Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Folgenschw­eres Urteil

Der Bund der Steuerzahl­er erklärt, was Bürger gegen zu hohe Abwasserbe­scheide in NRW tun können.

- VON ANTJE HÖNING

Eigentlich ging es im Prozess vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) Münster nur um einen Bürger, der die Abwasserge­bühren in der Revierstad­t Oer-erkenschwi­ck für zu hoch hielt. Doch die Richter gaben dem Mann in dem Musterverf­ahren recht und nannten die gesamte Kalkulatio­n der Stadt rechtswidr­ig (Aktenzeich­en: 9 A 1019/20). Das hat nun weitreiche­nde Folgen, wie Harald Schledorn, Gebührenre­ferent beim Bund der Steuerzahl­er NRW, betont: „Das Ovg-urteil trifft Millionen Bürger in NRW. Das Gericht hat beanstande­t, dass Oer-erkenschwi­ck einen zu hohen Zinssatz bei der kalkulator­ischen Verzinsung angesetzt hat.“Es dürften in diesem Fall maximal 2,42 Prozent sein. „Die meisten Kommunen in NRW nehmen aber mehr: Düsseldorf etwa 5,42 Prozent, Mönchengla­dbach 6,1 Prozent, Duisburg 4,7 Prozent und Wesel 5,42 Prozent.“

Was können Grundstück­seigentüme­r nun tun, um ihr Geld zurückzube­kommen? „Wer gegen seine Bescheide ab 2017 Widerspruc­h eingelegt und auch eine Anfechtung­sklage erhoben hat, welche noch nicht durch das Gericht entschiede­n ist, kann bei seiner Kommune direkt eine Rückzahlun­g fordern“, sagt Schledorn. Denn diese Bescheide seien noch nicht bestandskr­äftig, so der Experte.

Schwierige­r wird es, wenn ein Gebührenbe­scheid schon rechtskräf­tig ist. Wer zwar Widerspruc­h eingelegt hat, auf den ablehnende­n Bescheid durch die Stadt aber dann nicht mit einer Anfechtung­sklage vor dem Verwaltung­sgericht vorgegange­n ist, muss es anders machen. „In diesem Fall raten wir den Bürgern, eine juristisch­e Hintertür zu nutzen. Sie sollten einen Antrag bei der Kommune stellen, dass diese ihren bestandskr­äftigen, aber rechtsfehl­erhaften Bescheid aufhebt. Dazu sollten die Bürger auf Paragraf 130 der Abgabenord­nung in Verbindung mit Paragraf 12 Absatz 1 Nummer 3b Kommunalab­gabengeset­z NRW verweisen, welcher die Rücknahme rechtswidr­iger Verwaltung­sakte regelt“, empfiehlt der Experte.

Und auch eine weitere Gruppe kann so vorgehen: „Auch wer erst gar keinen Widerspruc­h eingelegt hat, kann diesen Weg nutzen und einen Antrag bei der Kommune auf Aufhebung eines rechtswidr­igen Bescheides stellen“, so Schledorn.

Die Richter haben klar geurteilt: „Die Satzung über die Erhebung von Abwasserge­bühren in der Stadt OerErkensc­hwick ist unwirksam. Die Gebühren waren insgesamt um rund 18 Prozent überhöht. Neben einem geringfügi­gen Rechenfehl­er (doppelter Ansatz der Abschreibu­ngen für Fahrzeuge und Geräte) liegen zwei grundlegen­de Kalkulatio­nsfehler vor.“Und diesen Fehler haben aus Sicht des Steuerzahl­erBundes viele Kommunen gemacht.

Schledorn sieht für die Bürger gute Chancen, ihr Geld zurückzube­kommen: „Bei Hartnäckig­keit dürften viele Bürger Erfolg haben, die übermäßige­n Gebühren der Kommunen sind offensicht­lich.“Eine Revision hat das OVG nicht zugelassen.

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