Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Neue Dächer für Europas Energie
Die EU will noch schneller von russischer und fossiler Energie wegkommen. Dazu hat sie ihre bereits sehr ehrgeizigen Umbaupläne noch ambitionierter überarbeitet. Wenn Solardächer zur Pflicht werden, kann das die Städte verändern.
Verdoppelung der neu install ierten Solarenergie bis 2025 auf 320 Gigawatt, bis 2030 auf 600 Gigawatt.
Mit seinem Angriffskrieg hat Russlands Präsident Wladimir Putin den Klimaschutzplänen der Europäischen Union einen kräftigen Schub gegeben. Um so schnell wie möglich so weit wie möglich aus der Abhängigkeit von russischen fossilen Energielieferungen herauszukommen, hat die Eu-kommission ihre bereits sehr ehrgeizigen Energieumbaupläne noch ambitionierter überarbeitet. Es ist das Projekt „Repower EU“dabei herausgekommen. In der Wortschöpfung stecken die erneuerbaren Energien, die Kraftwerksmodernisierung und die EU. „Es ist, als hätten wir eine elfte Etage auf einem zehngeschossigen Haus“, sagte ein Eu-beamter kurz vor der offiziellen Vorstellung.
Der Plan umfasst mehrere Hundert einzelne Gedanken, die vor allem um fünf große Baustellen kreisen: Gas, Öl und Kohle aus Russland werden ersetzt durch Lieferungen aus anderen Ländern. Was bei den Corona-impfstoffen klappte, soll nun auch beim gemeinsamen Einkauf der EU von Flüssiggas
Solarpanels werden
auf all en öffentlich oder kommerziell genutzten Gebäuden Pflicht. und Wasserstoff geschehen. Solarund Windkraftanlagen sollen massiv ausgebaut, die Genehmigungsverfahren für die Neugestaltung der Energie-infrastruktur gerafft werden. Und schließlich geht es darum, schon kurzfristig auf große Mengen Energie durch sparsameren Umgang damit verzichten zu können.
210 Milliarden Euro will die Kommission dafür in den nächsten Jahren in die Hand nehmen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach sogar von bis zu 300 Milliarden. Intern wird jedoch darauf hingewiesen, dass dies pro Jahr 100 Milliarden Euro weniger an Überweisungen nach Russland bedeute.
Vor allem der Ausbau von Windund Sonnenenergie soll zu dem Ziel beitragen, bis 2030 nicht mehr „nur“40 Prozent Anteil regenerativer Energien zu erreichen, sondern bereits 45 Prozent. Die Gestalt der Straßenzüge in den Dörfern und Städten wird sich dadurch massiv verändern. Ab 2025 wird es nach den Vorstellungen der Kommission eine Pflicht für neue behördlich, öffentlich oder wirtschaftlich
Solarpanels werden
bei all en privat genutzten Neubauten Pflicht. genutzte Gebäude geben, mit Sonnenkollektoren zu bauen, ab 2029 soll das auch alle privaten Neubauten betreffen.
Grünen-klimaexperte Michael Bloss rechnete vor: „Eu-weit können 70 Millionen Solardächer bis zum Jahr 2030 nahezu die gesamten russischen Gas-importe ersetzen.“Mit dem Wiederaufbauprogramm für Europas Solarindustrie werde die Gemeinschaft auch unabhängig von den Lieferungen aus China in dieser zentralen Zukunftstechnologie. Auch das Handwerk ist angetan.
„Solartechnik wirkt vor Ort und hat gesellschaftliche Akzeptanz“, sagt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). „Die Nachfrage boomt“, stellt Schwannecke fest. Das sei auch daran zu sehen, dass Handwerksleistungen stärker nachgefragt würden, etwa um die entsprechenden Solarpanels zu installieren. Qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker könnten so als Klimaschützer tätig werden. Schwannecke will darüber mit Blick auf die Fachkräftegewinnung mit der Kommission ins Gespräch kommen.
„Wir brauchen den schnellen Aufwuchs der Erneuerbaren“, unterstreicht auch Jens Geier, Chef der Spd-europaabgeordneten. Alles müsse jetzt vorgezogen werden. „Leider war NRW dabei bislang nicht vorne“, kritisiert der Essener Politiker – und zieht einen Bogen zu den beginnenden Koalitionssondierungen in Nordrhein-westfalen: „Ich erwarte von den Grünen, dass sie sich im Kampf gegen den Klimawandel gegen die CDU durchsetzen“, meinte Geier. Er begrüßte die massiven Investitionen in mehr Wind- und Sonnenenergie, verwies dabei zugleich auf neue Technologien. Eine alte Windkraftanlage zu modernisieren, bedeute drei Mal mehr Strom, ohne weitere Windräder aufstellen zu müssen.
Das Energiepaket der Kommission besteht nach Einschätzung des Cdu-europaabgeordneten Markus Pieper aus Licht und Schatten. Die 45-Prozent-zielmarke für die Erneuerbaren entspreche auch Forderungen seiner Fraktion. Allerdings warnte er zugleich vor „gefährlichen Abwegen“. Die Vorgaben für die Wasserstoffproduktion drohten der jungen europäischen Produktion das Wasser abzugraben. Hier würden zu strenge und zu komplizierte Vorgaben beispielsweise für den Netzzugang und die Verwendung schon bestehender Anlagen gemacht. „Für Wasserstoff mit Goldrand haben wir keine Zeit und kein Geld“, warnte Pieper. Sonst gehe die EU sehenden Auges in die nächste Abhängigkeit, denn die Geschäfte machten dann die Chinesen, die USA und andere.
Ein erbitterter Streit zeichnete sich sofort nach der Vorstellung des Programms um seine Finanzierung ab. Die Kommission schlug vor, die 210 (oder 300) Milliarden zu einem Teil aus einem Fonds zu nehmen, aus dem Umwelt- und Verkehrsprojekte zur Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU finanziert werden. Der andere Teil könne aus Erlösen des europäischen Emissionshandels kommen. Hier stellten sich die Grünen sofort quer: „Das Paket darf nicht durch mehr CO2Ausstoß und Klimaverschmutzung finanziert werden“, erklärte Bloss.