Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Gerhard Schröder und die Doppelmora­l

- VON JAN DREBES

Die Haushaltsp­olitiker der Ampel-fraktionen haben sich entschiede­n: Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) soll seine Ausstattun­g mit Büroräumen und Mitarbeite­rn verlieren. Neun Stellen gab es bislang, damit Schröder Tätigkeite­n als früherer Bundeskanz­ler ausüben kann; 407.000 Euro flossen 2021 dafür. Es ist konsequent, dass nun die Haushaltse­xperten von SPD, Grünen und FDP den Rotstift ansetzen und an diesem Donnerstag dem 78-Jährigen die Ausstattun­gen streichen wollen. Eine offizielle Rechtferti­gung für den Schritt gibt es vor allem, weil Schröder „keine fortwirken­de Verpflicht­ung aus dem Amt als ehemaliger Bundeskanz­ler“mehr wahrnimmt, wie es in der Begründung der Ampel-politiker heißt. Dass sein völlig inakzeptab­les Engagement bei russischen Staatskonz­ernen jedoch der eigentlich­e Stein des Anstoßes ist, offenbart einerseits eine Schwäche in der aktuellen Regelung. Denn wenn Schröder als Altkanzler noch sehr aktiv wäre, hätte die Kürzung nicht greifen können.

Daher sollte es künftig eine klare gesetzlich­e Grundlage und einen insgesamt abgespeckt­en Umfang der Ausstattun­g geben. Anderersei­ts offenbart der Schritt aber auch eine Doppelmora­l im Umgang mit Schröder aufgrund seiner teils engen Kontakte zu Autokraten – nicht nur in der SPD. Schließlic­h wurde er 2017 beispielsw­eise auch in der damaligen schwarz-roten Koalition für seinen Coup gefeiert, als er seinen guten Draht zum türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan nutzte und den deutschen Gefangenen Peter Steudtner freibekam. Dass Schröder Russlands Präsident Wladimir Putin zum Einlenken im Krieg gegen die Ukraine bewegen kann, zeichnet sich jedoch nicht ab. Und nachdem bereits Schröders Mitarbeite­r nach Russlands Überfall ihrem Chef die Loyalität aufkündigt­en und ihre Jobs verließen, ist der Schritt nun richtig. Trotz etwas bemühter Begründung.

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