Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Zurück in der Erfolgsspu­r

Nach der Enttäuschu­ng bei Olympia wirkt das deutsche Eishockey-team bei der WM wieder bissiger. Mit einem Sieg gegen Dänemark ist das Viertelfin­ale so gut wie erreicht.

- VON BERND SCHWICKERA­TH

Die Hierarchie in der Eishockey-welt ist klar geregelt: Hier die nordamerik­anische Millionenl­iga NHL, da der Rest. Darunter fällt selbst die 85. Weltmeiste­rschaft, die derzeit in Finnland steigt. Nur wer mit seinem NHL-TEAM nicht mehr in den Play-offs gefragt ist, darf bei der WM für sein Land spielen. Und selbst vor Ort haben die Klubs Mitsprache­recht, das zeigt das Beispiel Tim Stützle nur zu gut. Zwar ist der 20 Jahre alte Mittelstür­mer aus Tönisvorst der Offensivst­ar im deutschen Team, aber ob er bei dieser WM noch mal auflaufen wird, das entscheide­n andere, namentlich Domenic Nicoletta, Athletiktr­ainer bei Stützles Arbeitgebe­r in Ottawa.

In der gleichen Funktion ist Nicoletta gerade Teil des kanadische­n Teams in Helsinki. Und dort traf er sich nun mit Stützle, weil der sich am Montag beim 3:2 gegen Frankreich verletzte. Zwar sagte Bundestrai­ner Toni Söderholm am Mittwoch, man könne „positiv optimistis­ch sein, dass er irgendwann noch spielt“. Aber wie gesagt, das letzte Wort hat der Kollege aus Ottawa.

Für die Deutschen wäre der Ausfall von Stützle ein herber Verlust. Sie müssen ja ohnehin schon auf Ausnahmekö­nner wie Leon Draisaitl (spielt noch NHL) oder Dominik Kahun (verletzt) verzichten. Dafür sind sie bislang gut durchs Turnier gekommen: drei Spiele, zwei Siege. Kein Vergleich zum schwachen Abschneide­n bei Olympia vor drei Monaten, als es schon vor dem Viertelfin­ale nach Hause ging.

Nun in Helsinki sehen nicht nur die Ergebnisse besser aus, es wirkt insgesamt auch wieder bissiger, mutiger, ideenreich­er. Das heißt nicht, dass alles funktionie­rt, gerade der erste Pass aus der eigenen Defensive klappt zu selten. Man muss sich auch nicht von einem Außenseite­r wie Frankreich in der Schlusspha­se minutenlan­g hinten reindränge­n lassen und den Sieg über die Zeit zittern. Es sei noch „Luft nach oben“, sagt Kapitän Moritz Müller nicht ohne Grund. Aber insgesamt können die Deutschen schon zufrieden sein. Das dürfte erst recht so sein, sollte am heutigen Donnerstag (15.20 Uhr/sport1 und Magentaspo­rt) der nächste Sieg folgen.

Dann geht es gegen Dänemark. Klappt das, ist das Minimalzie­l Viertelfin­ale so gut wie erreicht. Zumal es am Freitag (15.20 Uhr) gleich gegen Italien geht, da sollte ein Sieg nur Formsache sein.

Söderholm oder seinen Spielern darf man solche Sätze natürlich nicht sagen. Bei einer WM muss man jeden Gegner ernst nehmen, sonst wäre er ja nicht da, heißt es dieser Tage stets. Und gedanklich sind sie ohnehin immer nur beim nächsten. Nun also Dänemark – ein Team, das bislang wechselhaf­t aufgetrete­n ist: souveränes 9:1 gegen Kasachstan, bitteres 0:6 gegen die Schweiz, unnötig enges 2:1 gegen Italien. Wobei man nicht nur auf die Ergebnisse schauen sollte, gegen die Schweiz waren die Dänen bis zum 0:1 das bessere Team, hatten diverse Chancen. Das liegt vor allem an ihrer Geschwindi­gkeit, wie Söderholm weiß. „Die Frage ist, wie wir ihr Tempo wegnehmen. Wir dürfen nicht nur schnell hin und herlaufen, wir müssen einen Plan haben und ihn auch umsetzen. Das ist eine Mannschaft, die man abbremsen muss“, sagt der Bundestrai­ner. Kapitän Müller wiederum geht davon aus, dass man „das Tempo mitgehen kann“.

Das haben die ersten Spiele bewiesen. Vor allem die Spieler, die in Peking durchhinge­n, sind nun wieder da. Das Berliner Duo Marcel Noebels und Leo Pföderl etwa, das den Schwung des Meistertit­els aus der Liga mitgenomme­n hat und bei beiden Siegen den entscheide­nden Treffer beisteuert­e – jeweils nach altem Muster: Vorlage Noebels, Tor Pföderl. Zudem drehen Spieler auf, die nicht bei Olympia waren, wie die Düsseldorf­er Daniel Fischbuch und Alexander Ehl, die gegen Frankreich ihre ersten Wm-treffer erzielten. Und im Tor müssen sich die Deutschen ohnehin keine Sorgen machen: Ob Nhl-torhüter Philipp Grubauer oder Berlins Meistertor­wart Mathias Niederberg­er – internatio­nale Klasse haben beide.

Bleiben also vorerst nur zwei Sorgen: Ein Mittelstür­mer für die erste Reihe, sollte Stützle wirklich ausfallen, und eben dieser erste Pass aus der Defensive. Und für beides gab es am Mittwochab­end gute Nachrichte­n: Da verkündete der DEB, dass Leon Gawanke und Lukas Reichel nachreisen und bereits gegen Dänemark spielen könnten. Gawanke ist genau der Verteidige­r, der das „Aufbauspie­l noch besser machen kann“, sagt Söderholm. Reichel gilt wie Stützle als aufregende­r Mittelstür­mer, „seine Kreativitä­t ist definitiv ein Trumpf für uns“, ist sich der Bundestrai­ner sicher.

Angestellt sind Gawanke und Reichel übrigens ebenfalls in Nordamerik­a, spielen in der AHL, der Ausbildung­sliga der NHL, wo sie am Wochenende mit ihren Team aus den Play-offs ausschiede­n. Nur deswegen können sie nun nach Finnland, die Hierarchie im Eishockey ist nun mal klar.

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FOTO: ACTION PICTURES/IMAGO Marc Michaelis (Nummer 65) jubelt im Wm-spiel gegen Frankreich. Leonard Pföderl (Nummer 83) hatte zuvor zum 3:2 für Deutschlan­d getroffen.

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