte als Antwort darauf gemeinsame Interessen im Südosten des Bündnisgebietes zu bündeln versuchen. Doch die Kooperation mit dem Nachbarn Griechenland besteht nur auf dem Papier. Der autoritäre Charakter des Erdogan-regimes und auch die aktuellen Veto-drohungen zeigen die Grenzen einer Nato auf, die sich selbst immer wieder als „Wertegemeinschaft“definiert. Tatsächlich sehen Finnen und Schweden die Gülen-bewegung wie die anderen Nato-staaten; nur Erdogan verfolgt sie seit dem gescheiterten Putsch von 2016 als Terroristen. Wenn der türkische Präsident nicht mit Staaten in einem Bündnis sein will, die Gülen gewähren lassen, muss er aus der Nato austreten.
Sein Veto ist der Versuch, einen Hebel anzusetzen. Ankara will die bestellten F-35-tarnkappenjets, deren Auslieferung die USA auf Eis gelegt haben. Sie befürchten russisches Ausspähen der Bombertechnik, nachdem die Türkei das hochmoderne S-400-luftabwehrsystem von Russland gekauft hat. Eine Lösung liegt auf der Hand: Ankara gibt die Blockade auf, Schweden und Finnland kommen in die Nato, die Türkei bekommt ihre Jets – und reicht die S-400-luftabwehr unter der Hand an die Ukraine weiter. Damit hätte sich dann ein Kreis geschlossen.