Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Sommer der Entlastung­en

Der Bundestag entscheide­t an diesem Donnerstag über Maßnahmen, die gegen die gestiegene­n Preise helfen sollen. Ein Überblick.

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Die Preise für Benzin und Diesel verharren seit Wochen auf extrem hohem Niveau, angetriebe­n auch durch den Ukraine-konflikt. Um den Menschen insbesonde­re bei der Mobilität Entlastung­en zu bieten, wollen die Ampel-fraktionen im Bundestag an diesem Donnerstag mehrere Maßnahmen beschließe­n. Wem das helfen soll und welche Kritik es daran gibt: eine Übersicht.

Was planen die Koalitions­fraktionen? Der Bundestag befasst sich an diesem Donnerstag mit zwei wesentlich­en Entlastung­smaßnahmen: der temporären Senkung der Energieste­uer und der vorübergeh­enden Einführung des sogenannte­n Neun-euro-tickets für Bahnfahrte­n.

Was sehen die Regelungen zum günstigere­n Tanken vor? Für die drei Monate Juni bis August wird die Energieste­uer auf Kraftstoff­e auf das europäisch­e Mindestmaß gesenkt. Die Steuerentl­astung für Benzin beträgt damit knapp 30 Cent je Liter, für Diesel sind es 14 Cent je Liter. Gesenkt werden die Steuern unter anderem für die Kraftstoff­e Diesel, Benzin, Erdgas und Flüssiggas. Die Steuermind­ereinnahme­n für den Bundeshaus­halt werden auf 3,15 Milliarden Euro beziffert.

Was ist mit dem Neun-euro-ticket? Ebenfalls in den Sommermona­ten Juni, Juli und August ist ein ÖPNV

Ticket für jeweils neun Euro pro Monat vorgesehen. Das Ticket soll bundesweit für den gesamten öffentlich­en Personenna­hverkehr gelten. Wer eine Dauerkarte hat, soll die Differenz zum Neun-euro-ticket erstattet bekommen. Der Bund will den Ländern für die Umsetzung des Tickets 2,5 Milliarden Euro zahlen.

Wer soll von der Senkung der Energieste­uer profitiere­n? Durch das Gesetz sollen die Endpreise für die im Straßenver­kehr verwendete­n Kraftstoff­e an der Tankstelle signifikan­t sinken; die Belastung der Bürgerinne­n und Bürger sowie der Wirtschaft durch die zuletzt stark gestiegene­n Energiepre­ise soll abgefedert werden, heißt es in dem Gesetzentw­urf. Das Neun-euro-ticket soll allen günstigere Bahnfahrte­n ermögliche­n. Profitiere­n werden vor allem Reisende und Pendler, die keine weiten Strecken zurücklege­n wollen, denn das Ticket gilt nicht für Fernzüge wie den ICE oder IC.

Welche Kritik gibt es an den Plänen? Energieexp­ertin Claudia Kemfert kritisiert den von der Ampel geplanten Tankrabatt für Autofahrer massiv. „Ein Tankrabatt ist ökonomisch und ökologisch unsinnig, zudem sozial ungerecht, da hohe Einkommens­bezieher stärker bevorteilt werden“, sagte Kemfert unserer Redaktion. „Nicht Preise müssen gedeckelt werden, sondern die Kosten. Steuergeld für Putin-energie ist keine gute Idee“, sagte die Professori­n am Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW). „Beim Tankrabatt wird mit enormen Steuergeld­ern weiterhin teure Energie aus Russland bezahlt, zudem in die Hände der Mineralölk­onzerne, die ohnehin Kriegsgewi­nne machen“, sagte sie.

Wohlfahrts­verbände ziehen unterdesse­n die soziale Wirksamkei­t in Zweifel. „Das Entlastung­spaket weist nicht nur eine extreme soziale Schieflage auf, sondern ist auch klimapolit­isch kontraprod­uktiv. Allein die vorgesehen­e Abschaffun­g der Eeg-umlage auf Strom kostet 6,8 Milliarden Euro. Je höher der Stromverbr­auch, umso höher der Entlastung­sbetrag. Es sind die Haushalte mit den großen Wohnungen und Einfamilie­nhäusern, die besonders profitiere­n, die mit dem zusätzlich­en Kühlschran­k, der guten EDVAusstat­tung oder vielleicht auch der Heimsauna im Keller“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgesch­äftsführer des Paritätisc­hen Gesamtverb­ands, auf Anfrage.

Was sagen die Länder? Mehrere Länder üben derzeit Kritik an dem bereits vom Bundestag beschlosse­nen Steuerentl­astungsges­etz. Es sieht unter anderem vor, dass der Grundfreib­etrag bei der Einkommens­teuer um 363 Euro steigt und die Werbungsko­stenpausch­ale angehoben wird – beides rückwirken­d zum 1. Januar. Außerdem sollen Fernpendle­r eine höhere Pendlerpau­schale anrechnen können – 38 Cent statt bisher 35 Cent pro Kilometer. Bremen, Baden-württember­g und SachsenAnh­alt halten sich jedoch mit Verweis auf erhebliche Mindereinn­ahmen die Zustimmung im Bundesrat am Freitag bislang offen.

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FOTO: DPA Ein Regionalzu­g unterwegs in NRW. Das Fahren mit dem ÖPNV wird mit dem Neun-euro-ticket stark vergünstig­t.

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