Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
RHEINISCHE LÖSUNG Die Sorgen der Kirmesfreunde
Bier könnte knapp und teurer werden. Rheinländer reagieren erfinderisch.
Der Rheinländer versteht es, Prioritäten zu setzen. Er entscheidet für sich nach eigenen, manchmal eigenwilligen Kriterien, was gar nicht so schlimm, was furcht- oder wunderbar ist. Dazu passt der Spruch der Thekensteher, die gern und aus Liebe zur Heimat einen heben: „Duesch es schlemmer als Ping.“Die Pein, vor einem leeren Bierglas zu stehen, wird danach auf der nach oben offenen Schlimm-schlimmer-skala hoch eingeschätzt. Dagegen sind die üblichen Zipperlein als nicht so schlimm („Da musse durch“) zu vernachlässigen.
Ausgerechnet dort, wo einst die längste Theke der Welt verortet wurde, droht jetzt der Drenk-doch-ene-möttKlientel Unbill. Der Biernachschub zur größten Kirmes am Rhein scheint gefährdet. Was das Dorf an der Düssel durstig bewegt, erfüllt auch im niederrheinischen Dorf mit K die Kirmesfreunde mit arger Sorge. Wird zum Schützenfest, in K. zu Pfingsten gefeiert, das Bier reichen? So lautet die bange Frage. Weil das Personal fehlt (Zapfer und Kellner), fallen drei Bierwagen weg an der Festmeile. Was den Schützen, die für ihr Feiern sogar Pfingsten vereinnahmt und daraus „Unges Pengste“gemacht haben, sonst noch fehlt, sind drei Musikkapellen und Uniformen in Übergröße. In der Corona-zeit sind nämlich die Bäuche gewachsen, hat wohl mancher Musiker die Lust am Parademarsch verloren, mussten Schausteller ihr Geschäft aufgeben.
Der Neuanfang ist eine Herausforderung. Und dann noch die Preisfrage: Was kostet das Bier? Es wird wohl teuer wie nie. Da hilft nur, was dem Rheinländer wirklich schwerfällt: Zurückhaltung. Wie gut, dass mancher für die Kirmes gespart hat. Mein Vater hatte seine eigenen Prioritäten für die Festtage im Dorf mit K. Er selbst hatte bei seinem ersten Unges Pengste 1949 die Frühmesse verschlafen und war von seinem Vater zum doppelten Kirchgang am nächsten Tag verdonnert worden. Mir und meinen Freunden gab er neben dem obligatorischen Kirmesgeld (bekam ich noch mit 50) den stets guten Rat mit auf den Weg: „Maakt öch völl Freud.“Aber vorher mussten wir zur Kirche.
Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.