Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Sommer der Entlastungen
Der Bundestag entscheidet an diesem Donnerstag über Maßnahmen, die gegen die gestiegenen Preise helfen sollen. Ein Überblick.
Die Preise für Benzin und Diesel verharren seit Wochen auf extrem hohem Niveau, angetrieben auch durch den Ukraine-konflikt. Um den Menschen insbesondere bei der Mobilität Entlastungen zu bieten, wollen die Ampel-fraktionen im Bundestag an diesem Donnerstag mehrere Maßnahmen beschließen. Wem das helfen soll und welche Kritik es daran gibt: eine Übersicht.
Was planen die Koalitionsfraktionen? Der Bundestag befasst sich an diesem Donnerstag mit zwei wesentlichen Entlastungsmaßnahmen: der temporären Senkung der Energiesteuer und der vorübergehenden Einführung des sogenannten Neun-euro-tickets für Bahnfahrten.
Was sehen die Regelungen zum günstigeren Tanken vor? Für die drei Monate Juni bis August wird die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß gesenkt. Die Steuerentlastung für Benzin beträgt damit knapp 30 Cent je Liter, für Diesel sind es 14 Cent je Liter. Gesenkt werden die Steuern unter anderem für die Kraftstoffe Diesel, Benzin, Erdgas und Flüssiggas. Die Steuermindereinnahmen für den Bundeshaushalt werden auf 3,15 Milliarden Euro beziffert.
Was ist mit dem Neun-euro-ticket? Ebenfalls in den Sommermonaten Juni, Juli und August ist ein ÖPNV
Ticket für jeweils neun Euro pro Monat vorgesehen. Das Ticket soll bundesweit für den gesamten öffentlichen Personennahverkehr gelten. Wer eine Dauerkarte hat, soll die Differenz zum Neun-euro-ticket erstattet bekommen. Der Bund will den Ländern für die Umsetzung des Tickets 2,5 Milliarden Euro zahlen.
Wer soll von der Senkung der Energiesteuer profitieren? Durch das Gesetz sollen die Endpreise für die im Straßenverkehr verwendeten Kraftstoffe an der Tankstelle signifikant sinken; die Belastung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft durch die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise soll abgefedert werden, heißt es in dem Gesetzentwurf. Das Neun-euro-ticket soll allen günstigere Bahnfahrten ermöglichen. Profitieren werden vor allem Reisende und Pendler, die keine weiten Strecken zurücklegen wollen, denn das Ticket gilt nicht für Fernzüge wie den ICE oder IC.
Welche Kritik gibt es an den Plänen? Energieexpertin Claudia Kemfert kritisiert den von der Ampel geplanten Tankrabatt für Autofahrer massiv. „Ein Tankrabatt ist ökonomisch und ökologisch unsinnig, zudem sozial ungerecht, da hohe Einkommensbezieher stärker bevorteilt werden“, sagte Kemfert unserer Redaktion. „Nicht Preise müssen gedeckelt werden, sondern die Kosten. Steuergeld für Putin-energie ist keine gute Idee“, sagte die Professorin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Beim Tankrabatt wird mit enormen Steuergeldern weiterhin teure Energie aus Russland bezahlt, zudem in die Hände der Mineralölkonzerne, die ohnehin Kriegsgewinne machen“, sagte sie.
Wohlfahrtsverbände ziehen unterdessen die soziale Wirksamkeit in Zweifel. „Das Entlastungspaket weist nicht nur eine extreme soziale Schieflage auf, sondern ist auch klimapolitisch kontraproduktiv. Allein die vorgesehene Abschaffung der Eeg-umlage auf Strom kostet 6,8 Milliarden Euro. Je höher der Stromverbrauch, umso höher der Entlastungsbetrag. Es sind die Haushalte mit den großen Wohnungen und Einfamilienhäusern, die besonders profitieren, die mit dem zusätzlichen Kühlschrank, der guten EDVAusstattung oder vielleicht auch der Heimsauna im Keller“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, auf Anfrage.
Was sagen die Länder? Mehrere Länder üben derzeit Kritik an dem bereits vom Bundestag beschlossenen Steuerentlastungsgesetz. Es sieht unter anderem vor, dass der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer um 363 Euro steigt und die Werbungskostenpauschale angehoben wird – beides rückwirkend zum 1. Januar. Außerdem sollen Fernpendler eine höhere Pendlerpauschale anrechnen können – 38 Cent statt bisher 35 Cent pro Kilometer. Bremen, Baden-württemberg und SachsenAnhalt halten sich jedoch mit Verweis auf erhebliche Mindereinnahmen die Zustimmung im Bundesrat am Freitag bislang offen.