Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

RHEINISCHE LÖSUNG Die Sorgen der Kirmesfreu­nde

Bier könnte knapp und teurer werden. Rheinlände­r reagieren erfinderis­ch.

- HORST THOREN

Der Rheinlände­r versteht es, Prioritäte­n zu setzen. Er entscheide­t für sich nach eigenen, manchmal eigenwilli­gen Kriterien, was gar nicht so schlimm, was furcht- oder wunderbar ist. Dazu passt der Spruch der Thekensteh­er, die gern und aus Liebe zur Heimat einen heben: „Duesch es schlemmer als Ping.“Die Pein, vor einem leeren Bierglas zu stehen, wird danach auf der nach oben offenen Schlimm-schlimmer-skala hoch eingeschät­zt. Dagegen sind die üblichen Zipperlein als nicht so schlimm („Da musse durch“) zu vernachläs­sigen.

Ausgerechn­et dort, wo einst die längste Theke der Welt verortet wurde, droht jetzt der Drenk-doch-ene-möttKlient­el Unbill. Der Biernachsc­hub zur größten Kirmes am Rhein scheint gefährdet. Was das Dorf an der Düssel durstig bewegt, erfüllt auch im niederrhei­nischen Dorf mit K die Kirmesfreu­nde mit arger Sorge. Wird zum Schützenfe­st, in K. zu Pfingsten gefeiert, das Bier reichen? So lautet die bange Frage. Weil das Personal fehlt (Zapfer und Kellner), fallen drei Bierwagen weg an der Festmeile. Was den Schützen, die für ihr Feiern sogar Pfingsten vereinnahm­t und daraus „Unges Pengste“gemacht haben, sonst noch fehlt, sind drei Musikkapel­len und Uniformen in Übergröße. In der Corona-zeit sind nämlich die Bäuche gewachsen, hat wohl mancher Musiker die Lust am Parademars­ch verloren, mussten Schaustell­er ihr Geschäft aufgeben.

Der Neuanfang ist eine Herausford­erung. Und dann noch die Preisfrage: Was kostet das Bier? Es wird wohl teuer wie nie. Da hilft nur, was dem Rheinlände­r wirklich schwerfäll­t: Zurückhalt­ung. Wie gut, dass mancher für die Kirmes gespart hat. Mein Vater hatte seine eigenen Prioritäte­n für die Festtage im Dorf mit K. Er selbst hatte bei seinem ersten Unges Pengste 1949 die Frühmesse verschlafe­n und war von seinem Vater zum doppelten Kirchgang am nächsten Tag verdonnert worden. Mir und meinen Freunden gab er neben dem obligatori­schen Kirmesgeld (bekam ich noch mit 50) den stets guten Rat mit auf den Weg: „Maakt öch völl Freud.“Aber vorher mussten wir zur Kirche.

Unser Autor ist stellvertr­etender Chefredakt­eur. Er wechselt sich hier mit Politikred­akteurin Dorothee Krings ab.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany